Gegenschlag: Regierung geht gegen Temu, Shein & Co vor
- Heimischer Handel unter Druck
- Chinas Plattformen nützen Zollfreigrenze
- Billigprodukte mit Risiko
- Teure Folgen für Händler und Konsumenten
- Regierung macht auf EU-Ebene Druck
- Maßnahmenpaket als erster Schritt
- Anheben der Zollfreigrenze ist nicht genug
Der heimische Handel steht vor massiven Herausforderungen. Neben hoher Steuer- und Abgabenlast, Fachkräftemangel und Konsumzurückhaltung setzen internationale Onlineplattformen den ohnehin angeschlagenen Betrieben zu. Anbieter wie Temu oder Shein überschwemmen den Markt mit Billigprodukten aus Fernost, häufig unter Umgehung europäischer Standards. Nach der Initiative des Sozialministeriums gehen jetzt auch Wirtschafts- und Finanzministerium hart gegen die Packerlflut aus China vor.
Unterstützung kommt von der Initiative Österreich 2040, der Interessenvertretung der heimischen Familienbetriebe. Sie schlägt erneut Alarm, dass Billigimporte aus Drittstaaten dabei sind, die gesamte regionale Wertschöpfung zu bedrohen. "Es kann nicht sein, dass österreichische Betriebe Steuern, Löhne und Sozialabgaben korrekt leisten, während internationale Plattformen über zollfreie Billigimporte den Markt überschwemmen", so Geschäftsführer Thomas Perdolt.
Heimischer Handel unter Druck
"Die Billigflut aus China bedroht nicht nur den heimischen Handel, sondern unsere gesamte Wirtschaftsstruktur, von Lehrstellen über Fachkräfte bis hin zur regionalen Wertschöpfung“, warnt auch Wirtschaftsminister Wolfgang Hattmannsdorfer (ÖVP), der auf europäischer Ebene verstärkt Druck aufbaut. „Plattformen wie Temu und Shein unterlaufen unsere Standards und entziehen sich ihrer Verantwortung bei Steuern, Produktsicherheit und Arbeitsbedingungen. Das ist nicht nur unfair, das ist brandgefährlich.“
Von Seiten der Interessenvertreter wie auch des Handels wird der neue Vorstoß begrüßt. „Seit unserem Start fordern wir faire Wettbewerbsbedingungen im Onlinehandel. Endlich kommt Bewegung in die Sache", betont Perdolt, dessen Forderungen über die aktuellen Maßnahmen hinausgehen.
Chinas Plattformen nützen Zollfreigrenze
Die Problematik der Billig-Packerl hat in den vergangenen Monaten massiv an Brisanz gewonnen. Seit die USA unter Donald Trump Strafzölle auf chinesische Waren eingeführt haben, setzen die Anbieter aus Fernost verstärkt auf den Zielmarkt Europa. Über 100 Millionen Pakete sind bislang nach Österreich gekommen. Kontrolliert wurde nur rund ein Prozent. Für chinesische Anbieter ist das Geschäft in Europa äußerst lukrativ, auch bei kleinsten Bestellmengen.
Möglich macht das die aktuelle Lücke im Zollsystem. Die noch gültige Zollfreigrenze von 150 Euro erlaubt es, Kleinsendungen ohne Abgaben in die EU zu bringen. Laut Handelsverband gelangten im Jahr 2024 rund 4,6 Milliarden solcher Pakete aus Drittstaaten in die EU.
Billigprodukte mit Risiko
Für Konsumenten ist das Angebot gerade in Zeiten der weiter grassierenden Inflation äußerst verlockend: Strumpfhosen um 50 Cent, Bastelzubehör günstiger als im Ein-Euro-Shop, elektronische Geräte zum Spottpreis. Auf den ersten Blick günstig wirkend, bergen die vermeintlichen Schnäppchen erhebliche Risiken. Laut EU-Spielzeugverband gelten 95 Prozent der über Temu gekauften Spielzeuge als unsicher. Häufig fehlen die CE-Kennzeichnung oder Angaben zur elektrischen Sicherheit. In vielen Fällen wurden verbotene Weichmacher nachgewiesen. Was als harmloses Sonderangebot beginnt, kann für Konsumenten gefährlich enden.
"Produkte aus Fernost entsprechen vielfach nicht den EU-Sicherheits-, Umwelt- und Arbeitsstandards", weiß auch Perdolt von der Initiative Österreich 2040 zu berichten. Dringend notwendig seien deshalb nicht nur faire Abgaben, sondern auch strengere Kontrollen, klare Herkunftskennzeichnung und ein Heben der Produktqualität auf EU-Niveau. "Erst dann können Konsumenten sicher sein, dass sie nicht minderwertige oder unsichere Ware erhalten", ist er überzeugt.
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Teure Folgen für Händler und Konsumenten
Nicht nur für Konsumenten ist die Gefahr enorm. Die unerwünschten Nebenwirkungen bekommt vor allem der heimische Handel bitter zu spüren. Österreichische Betriebe verlieren Marktanteile. Durch Steuern, Mieten und Löhne tragen sie zudem deutlich höhere Kosten als die Konkurrenz aus China. Steigende Abgaben und höhere Preise werden zwangsläufig weitergegeben. Die höheren Preise spüren letztlich die Konsumenten am eigenen Leib, deren Börserl von Inflation und Shrinkflation massiv belastet sind. Ein Teufelskreis, der Arbeitsplätze, Steuereinnahmen und regionale Wertschöpfung gefährdet.
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Regierung macht auf EU-Ebene Druck
„Ein faires Wettbewerbsumfeld ist die Grundlage für eine starke und resiliente Wirtschaft. Direktsendungen aus Drittstaaten umgehen den heimischen Handel und verzerren damit den Markt“, so Finanzstaatssekretärin Barbara Eibinger-Miedl. Finanz- und Wirtschaftsministerium wollen die Entwicklung stoppen. Österreich hat in Brüssel früh auf eine Reform gedrängt. Nun liegen konkrete Maßnahmen vor.
- Abschaffung der 150-Euro-Zollfreigrenze
- Einführung einer Handling Fee von zwei Euro pro Produktposition
- Plattformhaftung für korrekte Deklaration und Produktsicherheit
- Aufbau einer zentralen EU-Zollbehörde mit digitalem Data Hub und KI-gestützter Risikoanalyse: Die neue europäische Zollbehörde (EUCA) soll künftig die Datenströme bündeln und mit KI-Systemen riskante Sendungen automatisch erkennen.
- Nationale Maßnahme: In Österreich sollen Webcrawler verdächtige Online-Angebote automatisch identifizieren und der Marktüberwachung melden.
Maßnahmenpaket als erster Schritt
Das Maßnahmenpaket wird von Handel und Interessensvertretern begrüßt. Handelsverband-Geschäftsführer Rainer Will fordert seit Langem gleiche Regeln für alle Anbieter. „Plattformen wie Temu oder Shein schleusen Milliarden Produkte durch den europäischen Markt, oft ohne Abgaben, ohne Kontrolle, ohne Verantwortung. Während unsere Händler jeden Cent korrekt abführen, werden Steuern und Sicherheitsstandards systematisch umgangen“, so Will. Pro Jahr verliere Österreich eine Milliarde Euro an Mehrwertsteuereinnahmen.
Anheben der Zollgrenze ist nicht genug
Auch ist man bei Interessenvertretung und Handel überzeugt, dass ein Anheben der Zollfreigrenze nicht genug sein kann. Das zeigt auch ein Rechenbeispiel der Initiative. Ein Produkt, das heute auf Temu um 4,90 Euro versandkostenfrei nach Österreich geliefert wird, würde nach Einführung von Zoll und Mehrwertsteuer rund 6,10 Euro kosten. Bei einem Artikelpreis von 20 Euro stiege der Endpreis auf etwa 24,80 Euro, bei 50 Euro auf rund 61 Euro. Der Preis würde dabei lediglich die steuerliche und zollrechtliche Gleichstellung widerspiegeln. Kosten für Qualitätssicherung und Gewährleistung von EU-Sicherheits-, Umwelt- und Arbeitsstandards seien da noch nicht mal ansatzweise eingepreist.
Neben einer rascheren Umsetzung der Zollreform fordert die Initiative für Österreich 2040 deswegen auch kurzfristig wirksame Maßnahmen wie die Einführung einer CO₂-Abgabe auf Langstreckenimporte aus Drittstaaten. "Damit könnten umweltschädliche Billigtransporte eingepreist und gleichzeitig österreichische Betriebe entlastet werden", ist Geschäftsführer Perdolt überzeugt.
Quellen und weiterführende Informationen
- Presseaussendung BMWET: Fairness für heimischen Handel: Österreich startet Offensive gegen Temu, Shein & Co
- Initiative Österreich 2040: Informationen zur Interessenvertretung der österreichischen Familienbetriebe und zu Projekten sowie Forderungen
- Handelsverband – Studie: Top 100 Webshops in Österreich 2025
- Statistik Austria: Verbraucherpreisindex (VPI/HVPI) – Entwicklung der Inflation in Österreich
- Europäische Kommission – Customs: Informationen zur EU-Zollreform und zum Aufbau der europäischen Zollbehörde (EUCA)