Dumping am Esstisch: Temu will Austro-Lebensmittel liefern
Inhalt
- Temu-Expansion nach Europa
- Enorme Marktstärke
- Sicherheits- und Umweltbedenken
- Handelsverband schlägt Alarm
- EU-Politik diskutiert strengere Regeln und Zölle
Online-Riese Temu hat angekündigt, künftig verstärkt Lebensmittel in Europa vertreiben zu wollen. Details zu geplanten Sortimenten in Österreich hat der Konzern bisher nicht bekanntgegeben. Mit dem chinesischen Handelsriesen würde ein weiterer Billig-Anbieter in einen hochsensiblen Bereich vorstoßen.
Temu-Expansion nach Europa
Die Pläne sind durchaus fortgeschritten. Eigenen Angaben zufolge hat Temu bereits ein Team aufgebaut, das gezielt Hersteller in Europa anspricht. Laut Unternehmensangaben steht die Plattform auch Händlern aus Österreich offen. Ausgeweitet werden soll nicht nur das Angebot an Kosmetik- und Gartenprodukten, sondern vor allem auch an Snacks, Süßwaren, Getränke.
Der Handelsgigant aus China will dafür ein eigenes Sortiment „aus Europa für Europa“ etablieren. „Die meisten Lebensmittel bei Temu werden von lokalen Händlern angeboten“, so ein Temu-Sprecher gegenüber der APA. Durch die Zusammenarbeit mit regionalen Unternehmen wolle man eine „noch größere Auswahl, schnellere Lieferungen und Produkte, die den lokalen Geschmack bestmöglich widerspiegeln“, erreichen.
Enorme Marktstärke
Im heimischen Handel stößt die Ankündigung auf wenig Gegenliebe. Schon jetzt hat Temu eine enorme Reichweite in Europa: Monatlich besuchen rund 103 Millionen Menschen die Plattform, allein in Österreich sind es etwa 1,8 Millionen. Der Konzern aus China betreibt dabei kein eigenes Warenlager, sondern vermittelt direkt zwischen asiatischen Herstellern und Käufern weltweit.
Kunden werden mit extrem niedrigen Preisen geködert. Aktuell sind die bekanntesten Hauptsegmente Mode, Elektronik, Haushalts- und Beauty-Produkte. Lebensmittel führt Temu in Österreich derzeit nur in kleinem Umfang. Vertrieben werden haltbare Produkte wie Nüsse und Nudeln.
Der Blick nach China zeigt, wohin die Reise auch hierzulande gehen könnte. Im Fernen Osten liegt der Onlineanteil am gesamten Einzelhandel bereits bei 60 Prozent. Rund die Hälfte aller Onlinebestellungen entfällt inzwischen auf Lebensmittel.
Sicherheits- und Umweltbedenken
Mit den Billigprodukten kommen massive Bedenken. Plattformen wie Temu sind in der Vergangenheit aufgrund aggressiver Dumpingpreise, mangelnder Produktsicherheit und intransparenter Lieferketten vermehrt in die Kritik geraten.
Verbraucherschützer warnen vor gesundheitsschädlichen Inhaltsstoffen und fehlenden Produktauszeichnungen. So berichtete die Arbeiterkammer Oberösterreich Anfang Juli, dass über Temu vertriebene Flip Flops „extrem stark mit gesundheitsgefährdeten Chemikalien belastet“ gewesen seien. Hinzu kommt eine drohende Flut an Verpackungsmüll, die Umwelt und Innenstädte belastet.
Hinzu kommt der Druck auf den heimischen Handel, der mit den Dumpingpreisen made in China nicht mithalten kann.
Temu kündigt Einstieg ins EU Lebensmittelgeschäft an – HV warnt vor Risiken & EU-rechtswidrigen Praktiken. LEH ist kritische Infrastruktur, Nahrungsmittelsicherheit darf nicht Verhandlungsmasse werden! Nahversorgung in EU steht mittelfristig auf dem Spiel https://t.co/wrw2Qc67MF pic.twitter.com/kFQEMQZSyb
— Rainer Will (@Will_Rainer) July 9, 2025
Handelsverband schlägt Alarm
Wenig verwunderlich also, dass sich der österreichische Handelsverband angesichts der Temu-Pläne äußerst besorgt zeigt. Die Expansionspläne seien ein "Brandbeschleuniger für ein bereits brennendes Problem", sagt Geschäftsführer Rainer Will. „Der Lebensmittelhandel zählt zur kritischen Infrastruktur, er sichert die Nahversorgung der gesamten Bevölkerung. Nun steht in diesem Sektor die nächste Welle asiatischer Billigstimporte vor der Tür. Das ist ein hochsensibler Bereich, in dem Qualität, Rückverfolgbarkeit und Sicherheit keine Verhandlungsmasse sein dürfen.“
Die Auswirkungen der aktuellen Entwicklungen könnten gar nicht hoch genug eingeschätzt werden, mahnt er. Nicht weniger als die Versorgungssicherheit Europas stünde auf dem Spiel.
„In unseren Regalen findet sich eine Vielzahl an regional und lokal produzierten Qualitätsprodukten aus biologischem Anbau", betont Handelsverbandspräsident Stephan Mayer-Heinisch. "Der Handel trägt damit entscheidend zum Erhalt landwirtschaftlicher Strukturen und Produzenten in Österreich bei. Und wir wollen, dass das auch so bleibt.“
Der Grünen-Europaabgeordnete Thomas Waitz wiederum warnte: „Der Lebensmittelhandel in Österreich ist ohnehin schon sehr konzentriert. Temu und weitere Großkonzerne erhöhen den Druck auf heimische Bauern, die jetzt schon mit dem Rücken zur Wand stehen.“ Von einem fairen Lebensmittelsystem sei das „kilometerweit entfernt“.
EU-Politik diskutiert strengere Regeln und Zölle
Nicht nur in Österreich kämpft man gegen die Invasion der Packerlflut. Parallel läuft auf europäischer Ebene derzeit die Debatte, wie Plattformen wie Temu oder Shein stärker reguliert werden können. Ein zentrales Thema ist dabei die 150-Euro-Zollfreigrenze, die es Drittstaatenanbietern erlaubt, kleinere Sendungen ohne Zollabgaben in die EU zu liefern.
„Die 150-Euro-Zollfreigrenze wird von den Anbietern gezielt missbraucht. Dem muss endlich ein Riegel vorgeschoben werden“, forderte die EU-Abgeordnete Elisabeth Grossmann (SPÖ). „Die Dumping-Warenflut aus Asien verdrängt lokale Händler, verzerrt den Wettbewerb und viel zu oft ignorieren diese Produkte nicht nur unsere hohen europäischen Sicherheits- und Gesundheitsstandards, sondern sind wirklich gesundheitsschädlich", mahnt auch Sophia Kircher von der ÖVP.