Stocker: Auch Pensionen geht es an den Kragen
- Sparsignal bei Pensionen
- Inflationsbremsen und die „Formel 2“
- Lebensmittelpreise und der Österreich-Aufschlag
- Energiekosten und Netze neu ordnen
- Eine Milliarde für den Aufschwung
- Migration als Härtefeld
- Sozialhilfe vereinheitlichen
- Neutralität, Drohungen und FPÖ-Seitenhiebe
Am Montag hat ÖVP-Obmann Christian Stocker bei Klaus Webhofer zum ORF-Sommergespräch Platz genommen. Dabei hat der Regierungschef die Gelegenheit genützt, sich klar als Kanzler und weniger als Parteichef zu inszenieren. Wie zuvor seine Koalitionskollegen Beate Meinl-Reisinger (NEOS) und Andreas Babler (SPÖ) hat auch er Verbindliches in den Vordergrund gestellt. Leitmotiv des Gesprächs war Stockers kürzlich ausgerufene 2-1-0-Formel: zwei Prozent Ziel-Inflation, ein Prozent Wirtschaftswachstum, null Toleranz gegenüber Angreifern der Demokratie. "Das Land braucht Veränderung", ist Stocker überzeugt.
Sparsignal bei Pensionen
Weiter eines der dominierenden Themen bleibt das Budget. Den harten Sparkurs setzt die Regierung unter Stocker fort, bis hinein in Kernwählerschichten. So lässt der Kanzler mit einer Sparansage Richtung Pensionserhöhungen aufhorchen. „Es wäre ein richtiges Zeichen, unter 2,7 Prozent abzuschließen“, so Stocker. Wenn auch unrealistisch zu erreichen, wären zwei Prozent das Ziel. „Aber alles, was unter 2,7 Prozent liegt, hilft.“ Politisch wagt Stocker damit einen durchaus riskanten Schritt, immerhin zählen Pensionistinnen und Pensionisten zur Kernklientel der ÖVP.
Auch beim öffentlichen Dienst signalisiert der ÖVP-Chef Bereitschaft zu Gesprächen. Durchaus denkbar wäre ein erneutes Aufschnüren der bereits getroffenen, mancherseits als zu hoch kritisierten Beamtenabschlüsse: „Da haben wir eine Gesetzeslage. Das habe ich immer respektiert. Sollte es Gesprächsbereitschaft geben, führe ich diese Gespräche gerne.“
Inflationsbremsen und die „Formel 2“
Die Inflationsbekämpfung bezeichnet Stocker als vordringlichstes Ziel. "Möglicherweise droht uns noch Ungemach", lässt er trotz aller Entschlossenheit, die Inflation im kommenden Jahr unter zwei Prozent zu bringen, gleich an mehreren Stellen wenig Zuversicht erkennen. Als Haupttreiber sieht er Energiepreise und Lohnabschlüsse. Auch bei den Kollektivvertragsverhandlungen müsse deshalb Zurückhaltung geübt werden. Zu hohe Abschlüsse würden die Preise weiter treiben. Im Gebührenbereich will er die Steigerungen klein halten. Bundesgebühren sollen 2026 maximal um zwei Prozent zulegen, reglementierte Mieten nur um ein Prozent.
Lebensmittelpreise und der Österreich-Aufschlag
Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf den dieser Tage stark diskutierten Lebensmittelpreisen. Der „Österreich-Aufschlag“ verteure Waren im Schnitt um acht Prozent. „Ich werde daher alles tun auf europäischer Ebene, dass das sehr bald verboten wird und wenn es notwendig ist und früher erreicht werden muss, auch nationale Möglichkeiten prüfen", verspricht Stocker im Sommergespräch. Wie er Brüssel unter Druck setzen möchte, um die Regelung ehest baldig zu kippen, lässt er offen. Zugleich verweist er auf mögliche nationale Maßnahmen, um Konsumenten zu entlasten, bleibt aber auch hier konkrete Details schuldig.
Energiekosten und Netze neu ordnen
Handlungsbedarf sieht Stocker auch im Energiesektor. „In Österreich gibt es 114 Netzgesellschaften, 80 davon in öffentlichem Eigentum“, erklärt er. Sein Ziel ist eine „großzügige Redimensionierung“. „Ich kann mir vorstellen, dass das sehr weitgehend sein kann und dadurch auch Synergien entstehen.“ Parallel dazu soll ein Standortfonds privates Kapital für den Netzausbau mobilisieren, was letztlich die Netzkosten senken soll.
Eine Milliarde für den Aufschwung
Trotz Sparkurs kündigt der Kanzler auch ein großzügiges Konjunkturpaket an. Eine Milliarde Euro soll die Wirtschaft wieder ankurbeln. Lukrieren will er die Summe über Umschichtungen im Förderwesen. „Von acht Milliarden Euro an Förderungen wollen wir eine Milliarde umwidmen“, so Stocker. Der Investitionsfreibetrag soll von zehn auf 20 Prozent steigen, um private Investitionen zu beschleunigen. Energieintensive Betriebe sollen heuer und 2026 mit je 75 Millionen Euro unterstützt werden. Dazu kommen steuerliche Entlastungen bei Energieabgaben sowie der Breitbandausbau. Ziel ist, das Wirtschaftswachstum wieder auf ein Prozent zu bringen.
Migration als Härtefeld
Beim Thema Asyl und Migration zeigt Stocker weiter Härte. „Wir suchen legale Wege. Aber ich will nach Syrien und Afghanistan abschieben“, betont er. Straffällige und ausreisepflichtige Personen sollen konsequent außer Landes gebracht werden. "Ich will niemanden erklären, dass die Politik ohnmächtig ist." Auf einen konkreten Fall angesprochen, antwortet er: „Meine Aufgabe ist es zu sorgen, dass Menschen, die hier kein Aufenthaltsrecht haben und noch dazu straffällig geworden sind, außer Landes zu bringen.“ Er fordert eine „authentische Interpretation der Europäischen Menschenrechtskonvention“ und eine politische Definition sicherer Drittstaaten.
Generell versucht Stocker hier stark, an die FPÖ verlorene Wähler zurückzugewinnen. Härte zeigt er nämlich auch in puncto Kopftuchverbot. 2020 hat der Verfassungsgerichtshof dieses Verbot mit der Begründung aufgehoben, dass es gegen den Gleichheitsgrundsatz verstößt und gezielt nur muslimische Mädchen diskriminiert. Geht es nach Stocker, wird das Kopftuchverbot künftig verfassungskonform verankert.
Zugleich verweist Stocker auf das verpflichtende Integrationsprogramm, das er als „Zeichen“ versteht: „Die, die von uns Leistungen bekommen, sollen auch Beiträge leisten.“
Sozialhilfe vereinheitlichen
Stocker kündigt an, die Sozialhilfe bundesweit zu vereinheitlichen. Ein Ministerrat im September soll die Reform beschließen. Orientierung findet er bei restriktiveren Landesmodellen, Wien könnte damit demnächst nachschärfen müssen. Geplant ist eine Staffelung der Kinderzuschläge sowie eine dreijährige Wartefrist für volle Leistungen. „Wenn jemand null einbezahlt hat, kann er nicht alles herausbekommen“, stellt Stocker klar.
Neutralität, Drohungen und FPÖ-Seitenhiebe
Zur Drohung des russischen Ex-Präsidenten Dmitri Medwedew, Österreich im Falle eines NATO-Beitritts mit Militärgewalt zu bedrohen, nimmt Stocker unmissverständlich Stellung: „Wir lassen uns weder drohen noch provozieren.“ Österreichs Neutralität stehe außer Frage, ein NATO-Beitritt sei „überhaupt kein Thema“. Dennoch warnt er: „Wir sind gefährdet. Und unsere Demokratie wird attackiert.“ Es ist übrigens nicht die einzige Gelegenheit, die Stocker nützt, um Richtung FPÖ auszuteilen.
Diese verbreite „Unwahrheiten“ und sorge für eine „Vergiftung“ durch Empörungspolitik. Zu Herbert Kickl meint er: „Er hat einmal die Chance gehabt, Bundeskanzler zu sein. Er hat für sich entschieden, es nicht zu wollen.“