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Fahndungsfoto des Verdächtigen.
Dieser Mann soll Kopf eines Westbalkan-Clans sein.
Dieser Mann soll Kopf eines Westbalkan-Clans sein.
LPD Wien

3.000 Euro Belohnung: Wien jagt Clan-Boss

25.04.2024 um 09:37, Simone Reitmeier & APA, Red
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Der 38-jährige Österreicher gilt als Kopf eines Westbalkan-Clans und wird per EU-Haftbefehl gesucht. Für zielführende Hinweise gibt es 3.000 Euro Belohnung.

Nach Betrügereien mit einem Gesamtschaden von rund 2,2 Millionen Euro sind Ermittler der Rip-Deal-Unit Wien der Außenstelle Zentrum-Ost des Landeskriminalamts (LKA) einem 38-jährigen Österreicher und Clan-Boss auf der Spur. Auf das Konto des Mannes und seiner bereits ausgeforschten drei Komplizen gehen insgesamt sechs Fälle, drei davon in Kombination mit teils schweren Raubüberfällen. Der 38-Jährige, der als Kopf eines Westbalkan-Clans gilt, wird per EU-Haftbefehl gesucht.

Provision in Goldmünzen

Den Lauf nahmen die Ermittlungen unter der Bezeichnung "OP NIPOTE" der Rip-Deal-Experten unter Führung von Chefinspektor Gerald Goldnagl im Jahr 2021, mitten während der Corona-Krise. Ein im Vertrieb von Gesundheitsprodukten, Schutzmasken und Hygienemittel tätiger 41-jähriger Mediziner bekam damals von vermeintlichen Geschäftsleuten ein größeres Angebot für eine Reihe von Produkten. Nach Aufbau des Vertrauens sagte der Österreicher zu. "Dabei wurde eine Provision in Goldmünzen verlangt", sagte Valentin Szaga-Doktor aus dem Ermittlungsbereich für Betrug am Mittwoch in einem Hintergrundgespräch vor Medienvertretern.

Mit Schusswaffe bedroht

Die Männer gaben vor, der Tiroler solle für den Deal über die österreichische Grenze nach Bozen kommen, um dort die Provision den angeblichen Mittelsmännern zu übergeben. Bei der Übergabe wurde er jedoch stutzig und wollte von dem Geschäft zurücktreten. "Das Opfer wurde dann mit einer Schusswaffe bedroht, sie raubten ihm die Goldmünzen um 160.000 Euro", erklärte der Betrugsexperte. Daraufhin folgten über mehrere Tage Drohungen gegen ihn und seine Familie. "Sie sagten, wenn er sich an die Behörden wende, gebe es Konsequenzen", schilderte der Ermittler. Der 41-jährige Mann erstattete daraufhin im Juli 2021 Anzeige bei der Polizei in Tirol.

Ferienhaus-Deal

Nur ein Monat später erhielt ein Pensionist in Wien von einem Mann unter demselben Namen ein Angebot für den Verkauf seines Ferienhauses auf einem Online-Portal. Auch dem 84-Jährigen wurde vorgegaukelt, dass er nach Barzahlung von 200.000 Euro als Provision für die Vermittler des Deals die Kaufsumme erhalte. Er müsse dafür nur ins italienische Udine reisen, lautetet die Bedingung. "Dort entriss ihm der Vermittler die Tasche mit dem Geld und flüchtete erneut", erklärte der Kriminalist.

Erster Verdacht

Bei den Ermittlern in Wien keimte in der Zwischenzeit ein Verdacht. "Das schien kein Zufall zu sein", so Szaga-Doktor. Mit Unterstützung der Polizeiinspektion Kufstein habe dann durch gesicherte Stimmaufzeichnungen der Mann auch als Verdächtiger für den Fall in Udine ausgemacht werden könne. "Das Opfer erkannte ihn wieder." Die Staatsanwaltschaft Innsbruck erteilte daraufhin erste Festnahmeanordnungen. Ein ähnlicher Fall ereignete sich dann nach Monaten wieder im Februar 2022: Ein 40-Jähriger in Tirol wurde in Zusammenhang mit Verkauf seiner Wohnung in Verona betrogen, nachdem er von Zwischenhändlern einen niedrigen fünfstelligen Vermittlungsbetrag als Provision ausgehändigt bekommen und dafür einen sechsstelligen Betrag in Form von Falschgeld erhalten hatte.

Influencer bittet um Hilfe

Monate später, Anfang 2023, bat die Wiener Ermittler plötzlich ein deutsch-amerikanischer Influencer um Hilfe. "Ihm wurde gesagt, wir seien die einzigen, die ihm helfen könnten." Es stellte sich heraus, dass der 34-Jährigen ebenfalls Opfer eines Rip-Deals geworden war. Ein ominöser Scheich hatte den Social-Media-Star kontaktiert, vorgegaukelt in Luxusuhren investieren zu wollen und nach vertrauensbildenden Treffen in die belgische Hauptstadt Brüssel gelockt. Unter falschen Versprechungen rückte der Mann Uhren im Wert von 300.000 Euro heraus und überwies weitere 300.000 in Kryptowährungen. Nachdem die Ermittler dem Opfer Fotos ihrer Verdachtsperson zeigten, erhärtete sich der Verdacht gegen den 38-jährigen Österreicher.

Betrüger versteckt sich in präparierten Tisch

Nur einige Zeit später wandte sich ein US-amerikanischer Investor an die Landespolizeidirektion Wien. Er gab an, er habe mit möglichst wenig Spesen an einen Hilfsfonds für Notleidende Kinder in der Ukraine spenden wollen und sei dann von Männern kontaktiert worden. Diese baten an, eine Million US-Dollar in bar gegen einen Teil seines Vermögens in Kryptowährungen einzutauschen. Er sei dann nach Mailand gelockt worden, erzählte er den Kriminalisten. Dort hätten die Männer ihm das Geld in bar präsentiert und in die Laden eines präparierten Tisches gelegt. Doch als er aus dem Tisch ein verdächtiges Husten hörte, habe er einen Rückzieher machen wollen." Der Mittäter im Tisch hätte das echte Geld ursprünglich gegen Falschgeld austauschen sollen", sagte Szaga-Doktor. Die Männer hielten dem US-Geschäftsmann daraufhin eine Schusswaffe an den Kopf, bedrohten den 27-Jährigen und verlangten die Herausgabe der Passwörter für sein Krypto-Wallet. Es entstand ein Schaden im siebenstelligen Bereich. Besonders bemerkenswert laut Szaga-Doktor: "Wir haben Maschen mit einem solchen Tisch seit mehr als 20 Jahren nicht mehr gesehen in Österreich." Laut der Polizei handelt es sich bei diesem Raub um einen der größten Überfälle in Italien.

Süßwarenhersteller aus Salzburg

Fast zeitgleich erstattete ein 60-jähriger Chef eines österreichischen Süßwarenherstellers in Salzburg Anzeige, nachdem er bereits 2020 von einer angeblichen Investmentfirma aus Luxemburg kontaktiert worden war, die angegeben hatte in seine Projekte investieren zu wollen. Bei einem finalen Treffen in Mailand, wo es vor der Investition zu einer Sicherheitszahlung des 60-Jährigen kommen hätte sollen, attackierte ihn dann sein vermeintlicher Geschäftspartner mit einem Schlag gegen die Brust und raubte ihm die Tasche mit Bargeld im Wert von 150.000 Euro. Eine Tasche mit Falschgeld ließ der Verdächtige jedoch liegen.

Kopf eines Westbalkan-Clans

Der 38-jährige österreichische Kopf des Westbalkan Clans mit starker Verwurzelung in Belgien und den Niederlanden gilt für die Ermittler als hauptverdächtig. Auch seine bereits ausgeforschten Komplizen gelten als Mitglieder der Bande. Im Herbst 2023 wurde der 38-Jährige in Mailand durch die italienische Polizei festgenommen. Doch das Glück der Ermittler währte nur kurze Zeit, denn dem 38-Jährigen gelang die Flucht.

3.000 Euro Belohnung

Die Landespolizeidirektion Wien veröffentlichte am Mittwoch auch Fotos des 38-Jährigen. Für Hinweise, die zur Festnahme des Verdächtigen führen, wird zudem vom Verein der Freunde der Wiener Polizei eine Belohnung in Höhe von 3.000 Euro ausgelobt. Hinweise werden streng vertraulich behandelt und - auch anonym - an das Landeskriminalamt Wien, Außenstelle Zentrum Ost, Rip Deal Unit Vienna, unter der Telefonnummer 01-31310-62510 erbeten.

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