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Kanzler Karl Nehammer im Porträt, hinter ihm eine Flagge der Europäischen Union
Nehammer will Bargeld in die Verfassung heben. Das kommt nicht bei allen gut an.
Nehammer will Bargeld in die Verfassung heben. Das kommt nicht bei allen gut an.
GEORG HOCHMUTH / APA / picturedesk.com

Bargeld-Posse: Nehammer kassiert Schelte aus Brüssel

25.08.2023 um 12:14, Stefanie Hermann
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Jetzt begibt sich auch die EU in die Untiefen des österreichischen Polit-Sommerlochs. Im Mittelpunkt der harschen Kritik: Kanzler Karl Nehammer.

Das Sommerloch 2023 wird wohl als eines der tiefsten in die Polit- und Medien-Geschichte des Landes eingehen. Neben der Normalitäts-Diskussion ("Bist du noch normal?") zeichnet sich die ÖVP nicht nur durch eine, höflich formuliert, interessant geführte Kampagne gegen FPÖ-Chef Herbert Kickl aus. Thematisch flexibel ist Kanzler Karl Nehammer aus dem Stand mit vollem Tempo auf den Zug der Bargeld-Debatte aufgesprungen.

>>> "Nicht normal, Herbert": Neuer Tiefpunkt im Sommerloch

Debatte um Abschaffung

Wir erinnern uns: Seit Jahren trommelt die FPÖ gegen eine vermeintlich geplante Abschaffung des Bargelds. Den "Kampf für den Erhalt von Bargeld" hat sie sich über die vergangenen Jahre als blaue Kernagenda auf die Fahne geheftet. Neuen Zündstoff hat die dauerschwelende Debatte heuer mit der geplanten Einführung des Digitalen Euros bekommen.

Nehammer will Verfassungsrang

Diesen Sommer hat nun auch die ÖVP die analoge Währung als Anliegen für sich entdeckt. Bereits Mitte Juli fordert die seither wortstark Ex-ÖVP-Generalsekretärin Laura Sachlsehner lauthals den Erhalt des Bargelds. Im August schließlich ist ihr der Chef persönlich beigesprungen. Prompt und ohne Anlauf hat Nehammer proklamiert, das Recht auf Bargeld in die Verfassung aufzunehmen.

>>> Bargeld: Nehammer will Cash in der Verfassung verankern

Kickl und Karas gegen Kanzler

Seither hagelt es Kritik von allen Seiten. Kickl hat naturgemäß wenig Freude mit der Kanzlerforderung. "Herr Nehammer, ist Ihnen der Ideendiebstahl von der FPÖ, die Sie ja so gerne als böse und extrem bezeichnen, nicht peinlich?", will er wissen. Selbst aus der eigenen Partei gibt es für das Vorhaben des ÖVP-Chefs nicht nur wohlmeinende Worte. Der EU-Abgeordnete Othmar Karas kann dem Vorstoß nur wenig abgewinnen. "Es ist für mich erschreckend, wie viel Zeit in eine Diskussion fließt, bei der die Faktenlage so klar ist", so der selten um eine Meinung verlegene EU-Mandatar gegenüber der Wochenzeitung "Die Zeit". Das Bargeld müsse nicht gerettet werden, weil es nicht in Gefahr sei. Die Debatte nennt er ein "Spiel mit den Sorgen der Menschen, ohne jeglichen faktischen Hintergrund."

Viel Lärm um Nichts

Und ebenfalls aus Brüssel kommt nun ein weiteres, klares Urteil zum Plan des österreichischen Regierungschefs. "Das ist Theater", kritisiert Ex-EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker im Interview mit der Tiroler Tageszeitung. Den Beweggrund seines Gesinnungsgenossen - Juncker gehört zur Parteienfamilie der Europäischen Volkspartei (EVP) - sieht er klar in der Angst vor der politischen Konkurrenz. Man versuche, der FPÖ das Wasser abzugraben und sollte sich besser auf eigene Interessen als Partei der Mitte konzentrieren, statt nach rechts außen zu schauen. Ihm sei niemand bekannt, der das Bargeld abschaffen will. "Das bringt nichts", ist er überzeugt. "Aber wenn man das in die Verfassung schreiben will, soll man das tun", so Juncker. Bleibt nur zu hoffen, dass die Debatte dann zumindest endlich ihren letzten Akt gefunden hat.

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