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Medienminister Andreas Babler im Porträt, im Hintergrund Großaufnahme eines Handys mit den Icons der Social Media Plattformen TikTok, Instagram und Facebook
Medienminister Andreas Babler hat keine Lösung für die tiefe Medienkrise.
Medienminister Andreas Babler hat keine Lösung für die tiefe Medienkrise.
HELMUT FOHRINGER / APA / picturedesk.com | Wachiwit / iStock

Medienkrise eskaliert: Medienminister investiert lieber auf Facebook & Co

23.10.2025 um 12:40, Stefanie Hermann
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Österreich steckt tief in der Medienkrise: Inserate werden gekürzt, Jobs gestrichen, während Social-Media-Konzerne Milliarden verdienen. Die Politik schaut zu.

Österreichs Medienlandschaft steht am Abgrund. Jüngere Zielgruppen zahlen kaum noch für journalistische Angebote, Werbeerlöse brechen weg, zeitgleich steigen die Kosten für Personal und Produktion. Die toxische Melange aus technologischem Wandel, wirtschaftlicher Schwäche und politischer Untätigkeit ist kurz davor, eine ganze Branche zu killen.

Medienhäuser kämpfen ums Überleben

In den vergangenen Monaten wurden Dutzende Redaktionen verkleinert oder gleich ganz geschlossen. Allein bei Standard, Kleine Zeitung, Presse, Puls24 und ServusTV wurden in den letzten Monaten mehr als 300 Mitarbeiter entlassen. Seit September sind beim AMS über 1.000 Journalistinnen und Journalisten registriert. Weitere Angestellte in der Medienbranche noch gar nicht mitgerechnet. Und die Regierung? Die schaut nicht nur zu, sondern gießt auch noch Öl ins Feuer.

Regierung streicht Inserate

Im ersten Halbjahr 2025 hat die Regierung die öffentlichen Inserate um rund 80 Prozent zurückgefahren. Statt 32 Millionen Euro flossen nur noch 3,1 Millionen zur Bewerbung in die heimischen Medien. Im Fernsehen ist die Förderung nahezu erloschen. Der Rückzug der öffentlichen Hand trifft eine Branche, die ohnehin seit Jahren gebeutelt wird.

Das Zeitungssterben ist tot, lang lebe das Mediensterben

Gut, vom Zeitungssterben wird seit Jahren, wenn nicht Jahrzehnten, geunkt. Zu Recht, muss man an dieser Stelle anmerken. Nach Fernsehen und Radio hat vor allem das Internet Printmedien massiv zugesetzt. (Nicht nur) jüngere Konsumenten sind kaum mehr bereit, für Inhalte – egal welcher Form – zu zahlen.

Die Problematik hat nicht nur mit Social Media (37 Prozent der Österreicher nutzen Social Media laut Digital News Report als wichtigste Nachrichtenquelle) zu tun. Die rasante Entwicklung der KI befeuert das Mediensterben. Google spielt mittlerweile automatisch KI-generierte Zusammenfassungen aus. Wozu also noch eine Nachrichtenseite anklicken? Für etliche Medien wird das den endgültigen Todesstoß bedeuten.

US-Konzerne killen heimische Medien

Damit nicht genug: Seit Jahren wandern immer mehr Werbegelder zu internationalen Plattformen wie Google, Facebook, Instagram oder TikTok. Die Konzerne, deren Content keinerlei Qualitätskontrolle unterliegt und die keinen Mehrwert in der österreichischen Wirtschaft schaffen, dominieren den digitalen Werbemarkt. Jährlich erwirtschaften sie in Österreich mehr als 2,5 Milliarden Euro; Geld, das den heimischen Häusern händeringend fehlt. Weder zahlen sie in Österreich angemessene Steuern, noch schaffen sie Arbeitsplätze. Die Digitalsteuer bringt zwar jährlich 126 Millionen Euro ein, davon fließen aber lediglich 20 Millionen davon in den heimischen Medienmarkt zurück, wie der Standard vorrechnet.

Regierung verschärft die Krise

Was also macht die Politik, um den gefährlichen Entwicklungen gegenzusteuern? Während sie bei heimischen Medien spart, fließt gleichzeitig Geld in Rekordhöhe aus der Staatskasse an die genannten Social Media-Giganten. Laut Recherchen von ServusTV und Heute investierten Ministerien, öffentliche Unternehmen und staatsnahe Betriebe im ersten Halbjahr 2025 über 14 Millionen Euro in Werbung auf Facebook, Instagram, YouTube und TikTok. Das ist fast das Zehnfache dessen, was österreichische Print- und Onlinemedien zusammen erhalten haben.

Ministerien finanzieren also dieselben Onlineplattformen, die journalistische Arbeit unter- und heimischen Unternehmen die Existenzgrundlage abgraben. Die Grenze zwischen legitimer Werbung zu Informationszwecken und politischer PR verschwimmt dabei nicht nur, sondern wird teils schamlos überschritten – vor allem, wenn es zur parteipolitischen Inszenierung kommt.

Seit Jahren erhöhen Kabinette, Ministerien und Unternehmen der öffentlichen Hand munter ihre Social-Media-Budgets. Im ersten Halbjahr 2025 stieg der Anteil öffentlicher Onlinewerbung auf internationalen Plattformen um 2,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Innenminister Gerhard Karner ließ seine Polizeikampagne bevorzugt auf TikTok laufen – also ausgerechnet jenem chinesischstämmigen Netzwerk, das die Regierung zuvor als „sicherheitsgefährdend“ bezeichnet hatte.

Was macht Medienminister Babler?

Medienminister Andreas Babler (SPÖ) verteidigt die Inseratenkürzungen unterdessen mit dem Hinweis, man wolle „geordnete und nachvollziehbare Förderungen“ schaffen. Das „ungeordnete Rausschießen von Inseraten“ sei kein erstrebenswertes Ziel.

Ja, das ist ein Punkt. Zu oft mussten sich in der Vergangenheit nicht nur die Politik den Vorwurf willfähriger Günstlingsausgaben gefallen lassen, sondern auch Medien selbst mit dem Vorurteil leben, dass wohlmeinende Berichterstattung nur eine Frage des Preises sei. Die gar nicht so nachvollziehbaren Förderungen lösen das Problem aber nicht einmal bedingt.

Ein Fördersystem ohne Richtung

Die bestehenden Förderungsmodelle sind komplex und unkoordiniert. Sechs Fonds verteilen jährlich über 80 Millionen Euro, darunter der Privatrundfunkfonds, der Nichtkommerzielle Rundfunkfonds, der Digitalisierungsfonds und der Fonds für digitale Transformation.

Ein Bericht des Rechnungshofs aus dem Sommer 2025 bestätigt, was Kritiker seit Jahren bemängeln: 70 Prozent aller Fördermittel gehen an zehn Großkonzerne. Innovation und Neugründungen werden kaum unterstützt, während Projekte ohne journalistische Relevanz Geld erhalten. Für neue Medienprojekte existiert mit der Wiener Medieninitiative zwar eine Fördermöglichkeit, doch deren Summen sind bescheiden: maximal 10.000 Euro pro Projekt, 75 Prozent Förderquote. Angesichts der Milliardenumsätze internationaler Plattformen ist das ein Tropfen auf den heißen Stein.

Gewerkschaft schlägt Alarm

Die Gewerkschaft der Privatangestellten (GPA) fordert ein sofortiges Handeln. Vorsitzende Barbara Teiber verlangt eine bundesweite Branchenstiftung zur Abfederung von Arbeitsplatzverlusten, eine Vertriebsförderung, steuerliche Absetzbarkeit eines Abos und eine Erhöhung der Digitalsteuer von fünf auf sieben Prozent. „Die Versorgung der Bevölkerung mit Qualitätsjournalismus ist eine gesellschaftspolitische Aufgabe, die der Republik etwas wert sein muss“, sagte sie.

„Ohne Journalistinnen und Journalisten gibt es nichts zu verkaufen“, mahnt Walter Strobl vom Presseclub Concordia. Beide Organisationen fordern eine klare gesetzliche Grundlage und faire Rahmenbedingungen für Redaktionen, die nicht von Parteiförderungen abhängig sind.

Zwischen Anspruch und Realität

"Die Lage wird jeden Tag prekärer", erkennt auch Babler zumindest, dass „ein massives demokratiepolitisches Problem“ droht. Es bleibt aber weiter bei Ankündigung. Kommen soll eine Zustellförderung von 25 Millionen Euro und das „Meine-Zeitung-Abo“ für junge Menschen im Umfang von 30 Millionen Euro. Doch beide Programme sollen frühestens im März 2026 starten. Zunächst einmal plant das Medienministerium eine Studie in Auftrag zu geben, die Grundlage für die Neuaufstellung der Medienförderung sein soll. Bis dahin bleibt die Branche ohne Plan und Perspektive. Unterdessen verlieren Medien jeden Monat Arbeitsplätze, Werbekunden und Publikum.

Die heutige Pressekonferenz RETTET DEN JOURNALISMUS von @gewerkschaftgpa.bsky.social und Concordia zum Nachschauen ⬇️

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— Presseclub Concordia (@concordia.at) 23. Oktober 2025 um 11:41

Babler und sein eigenes Fernsehprojekt

Während die heimischen Medienhäuser ums Überleben kämpfen, startet Babler als SPÖ-Chef übrigens wie zum Hohn sein eigenes TV-Projekt. „SPÖeins“ geht am Nationalfeiertag auf YouTube online. Produziert wird das Parteiformat von drei Vollzeitangestellten aus der Abteilung Digitale Kommunikation. Finanziert wird es aus der Parteienförderung, die im Gegensatz zu den Medienförderungen nicht gekürzt wurde.

Laut SPÖ-Sprecherin wolle man „zeitgemäße Formate nutzen, um Menschen direkt zu erreichen“. YouTube sei „kein Ort, den man rechtsradikalen oder populistischen Kräften überlassen darf“. Eine OGM-Umfrage im Auftrag von ServusTV zeigt allerdings, dass nur drei Prozent der Befragten planen, das Programm regelmäßig zu sehen. 57 Prozent sagten „sicher nicht“.

Wohlwollend kann man die Aktion ein politisches Eigentor nennen: Während Babler in seiner Funktion als Minister Medienförderungen verzögert, nutzt er als Parteichef staatliche Mittel, um eigene Inhalte zu produzieren. Ethischer Zielkonflikt nichts dagegen, wie Wolf Haas wohl sagen würde.

Im Gegensatz zu Babler bringt es sein Parteikollege, der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig, auf den Punkt: „Investieren wir unsere Werbemittel verstärkt in heimische Medien anstatt in Online-Giganten. Unsere Medien brauchen uns jetzt.“

Quellen und weiterführende Informationen

  • Russmann, Uta: News Consumption and Trust in Online and Social Media – qualitative Studie zu jungen Erwachsenen in Österreich
  • Digital News Report Austria 2024: Aktuelle Daten zu Nachrichtenkonsum, Medienvertrauen und Nutzung sozialer Medien in Österreich
  • Gewerkschaft GPA – „Rettet den Journalismus“: Forderungen zur Absicherung journalistischer Arbeitsplätze in der Medienkrise
  • OE24: Regierung ruiniert Österreichs Medien – Bericht zu Inseratenkürzungen und Stellenabbau
  • Rechnungshof: Bericht „Medienförderung – Etablierte Medien im Vorteil“ über Verteilung und Qualitätskriterien der Förderungen
  • Heute.at: „Brutal-Kürzung bei Medien, aber 14 Millionen an Insta & Co“ – Bericht über Werbeausgaben der Regierung
  • Der Standard: „Babler will nicht zurück zum ungeordneten Rausschießen von Inseraten“ – Interview zu geplanter Medienförderung
  • ServusTV Presse: „SPÖ startet Online-TV-Kanal: Parteipropaganda oder Information?“ – Bericht über den Start von SPÖeins

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