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Georg Knill im ZIB2-Studio bei einem Interview, spricht mit Gestik über Reformbedarf und Pensionsalter.
IV-Präsident Georg Knill sorgt mit seinem Vorstoß für ein höheres Pensionsantrittsalter für Diskussionen.
IV-Präsident Georg Knill sorgt mit seinem Vorstoß für ein höheres Pensionsantrittsalter für Diskussionen.
Screenshot ZIB2 / on.orf.at

Arbeiten bis 70: Pensionsvorstoß sorgt für Wirbel

05.06.2025 um 12:07, Stefanie Hermann
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IV-Präsident Knill fordert eine Erhöhung des Pensionsantrittsalters auf 70 Jahre. Der Pensionistenverband reagiert empört. Das Problem liege am Arbeitsmarkt.

Eigentlich war es der drohende Handelsstreit zwischen den USA und Europa, der Georg Knill, Präsident der Industriellenvereinigung (IV), am Mittwochabend ins Studio der ZIB2 geführt hatte. Thema waren die von den USA verhängten Zölle auf Stahl und Aluminium sowie mögliche weitere Handelshürden. Für Wirbel sorgt im Nachgang allerdings ein innenpolitischer Vorstoß: Knill spricht sich für eine Erhöhung des gesetzlichen Pensionsantrittsalters auf 70 Jahre aus. Besonders beim Pensionistenverband (PVÖ) stößt die Idee auf entschiedenen Widerspruch.

Knill will ehrliche Reformen

Im Interview mit Armin Wolf macht der IV-Chef keinen Hehl daraus, dass er grundlegende Strukturreformen für notwendig hält. „Das aktuelle Doppelbudget reicht nicht, um aus Österreichs Defizit herauszukommen“, so der IV-Präsident. Er habe massiv vor dem nun drohenden EU-Defizitverfahren gewarnt, das der Glaubwürdigkeit und dem internationalen Ruf der Republik schade. Es brauche „eine Bundesregierung, die ehrlich und mutig die Reformen implementiert“.

Dazu gehörten aus seiner Sicht nicht nur Einsparungen, sondern auch tiefgreifende Änderungen in den Bereichen Pensionen, Gesundheit und Föderalismus. Gerade beim Föderalismus verwies er auf Dänemark als Vorbild: Dort existierten nur fünf Länderverwaltungen und 98 Gemeinden – verglichen mit neun Bundesländern und rund 2.000 Gemeinden in Österreich.

Pensionsalter 70

Einen unpopulären Vorstoß wagt Knill in der Pensionsdebatte. Wiederholt von Wolf nach seiner konkreten Haltung zum Antrittsalter gefragt, legt Knill sich schließlich fest: „Wir können gerne Richtung 70 gehen.“ Dänemark habe das im Konsens beschlossen: „Warum soll es in Österreich anders sein?“ Das Pensionsantrittsalter müsse stufenweise angehoben werden, das sei ein "wichtiger, wesentlicher Baustein einer Strukturreform, die jetzt notwendig ist“. Es brauche eine „ehrliche Diskussion“, denn derzeit werde vielfach negiert, dass das Pensionssystem in seiner aktuellen Form langfristig nicht gesichert sei.

PVÖ reagiert scharf

Beim SPÖ-nahen Pensionistenverband stoßen Knills Aussagen auf klare Ablehnung. Interimistischer Präsident Helmut Bieler lässt keinen Zweifel an der Haltung des Verbandes. „Wer jetzt nach einer Anhebung des gesetzlichen Pensionsantrittsalters schreit, der betreibt reine Polemik und schafft Unsicherheit", hält Bieler via Aussendung fest.

Aus Sicht des PVÖ sei es derzeit deutlich wichtiger, Arbeitsplätze für ältere Arbeitnehmer zu schaffen, statt die Altersgrenze anzuheben. Es sei falsch, anzunehmen, dass ältere Arbeitnehmer nicht mehr arbeiten wollten. Vielmehr fehle es an entsprechenden Arbeitsplätzen.

Probleme am Arbeitsmarkt

„Hätte Herr Knill vor seinen Aussagen recherchiert, so hätte er folgende unmissverständliche Zahlen gefunden: Personen über 50 sind die am stärksten von Langzeitarbeitslosigkeit betroffene Gruppe", kritisiert Bieler. Tatsächlich sei bundesweit ein Drittel der Langzeitbeschäftigungslosen über 50 Jahre alt, ein Viertel sogar älter als 55. Als Hauptursache nennt der PVÖ eine "altersfeindliche Einstellung" in vielen Bereichen der Wirtschaft.

Bonus-Malus-System als Gegenvorschlag

Anstatt das gesetzliche Pensionsantrittsalter anzuheben, schlägt der Pensionistenverband ein Bonus-Malus-System vor. Unternehmen, die ältere Arbeitnehmer beschäftigen oder einstellen, sollten belohnt werden. Umgekehrt sollten Betriebe, die in großem Stil zur Frühpensionierung greifen oder ältere Beschäftigte gezielt aus dem Unternehmen drängen, sanktioniert werden. Es gehe darum, die Voraussetzungen zu schaffen, damit Menschen tatsächlich länger im Erwerbsleben bleiben können, bekräftigt Bieler.

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