Was Kickl kann und Rendi-Wagner noch lernen muss
Das Ibiza-Video wird für die FPÖ immer mehr vom Sünden- zum Glücksfall. Das klingt auf den ersten Blick absurd, auf den zweiten durchaus nachvollziehbar. Nehmen wir einmal an, HC Strache wäre nicht über die „schoafe“ Oligarchin gestolpert, hätte nicht in alkoholgetränkter Umgebung einer ungepflegten Russin die halbe Republik feilgeboten. Türkis-Blau wäre wohl fortgesetzt worden. Und man wäre – ebenso wie die aktuelle Regierung - von Krise zu Krise gestolpert, hätte in der Corona-Zeit und auch in der Teuerungskrise ähnliche Maßnahmen mitgetragen. Weil wenn´s drauf ankommt, können sich auch die Freiheitlichen der Last der Verantwortung nicht ganz entziehen. Formuliere ich mal als These.
Feuer und Wasser
Was aber die blaue Wählerschaft nicht verzeiht, ist der Versuch, komplexe Probleme vernünftig lösen zu wollen. Vielmehr verlangt man nach simplen Ansätzen, erdacht vom Hausverstand, eingängig für jeden „Schüler des Lebens“. Diese einfachen und so geliebten Parolen dürfen Kickl und Co. seit Ibiza wieder völlig ungeniert in die heimischen Bierzelte schmettern. Die Opposition ist schließlich der natürliche Lebensraum der Freiheitlichen, eine Regierungsbeteiligung hingegen verträgt sich mit der FPÖ so wie Feuer mit Wasser.
Falsche DNA
Genau umgekehrt verhält es sich bei der SPÖ. Es liegt nicht nur (aber auch) an der Vorsitzenden, dass man trotz der skandalgebeutelten ÖVP in den Umfragen nicht haushoch führt. Es ist vielmehr diese Unfähigkeit, kantige Oppostionspolitik zu machen, den Gegner in die Enge zu treiben und Elfmeter konsequent zu verwandeln. Und wenn man sich mal dazu durchringen kann, klingt das immer irgendwie patschert oder neudeutsch: unauthentisch. Das liegt wohl am Selbstverständnis der Sozialdemokraten. Die DNA der SPÖ beinhaltet keine Erbinformation für Opposition. Man versteht sich seit eh und je als Regierungs- wenn nicht gar als Kanzlerpartei. Und das macht es für sie so schwer, mit guter Oppositionspolitik auf die Regierungsbank zurückzukehren. Dorthin gelangen die Freiheitlichen nahezu mühelos. Aber ehe sie es sich auf den Regierungsbänken bequem gemacht haben, fliegen sie schon wieder hochkant raus. Weil die blaue DNA keine Erbinformation fürs Regieren gespeichert hat. Was Rendi-Wagner aber schleunigst von der FPÖ lernen muss: mehr Mut zu kantiger Oppositionspolitik.