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Zwei Minister am Rednerpult im Nationalrat: Links Wolfgang Hattmannsdorfer (ÖVP) gestikulierend, rechts Markus Marterbauer (SPÖ) mit nachdenklicher Geste – Symbolbild zur politischen Debatte über Teilzeitarbeit.
Uneinigkeit in der Regierung: Bei der Teilzeitdebatte scheiden sich die Geister.
Uneinigkeit in der Regierung: Bei der Teilzeitdebatte scheiden sich die Geister.
GEORG HOCHMUTH / APA / picturedesk.com, Michael Indra / SEPA.Media / picturedesk.com, ROLAND SCHLAGER / APA / picturedesk.com

Koalitionsstreit um Arbeitszeit: Wer beim Teilzeit-Thema recht hat

22.07.2025 um 08:31, Stefanie Hermann
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Teilzeit ist laut ÖVP-Wirtschaftsminister Hattmannsdorfer zu attraktiv, er fordert mehr Leistung. SPÖ-Finanzminister Marterbauer will bessere Bedingungen.

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Die Debatte um die zunehmende Teilzeitarbeit in Österreich nimmt weiter Fahrt auf. Während die Zahl der Beschäftigten in den vergangenen Jahrzehnten gestiegen ist, hat sich die durchschnittliche Arbeitszeit pro Kopf deutlich verringert. Laut aktuellen Zahlen liegt Österreich EU-weit auf einem der letzten Plätze bei den geleisteten Wochenstunden: 33,8 Stunden waren es 2024, gegenüber 37,8 Stunden im Jahr 2008. Gut drei Viertel der in Teilzeit Beschäftigten sind Frauen.

Hattmannsdorfer gegen "grundlose Teilzeit"

ÖVP-Wirtschaftsminister Wolfgang Hattmannsdorfer hat sich das Thema wie bereits Vorgänger Martin Kocher, der sich für eine Kürzung von Sozialleistungen aussprach, auf die Fahnen geheftet. „Teilzeit ist zu attraktiv“, ist der Minister überzeugt. Österreich brauche ein Bekenntnis zu Leistung, Arbeit in Vollzeit und Wettbewerb. Wirtschaftliche Herausforderungen von hohen Lohnkosten über sinkende Geburtenraten und explodierende Pensionsausgaben bis hin zur stagnierenden Produktivität würden den Handlungsdruck angesichts des Budgets massiv verschärfen. „Wer gesund ist und keine Verpflichtungen hat, soll bereit sein, seinen Beitrag zu leisten.“ Nicht nur aus volkswirtschaftlicher Sicht, vor allem auch aus Eigeninteresse lohne sich das Bekenntnis zu Vollzeit, rechnet Hattmannsdorfer vor.

Marterbauer widerspricht

Etwas anders sieht die Sache SPÖ-Finanzminister Markus Marterbauer, der den Standpunkt des Wirtschaftsministeriums offen zurückweist. „Es gibt keinen Grund, die – vorwiegend weiblichen – Teilzeitbeschäftigten zu kritisieren. Sie leisten gesellschaftlich wichtige Arbeit“, so Marterbauer via Bluesky. Vielmehr müsse man ihre Arbeitsbedingungen verbessern. Die durchschnittliche Wochenarbeitszeit von Teilzeitkräften liege derzeit bei 21 Stunden, viele wünschten sich aber 30 Stunden. Das Problem sei daher weniger der Arbeitswille als vielmehr das fehlende Stellenangebot. Es brauche mehr Arbeitgeber, die „gute Teilzeit anbieten, von der man leben kann“.

Voraussetzung für mehr Arbeitsstunden für Teilzeitbeschäftigte ist gerechtere Verteilung der unbezahlten Sorgearbeit zwischen Geschlechtern: Kinderbetreuung, Pflege, Hausarbeit. Teilzeit- & Vollzeitbeschäftigte wünschen sich Arbeitszeiten, die Beruf, Familie u Freizeit vereinbaren lassen.

— Markus Marterbauer (@markusmarterbauer.bsky.social) 21. Juli 2025 um 08:38

Care Arbeit im Mittelpunkt

Vor allem Frauen ergreifen Teilzeitstellen häufig nicht freiwillig, sondern aus Mangel an Alternativen: fehlende Kinderbetreuung, unflexible Arbeitszeiten, ungleiche Verteilung unbezahlter Sorgearbeit. Das Resultat: weniger Einkommen, geringere Karrierechancen, niedrigere Pension – oft ein Leben lang. Die sogenannte Teilzeitfalle, wie sie auch Hattmannsdorfer vorgerechnet hat, ist real.

Die ungleiche Verteilung unbezahlter Sorgearbeit wie Kinderbetreuung, Pflege und Hausarbeit ist auch zentraler Punkt in Marterbauers Argumentation. Erst wenn diese Lasten gleichmäßiger zwischen den Geschlechtern verteilt seien, könne man über längere Arbeitszeiten realistisch diskutieren. Arbeitszeitmodelle müssten vor allem eines ermöglichen, ist Marterbauer überzeugt: die Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Freizeit.

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Hattmannsdorfer vs. Marterbauer

Beim Thema Teilzeit scheiden sich die Geister. ÖVP-Wirtschafsminister Wolfgang Hattmannsdorfer möchte einen Rückbau der Teilzeit und mehr Menschen in Vollbeschäftigung. SPÖ-Finanzminister Markus Marterbauer plädiert dafür, erst bei der gleichen Verteilung von Care-Arbeit, Kinderbetreuung und Co. nachzubessern.

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