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Anna Netrebko
Anna Netrebko
Armin Weigel / dpa / picturedesk.com

Staatsbürgerschaft: Wie wird man eigentlich Österreicher?

14.11.2022 um 13:56, Gert Damberger
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Als Ausländer an einen österreichischen Pass zu kommen, ist ein Hindernislauf. Es sei denn, man ist reich, berühmt oder brillant.

Meistens kommt der Ruf nach einem schnelleren Weg zur österreichischen Staatsbürgerschaft aus Wien, genauer gesagt von der Wiener SPÖ. In der Bundeshauptstadt leben rund 604.400 Nicht-Österreicher, das sind 31,5 Prozent der Stadtbevölkerung und fast 40 Prozent aller Ausländer der Alpenrepublik. Dass fast ein Drittel der Wiener kein Wahlrecht hat, muss Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) verständlicherweise besonders schmerzen.

Wiener SPÖ für leichteren Zugang

Ludwig forderte unlängst bei einem „kleinen Parteitag“ eine Reform des Staatsbürgerschaftsrechts, dessen „Hürden durch Gebühren, Einkommensgrenzen und Aufenthaltsdauer“ abgebaut werden müssten. Die Richtlinien für die Einbürgerung von Ausländern müssten „sozialer“ werden, so der Bürgermeister. Es ist wie gesagt, die SPÖ (und auch hier nur der linke Parteiflügel und die Wiener Landesorganisation), die einen erleichterten Zugang zur Staatsbürgerschaft fordert. Die Neos finden den Vorstoß von Ludwig „überlegenswert“. Die Grünen, die auch der Meinung sind, die Hürden gehörten abgebaut, halten sich still, weil der Koalitionspartner ÖVP strikt gegen eine Aufweichung des Staatsbürgerschaftsrechts ist.

Ein großes No-Go für die FPÖ

Genauso wie auch die Freiheitlichen. Deren Wiener Chef Dominik Nepp bezeichnete den Ludwig-Vorstoß gar als Lockangebot für „illegale Asylanten und potenzielle Kriminelle, die „im Mindestsicherungsparadies ein Leben lang von den Wienern durchgefüttert werden müssen.“  Mit anderen Worten: ÖVP und FPÖ, aber auch der burgenländische SPÖ-Chef Hans-Peter Doskozil sind dafür, dass Österreich seine restriktive Einbürgerungspolitik nicht aufgibt. Deren Eckpunkte sind:

Lange Aufenthaltsdauer

Verlangt wird ein mindestens zehnjähriger, ununterbrochener Aufenthalt, maximal 20 Prozent dieser Zeit darf im Ausland verbracht werden. Nur sechs Jahre Aufenthalt werden verlangt, wenn man mit einem Österreicher/einer Österreicherin verheiratet ist und eine mindestens fünf Jahre aufrechte Ehe nachweisbar ist. Sechs Jahre gelten auch für Personen, die Deutsch auf dem B2-Level beherrschen und für Kinder, die hier geboren sind.

Supersaubere Weste

Dass Antragsteller unbescholten und „keine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit“ sein dürfen, steht ebenso im Staatsbürgerschaftsrecht wie auch dass zweimalige „schwerwiegende Verwaltungsübertretungen“ einen Ausschlussgrund darstellen. Wie Insider berichten, legt die Behörde das Gesetz ziemlich streng aus. Ein paar Parksünden und ein einige Male „geblitzt“ werden – und der Traum von der Staatsbürgerschaft ist ausgeträumt.

Relativ hohes Einkommen

Auch viele Eingeborene würden diese Hürde nicht schaffen: man muss nachweisen, dass man im Durchschnitt von 36 Monaten aus sechs zurückliegenden Jahren mindestens 1.000 Euro netto im Monat verdient hat und nie auf Sozialhilfe angewiesen war. Was de facto Niedriglöhner in Reinigung, Pflege oder Taxigewerbe ausschließt. Aber auch das "akademische Proletariat", das sich auf den Unis von Lehrauftrag zu Lehrauftrag hantelt.

Keine doppelte Staatsbürgerschaft

Die Bewerber müssen einen Deutschnachweis auf B1-Niveau mitbringen und einen Test in Staatsbürgerkunde und Geschichte ablegen, was in den meisten Fällen keine große Sache sein dürfte. Weitaus heikler ist, dass die alte Staatsbürgerschaft aufgegeben werden muss. Österreich erlaubt keine Doppelstaatsbürgerschaft. Was vor allem für die Türken in Österreich ein Problem ist, aber genau auf sie gemünzt ist.

Bei uns gilt das Abstammungsrecht

Hier geboren und aufgewachsen zu sein und den regionalen Dialekt zu beherrschen, macht einen nicht per se zum Einheimischen. In Österreich ererbt man die Staatsbürgerschaft von den Eltern („ius sanguinis“) und basta. Im Unterschied zu Deutschland, ganz Lateinamerika und den USA, wo das Geburtsortprinzip (“ius soli“) gilt.

Uli Brée | Credit: Starpix / picturedesk.com
Auch der deutsche Erfolgsautor Uli Brée kam leicht zu seinem österreichischen Pass.

Die Ehren-Österreicher

Es geht auch anders. Man kann Österreicher werden, ohne je hier gelebt zu haben und ohne ein Wort Deutsch zu sprechen. Und auch seinen alten Pass darf man behalten. Paragraf 10, Abs. 6 StbG ermöglicht es der Regierung die Staatsbürgerschaft für „außergewöhnliche Leistungen im Interesse der Republik“ ohne Umschweife zu verleihen. So wurden Künstler wie Anna Netrebko und Cecilia Bártoli, der Dirigent Andrés Orozco-Estrada, der Physiker Haim Harari oder die Staatsopern-Primaballerina Ketevan Papeva eingebürgert.

Pass für Investoren

Auch die „besondere wirtschaftliche Leistung“ führt zum österreichischen Pass. Es müssen dabei Arbeitsplätze in „relevantem Ausmaß“ geschaffen werden oder die „Außenbeziehungen Österreichs“ gefördert werden. Wie das auszulegen ist, entscheidet jeweils der Ministerrat, der seit 2020 die Namen der Neo-Österreicher wieder veröffentlicht, nachdem dies unter Türkis-Blau (aus guten Gründen?) unterblieben ist. Es steht übrigens nirgends geschrieben, wie hoch das „Investment“ sein muss. „24 Millionen Euro“ behauptete der US-Info-Dienst „Bloomberg“ einmal. Aber – wie der gelernte Österreicher zu sagen pflegt: „Nix genaues weiß man nicht“.

 

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