Österreich wollte in letzter Minute Afghanen abschieben
"Falter", Süddeutsche Zeitung", WDR und NDR haben vertrauliche Unterlagen der deutschen Bundesregierung ausgewertet. Sie sind zum Schluss gekommen, dass der damalige Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) im August 2021 bei seinem deutschen Amtskollegen Horst Seehofer nachgefragt hat, ob letzterer behilflich sein könnte, einen Abschiebeflug nach Afghanistan zu organisieren.
„Innenpolitische Motive“
Laut deutscher „Tagesschau“ sei Nehammer damals unter starkem politischen Druck gestanden und habe der vom „Fall Leonie“ geschockten Öffentlichkeit seine Handlungsfähigkeit beweisen wollen. Die Initiative Nehammers sei letztlich politisch motiviert gewesen und hätte auch dazu dienen sollen, der FPÖ den Wind aus den Segeln zu nehmen, meinen der „Falter“ und die deutschen Qualitätsmedien.
Abschiebung von Straftätern war fix
Anfang August 2021 war aber klar, dass die Machtübernahme der Taliban kurz bevorstand und der Fall der Hauptstadt immer näher rückte. Kabul wurde seit längerem nur mehr von Militärmaschinen angeflogen, die afghanische Regierung hatte die Übernahme ihrer abgeschobenen Staatsangehörigen ausgesetzt. Auf Druck Seehofers hätte die Regierung Afghanistans dann doch zugesagt, schwere Straftäter „diskret“ zu übernehmen, heißt es in den Unterlagen des deutschen Außenministeriums.
… und platzte in letzter Minute doch
Den für den 3. August 2021 von München aus geplanten Charterflug habe man aufgrund der sich verschärfenden Sicherheitslage dann doch wieder abblasen müssen. Kanzler Karl Nehammer rechtfertigt in einer Stellungnahme für die APA sein damaliges Handeln so: "Österreich hat von Beginn an klargestellt, dass Rückführungen nach Afghanistan so lange stattfinden werden, solange es rechtlich möglich ist. Das war kein Geheimnis und ist unzähligen öffentlichen Statements zu entnehmen."
Karner versteht die Aufregung nicht
Der jetzige Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) verteidigte seinen Amtsvorgänger in einer Sendung auf Puls 24. „Ich verstehe nicht, warum etwas, was nicht zustande kommt, der große Skandal wäre“, sagte Karner und gab zu, dass er viel lieber darüber diskutieren würde, wieder nach Afghanistan oder Syrien abzuschieben.