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Sebastian Kurz und Claudia Reiterer während der Sendung "Im Zentrum". Sie sitzen einander schräg gegenüber
In den letzten vier Minuten weicht Reiterer in ihren Fragen an Kurz vom Sendungsthema ab.
In den letzten vier Minuten weicht Reiterer in ihren Fragen an Kurz vom Sendungsthema ab.
Screenshot ORF/tvthek.orf.at

Kurz "Im Zentrum": ORF-Auftritt verärgert Zuseher

17.04.2023 um 15:18, Stefanie Hermann
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Der Auftritt von Ex-Kanzler Kurz im ORF sorgt für ordentlichen Wirbel. Harte Kritik muss auch Moderatorin Claudia Reiterer einstecken.

Die Aufregung in den Sozialen Medien war groß. "Europa am seidenen Faden - Wie groß ist Chinas Macht?" wollte Moderatorin Claudia Reiterer von ihren Gästen am Sonntagabend wissen. Zur Debatte rund um die Beziehungen zu China hat das Team von "Im Zentrum" ausgerechnet Altkanzler Sebastian Kurz eingeladen. Bei den Zusehern hat das nicht nur für Wogen der Begeisterung gesorgt. Zwar ist dem ehemaligen Außenminister, Ex-Kanzler und Neo-Unternehmer Expertise in Diplomatie und Außenbeziehungen nicht abzusprechen. 2019 hat er als damaliger Regierungschef die China-Strategie im Europäischen Rat mitabgesegnet. Aber: Gegen Kurz wird aktuell immerhin wegen Bestechung, Bestechlichkeit und Amtsmissbrauch ermittelt.

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China zu Hausdurchsuchung

"Herr Kurz, aus aktuellen Gründen hätte ich noch eine Frage zum Schluss, innenpolitisch", leitet Reiterer den Themenumschwung knappe vier Minuten vor Schluss ein. Die kürzlich erfolgten Hausdurchsuchungen beim Verleger-Ehepaar Dichand (er Krone, sie heute) stehen in engem Zusammenhang zu Ex-Kanzler Kurz. Zwischen dem damaligen Kanzler und den Medienmachern soll es illegale Absprachen gegeben haben, die auch die sprunghaften Anstiege bei den Regierungsinseraten erklären sollen. Die WKSTA ermittelt, Kurz dementiert die Vorwürfe. Soweit zur Vorgeschichte.

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Platz für Stellungnahme

Die Chats des Kronzeugen in spe würden belegen, dass Kurz über die Vorgänge informiert gewesen sei, so Reiterer. Christian Kern sehe nun zudem bewiesen, dass der Wahlsieg 2017 mit Inseraten gekauft worden war. "Was sagen Sie zu diesen Vorwürfen, rechnen Sie mit einer Anklage wegen Falschaussage?", will die Moderatorin von Kurz wissen. Die Aussagen von Thomas Schmidt seien falsch. Die Inserate von Krone und heute seien weniger angestiegen als jene, in anderen Medien, so Kurz erwartungsgemäß.

Kurz schießt gegen Kern

Die Gelgenheit für einen Konter gegen Kern lässt Kurz nicht ungenützt:  "Zu Christian Kern muss ich ein bisschen schmunzeln: Sechs Jahre nach der Niederlage tut er sich anscheinend noch immer schwer, damit umzugehen. Der Trend, nach verlorenen Wahlen zu sagen, alles ist gestohlen, hat Trump in den USA erfunden. Der dürfte sich fortsetzen."

Zu Christian Kern muss ich ein bisschen schmunzeln: Sechs Jahre nach der Niederlage tut er sich anscheinend noch immer schwer, damit umzugehen.

Sebastian Kurz, Ex-Kanzler

Kein Plan fürs Comeback

Eines scheint zum Ende der Sendung aber immerhin klar: Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hat offenbar keine Pläne für ein politisches Comeback. "Zehn Jahre in der Bundesregierung – ich glaube, ich habe meinen Beitrag geleistet", so Kurz auf die entsprechende Frage. Er sei sehr glücklich "bei dem was ich jetzt tue".

Kritik an Reiterer

Die Kritik an Reiterer und ihrer Einladungspolitik fällt in dieser Ausgabe der oftmals heftig umstrittenen Diskussionssendung besonders scharf aus. Hinterfragt wird zum einen, weshalb dem unter Verdacht stehenden Altkanzler überhaupt eine Bühne geboten wird. Dass er zum Ende der Sendung mit den Hausdurchsuchungen und Vorwürfen konfrontiert wird, beschwichtigt auch nur die wenigsten. Schlechten Journalismus nennen die einen, die völlig vom Kontext des Sendungsthemas gelösten Exkurses zum Exit. Einen bewussten Deal, um Kurz eine Plattform für seine Agenda zu bieten, die anderen. Einige orten in den Abschlussfragen aber auch das eigentliche Motiv der Einladung: Kurz persönlich zu den Vorwürfen fragen zu können. Von Seiten des ORF werden die Spekulationen zum Hintergrund der Einladung zurückgewiesen. "Er war Außenminister und Kanzler, und es war die Gelegenheit, ihn zu seinen außenwirtschaftspolitischen Entscheidungen zu Russland und China zu befragen", so "Im Zentrum"-Redaktionsleiter Mathias Schmelzer auf Anfrage des Standard.

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