Direkt zum Inhalt
Robert Eichenauer
Montage Chris Zenz

Ich glaube an Herbert Kickl, den Kanzler, den Allmächtigen

21.01.2023 um 09:09, Robert Eichenauer
min read
Wir gehen einer wunderbaren Zukunft entgegen. Ich stell sie mir folgendermaßen vor.

Wir schreiben das Jahr 2025. „Österreich ist frei!“ donnert ein von den eigenen Gefühlen übermannter Herbert Kickl in das rot-weiß-rote Fahnenmeer am bis zum Bersten gefüllten Heldenplatz. Jubel aus tausenden patriotischen Kehlen brandet auf, als er von einer 1000-jährigen Kanzlerschaft spricht und dabei scheinbar gedankenversunken seine Intellektualität ausstrahlende Nickelbrille putzt. Die vor Ergriffenheit herunter kullernden Tränen lassen den kostbaren, weil einem Hellsichtigen gehörenden, Sehbehelf unbotmäßig beschlagen. Ein inakzeptabler Zustand, an dessen Behebung bereits die besten Ingenieure des Landes fieberhaft arbeiten. Kanzler Kickl lässt sich selbstredend davon nicht irritieren. „Endlich sind wir wieder ein Land, in dem die Sonne nie untergehen - und schon gar nicht vom Himmel fallen wird“ philosophiert der fast fertig studierte Philosoph in die johlende Menge. Die Getreuen unter den enthusiasmierten Fans verstehen die Anspielung und nicken wissend.

Die Welt ist wieder heil

Im ersten Jahr von Kickls Kanzlerschaft hat sich das Land in atemberaubendem Tempo zum Besseren verändert. Was heißt zum Besseren? Es ist einfach nur großartig. In beispielloser Anstrengung hat das Volk, angespornt vom neuen, gesünderen Geist, die Erneuerung Österreichs eingeleitet. Endlich spielen wieder Mädchen mit blonden Zöpfen an der Seite von braungebrannten Buben auf herrlich blühenden Wiesen. Nicht zu braun gebrannt. Sie verstehen schon. Egal. Jedenfalls ist man wieder unter seinesgleichen. Diese herrlich blühenden Wiesen sind umrahmt von rauchenden Schloten, die lustige Kringel in den blauen Himmel zeichnen. Ja, die idiotische Energiewende wurde zu Grabe getragen und die gute alte Kohle wiederbelebt. Make Kohle great again. Und drüben von der Autobahn schallt der dröhnende Motorenlärm von den nicht mehr durch unnütze Geschwindigkeitsbegrenzungen limitierten Verbrennungsmotoren herüber. Welch süßer Abgasduft, der in die kleinen Näschen der Kinder strömt.

Vorbild für Wickerl und Wladi

Ja, und seit Kurzem haben wir auch Vollbeschäftigung. Das Comeback der Frauen hinter dem Herd hat sich ausgezahlt und wieder richtige Familien entstehen lassen. Wie früher, als die Manderl noch Manderl und die Weiberl noch Weiberl waren. Die gute alte Zeit halt. Apropos Kultur. Auch da hat sich viel getan. Die Volkskultur hat die moderne, oftmals entartete, Kunst hinweggefegt wie die FPÖ die Roten, Schwarzen, Grünen und Pinken bei den letzten Wahlen. Allein, dass die Bundeshymne wieder mit dem alten Text gesungen wird, beweist die tiefe kulturelle Verbundenheit unseres Kanzlers mit Österreichs Geschichte. Und der Andi Gabalier als Kultusminister – was für ein weitblickender Schachzug. Schön auch, dass endlich der Lügenpresse das Handwerk gelegt wurde. Ein Fernsehsender reicht doch bitte. Und der Zusammenschluss von Servus TV mit FPÖ TV war logisch, konsequent und eine nochmalige Steigerung der Qualität. Jeden Tag Wegscheider – was braucht der Mensch mehr? Alle anderen Medien fielen einer klugen Reform der Presseförderung zum Opfer.

Herbert Kickl beendet seine Rede und lässt den Blick in die tobende Menge schweifen. „Ja, es ist ein braves Volk, da können selbst der Wickerl und der Wladi noch einiges lernen“, denkt er zufrieden in sich hinein.

more