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fotos: Eoneren / E+ / Getty images

Wachsen gegen den Trend

19.02.2025 um 00:00, Klaus Schobesberger
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Krise. Welche Krise? Es gibt sie … die Unternehmen, denen es trotz Konjunktur-Blues gut geht, die in den Standort kräftig investieren.

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Bestes Beispiel aus Oberösterreich: der Handelsriese XXXLutz. Die vor 80 Jahren in Haag am Hausruck gegründete Firma rollt seit mehr als vier Jahrzehnten den Möbelhandel in Österreich und Deutschland auf und treibt die Konkurrenz vor sich her. Kaum ein Jahr vergeht ohne Zukäufe. Aus der einst beschaulichen Werkstatt für Bauernmöbel wuchs ein Möbel-Gigant mit 27.100 Mitarbeiter:innen, 370 Einrichtungshäusern in 14 Ländern und sechs Milliarden Euro Umsatz heran, der ein marktbestimmender Faktor in Europa sowie einer der größten Händler der Welt ist.

XXXL-Erfolgsstory.

Im österreichischen Einzelhandel ist dieser Erfolgslauf beispiellos. Nur der legendäre Billa-Gründer Karl Wlaschek (†97) spielte in dieser Liga, dessen einstiges Familienimperium heute Teil der deutschen Rewe-Gruppe ist. Bei Möbeln in der Großfläche geht es in die umgekehrte Richtung: Die Nummer eins in Deutschland heißt – Ikea ausgenommen – XXXLutz. Anfang der 1990er Jahre begann die Einkaufstour der Österreicher jenseits der bayrischen Grenze – und sie arbeiteten sich konsequent vom Weißwurstäquator nach Norden vor. Für Schlagzeilen sorgten zuletzt die Übernahme des Online-Möbelhändlers home24 mit Sitz in Berlin und der Zukauf der Porta-Gruppe in Nordrhein-Westfalen im XXXLutz-Jubiläumsjahr 2025. Porta zählt zu den bekanntesten Möbelhandelsmarken in der Bundesrepublik. Die 1965 gegründete Kette erwirtschaftet mit 140 Standorten in Deutschland, der Tschechischen Republik und der Slowakei 1,1 Milliarden Euro Umsatz.

Familie Putz

Größe zählt im Handel.

Sollte die Kartellbehörde dem Deal zustimmen, wäre das die bisher größte Übernahme in der Geschichte des deutschen Möbelhandels. Mit Porta im Portfolio würde der Umsatz bei Lutz nicht nur auf mehr als sieben Milliarden Euro klettern, sondern auch der Marktanteil beim deutschen Nachbarn im stationären Einrichtungshandel auf 40 Prozent steigen. Nicht allen gefällt das. Laut deutschen Medien sorgt die neue Marktmacht für Un-behagen in der Möbelindustrie. Viele Hersteller fürchten, zwischen den zwei großen Händlerverbänden preislich unter die Räder zu kommen: Auf der einen Seite ist die Handelskooperation Begros, die mit den Möbelketten Höffner, Hardeck und Ostermann 8,3 Milliarden Euro Umsatz auf die Waage bringt; demgegenüber steht der von XXXLutz gegründete Einkaufsverband Giga International, dessen Mitglieder geschätzt 10,4 Milliarden Euro erlösen. Wachsen oder untergehen: Dieses Erfolgsmotto hat das Welser Familienunternehmen früh erkannt. Es ist die unkonsolidierte Mitte in den vielen „Möbelherzogtümern“ der deutschen Bundesländer, die aufgibt oder verkaufen will, weil der wirtschaftliche Druck zu groß ist oder die Nachfolge fehlt. In Österreich ist dieser Prozess abgeschlossen. Mit der Pleite von kikaLeiner im Vorjahr ist der härteste Mitbewerber vom Markt verschwunden. Das Familienunternehmen mit Sitz in St. Pölten war bis zur Jahrtausendwende tonangebend, bis der aggressiv wachsende Newcomer aus Oberösterreich am Marktführer vorbeizog. Noch im Vorjahr hat XXXLutz elf Standorte von kikaLeiner in sein Reich eingegliedert, die verbliebenen Filialen des einstigen Möbelriesen sperrten Ende Januar endgültig zu.

(Un)bekannte Familie.

Übrigens: Die einzige Familie, die man bei Lutz kennt, ist die Kult-Familie Putz aus der TV-Werbung. Sie flimmert seit mehr als 25 Jahren über die Bild-schirme und erreicht zeitweise einen höheren Bekanntheitsgrad als der Bundespräsident. „Wir wollen mit unserer Werbung auch unterhalten“, sagt Marketingleiter und Pressechef Thomas Saliger. Er ist das offizielle Gesicht des Konzerns nach außen. Die Eigentümerfamilie Seifert meidet hingegen das Rampenlicht. Lutz war der Mädchenname von Gertrude -Seifert, der Mutter von Richard (†67) und Andreas Seifert (70). Die beiden Juristen hatten das Wachstum des Familienunternehmens  in den vergangenen Jahrzehnten maßgeblich vorangetrieben. „Was die XXXLutz-Leute unterscheidet, ist das Tempo, das im Handel angesagt ist, das sie tagtäglich noch zu toppen wissen“, sagt der Werber Mariusz Jan Demner, der mit seiner Agentur Demner, Merlicek & Bergmann (DMB) die Expansion seit den 1990er Jahren mit begleitet. Und diese Geschwindigkeit wird vor allem in der Expansion ersichtlich – die auch im Jahr 2025 mit der dritten Generation der Seiferts am Ruder des Handelsgiganten ungebremst weitergeht. Dabei war das vergangene Jahr für den Handel in Österreich alles andere als einfach. Nicht, weil den Menschen das Geld zum Shoppen fehlte, sie gaben es aufgrund der unsicheren Lage und der hohen Inflation einfach nicht aus. Das wird sich 2025 ändern, prognostizieren Wirtschaftsforscher:innen.

XXXL-Reich.

Besser als der Markt.

Dass sich der düstergraue Wirtschaftshimmel über der lange erfolgsverwöhnten Möbel- und Küchenindustrie lichtet, bestätigt auch Ewald Marschallinger: „Die Talsohle ist durchschritten und die Stimmung ist wieder positiv. Seit Dezember nehmen wir eine steigende Kundenfrequenz an unseren -Verkaufspunkten wahr.“ Der Top-Manager führt seit dem Vorjahr die Geschäfte von Dan-Küchen mit Sitz in Linz. Der heimische Marktführer hat sich trotz eines Umsatzminus der Branche im Vorjahr besser entwickelt als der Markt und stellt heuer 75 Leute ein. „Wir erreichten selbst im schwierigen Jahr 2024 eine zweistellige Ebit-Marge. Das sind die entscheidenden Parameter für ein finanziell erfolgreiches Wirtschaften“, erklärt Marschallinger im Gespräch. Dan-Küchen wachse aus eigener Kraft und habe keine Bankverbindlichkeiten. Seit 2023 gehört das Unternehmen zum schwedischen Küchenhersteller Ballingslöv. Für den Absatz spielt das aber keine Rolle. „Der Eigentümer ist 1.600 Kilometer weit weg. Wir produzieren in Oberösterreich und agieren völlig eigenständig“, erklärt der Dan-Chef. Rund 30.000 Küchen werden jährlich produziert. Das Unternehmen ist Marktführer in Slowenien und Kroatien – und investiert jetzt auch in Tschechien, der Slowakei und Ungarn. Das alles bewege sich in einem -Radius von etwa 400 Kilometern vom Herstellerwerk in Gallneukirchen. „Die Stimmung ist in Südosteuropa eine Spur besser als in Deutschland oder in Österreich.“ 400 Beschäftigte zählt das Unternehmen, der Vorjahresumsatz von 85,5 Millionen Euro werde heuer dank des Renovierungstrends und des Zweitkäufermarkts leicht steigen.

Für Top-Manager Ewald Marschallinger von Dan-Küchen ist Wachstum aus eigener Finanzkraft entscheidend.

Erfolgreiche Nischenplayer.

Die Pleite von Europas größtem Motorradhersteller KTM in Mattighofen ist ein Symbol dafür, an welchem Tiefpunkt die heimische Industrie angelangt ist. Aber im nur wenige Kilometer entfernten Ried im Innkreis zeigen Hightech-Champions, dass nicht alles schlecht läuft. Der Maschinenbauer Wintersteiger ist seit mehr als 70 Jahren weltweit erfolgreich in der Nische tätig und wächst am nordamerikanischen Kontinent. Im US-Bundesstaat North Carolina haben die Innviertler die Übernahme an der Union Grove Saw & Knife Inc., einem führenden Sägewerkzeug-Unternehmen, erfolgreich abgeschlossen. Das Überseegeschäft macht bereits ein Viertel des Konzernumsatzes von einer Viertelmilliarde Euro aus. „Europa bleibt unser Anker, doch um nachhaltiges Wachstum zu sichern, richten wir den Fokus auf dynamische Märkte wie Nordamerika“, erklärt Vorstandschef Harold Kostka. 1.200 Beschäftigte zählt der Weltmarktführer bei Automaten für den Service von Ski und Snowboards, Dünnschnittsägen oder Saatgutmaschinen. Auch Kostka betont die Wichtigkeit einer finanziell soliden Basis für profitables Wachstum: „Wir verzeichnen einen Rekord-Cashflow und eine Eigenkapitalquote von rund 50 Prozent.“ Gegen den Trend ist auch der Rieder Flugzeugzulieferer FACC unterwegs, der vor 35 Jahren als Ableger von Fischer Ski gegründet wurde. Bereits 2023 hat FACC um mehr als 20 Prozent zugelegt, in den drei Quartalen 2024 betrug das Umsatzwachstum rund 25 Prozent. Das Unternehmen hat 13  Standorte weltweit. Im Juni wurde der Ausbau des Werks in Kroatien abgeschlossen.

Die globale Energiewende bietet für ­findige Unternehmen aus Österreich große Chancen.

Zukunftsbranchen.

Die Miba mit Sitz in Laakirchen profitiert mit ihren innovativen Technologien vom weltweiten Boom der Windenergie. Wachstum findet vor allem in Offshore-Anlagen in Asien statt. „Der Umsatz der Miba hat sich in den vergangenen 15 Jahren auf mehr als 1,2  Milliarden Euro verdreifacht. In diesem Zeitraum sind wir doppelt so schnell gewachsen wie die Weltwirtschaft, im Schnitt um acht  Prozent. Gelungen ist uns das, weil wir sehr breit in einer Vielzahl an Märkten aktiv sind“, sagt Miba-Chef F. Peter Mitterbauer. Das oberösterreichische Unternehmen bietet Technologien in Anwendungen entlang der gesamten Energiewertschöpfungskette – neben der Windkraft auch in der Solarenergie oder der Wasserkraft, in energieeffizienten Stromnetzen, als Batterien zur Speicherung von Energie sowie in umweltfreundlichen Fahrzeugen, Schiffen oder Flugzeugen. Das Unternehmen entwickelt auch Maschinen, mit denen die riesigen Windtürme zusammengebaut werden. „Hier haben wir zuletzt mehr als 50 Millionen Euro an Neuaufträgen bekommen. Der gesamte Windkraft-Bereich macht mit zwölf Prozent den zweitgrößten Anteil am Gesamtumsatz der Miba aus“, sagt Mitterbauer. Weltweit gefragt sind auch die Lösungen des Intralogistik-Spezialisten TGW, der 100 Millionen Euro in eine Erweiterung am Sitz in Marchtrenk investiert. Von den 4.400 Beschäftigten arbeitet mehr als die Hälfte in Oberösterreich, die Exportquote liegt bei 97 Prozent.

F. Peter Mitterbauer CEO Miba AG

Der Umsatz der Miba hat sich in den vergangenen 15 Jahren auf mehr als 1,2 Milliarden Euro verdreifacht. Wir sind sehr breit aufgestellt und in einer Vielzahl an Märkten aktiv.

Grüne Milliarden-Projekte.

Energie- und Mobilitätswende – dafür wird in Oberösterreich richtig viel Geld in die Hand genommen. Bei BMW Motoren Steyr ist im Vorjahr die Vorserienproduktion für die neue Generation von Elektroantrieben angelaufen. Eine Milliarde Euro fließt in die Transformation des Standorts. Ende 2025 startet im ungarischen Debrecen die Produktion der „neuen Klasse“ – mit den neuen E-Antrieben aus Steyr. „Für uns wird das ein wichtiger Meilenstein. Bis zum Beginn der Serienproduktion steigern und überprüfen wir Schritt für Schritt den Reifegrad der Antriebe und die Belastbarkeit unseres Produktionssystems“, sagt Klaus von Moltke, Geschäftsführer BMW Motoren Steyr. Getoppt wird das nur vom Megaprojekt „greentec steel“, der Dekarbonisierungsstrategie der voestalpine. In Donawitz wird aktuell eine Werkshalle errichtet, in der ab 2030 aus einem neuen Elektrolichtofen 1,5 Millionen Tonnen „grüner Stahl“ fließen sollen. 1,5 Milliarden Euro investiert der Konzern für den Umbau in Donawitz und Linz. Eine grüne Radikalkur verordnet sich auch die Energie AG. Der Landesversorger soll in zehn Jahren CO2-frei sein. „Unser Haus investiert bis 2035 vier Milliarden Euro. Zwei Milliarden in die Erneuerbaren, Wasserkraftwerke, Windkraftwerke, Sonnenkraftwerke und zwei Milliarden in die Netze. Das ist auch ein massiver Wirtschaftsimpuls für das Land“, sagt CEO Leonhard Schitter. Die größte Investition ist das Pumpspeicherkraftwerk in Ebensee als „grüne Batterie“ der Zukunft.

Weltweiter Nischenplayer. Wintersteiger ist Weltmarktführer in mehreren Bereichen und setzt auf die USA.

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