"Hausverstand lernt man nicht auf der Uni"
CHEFINFO: Kürzlich wurde verkündet, dass Österreich dank PV-Ausbau 95 Prozent seines Stroms außerhalb der Wintermonate nachhaltig produzieren könnte. Das klingt doch sehr nach Energiepolitik mit Hausverstand, oder?
Heinz Platzer: Das klingt gut, aber bei genauerer Betrachtung fehlt fast überall der Hausverstand. Rund 70 Prozent der PV-Montagen in Österreich sind zum Teil mangelhaft. Montagefirmen wuchsen wie die sprichwörtlichen Schwammerln, auch Installateure machen mittlerweile PV-Anlagen. Doch es fehlt an Wissen und Know-how. Zahlreiche Dächer sind nach der Montage kaputt. Wasserschäden treten durch undichte Durchdringungen auf, Paneele werden vom Wind abgetragen und können zum Teil sogar inklusive Dachstuhl auf der Straße landen. Viele Montagefirmen, die mit Dumpingpreisen um sich schlagen, gehen Pleite, um der Haftung zu entgehen. Dazu kommen, gerade für Unternehmen intransparente Fördercalls. Erst kürzlich gab es einen Call, der kaum publik wurde. Die knappen Budgets sind sehr schnell abgegriffen. Da fehlt es an Rechtssicherheit. Die Bedingungen für eine Förderung im Unternehmensumfeld ändern sich ständig. Dazu kommt, dass der produzierte Strom nicht mehr bedingungslos eingespeist werden kann, um die Netze nicht zu belasten. Apropos Unternehmen: Wenn eine Firma eine PV-Anlage montieren lässt und bewusst bei der Qualität spart, sodass es zu Schäden kommt, kann der Geschäftsführer haftbar gemacht werden, wenn er fahrlässig gehandelt hat. Man sollte daher auf kompetente Montagefirmen setzen, die vielleicht nicht ganz so billig sind, aber ihr Handwerk verstehen. Diese Montagefirmen sind übrigens bis zu 30 Jahre lang für Schäden haftbar.
Könnte Österreich grundsätzlich autark von Energieimporten werden?
Platzer: Technisch wäre es, abgesehen von den Wintermonaten von November bis Februar, grundsätzlich möglich. Dazu braucht es aber Speicherkapazitäten, die noch sehr teuer sind. Wir haben unser Büro in Nord-Nord-Lage, sprich wenig Sonnenausbeute, könnten aber trotzdem unsere ganze Infrastruktur samt Serveranlagen für eine Woche komplett autark fahren. Natürlich ohne E-Autos zu laden. Übrigens: E-Autos als Pufferspeicher zu nutzen, ist in Österreich aber noch nicht erlaubt.
Stichwort „E-Autos“: Widersprechen mangelnde Ladeinfrastruktur und Intransparenz bei den Preisen nicht dem Hausverstand?
Platzer: E-Autos waren lange Zeit Lifestyle-Produkte, jetzt kommen sie in der Masse an. Der Umweltnutzen ist, wenn man die gesamte Produktionskette betrachtet, fraglich. Betreibt man sie mit PV-Strom, bringt das sicher etwas. Tanken bei E-Autos ist nach wie vor ein großes Problem, weil auch hier alles sehr intransparent ist. Man muss sich gut informieren. Ich tanke über einen deutschen Anbieter, der derzeit in Europa entlang der Hauptverkehrsrouten der günstigste ist. Man sieht also an allen Ecken und Enden –von der Politik bis zum Endverbraucher – viel Unwissenheit. Hausverstand ist super, nur trifft der oft auf Inkompetenz, weil kaum einer die komplexe Thematik versteht – weder die Politik noch ausführende Firmen noch die Endkonsumenten. Am schlimmsten ist es, wenn auch noch die Gier dazukommt. Viele Bauträger und Immobilienentwickler haben in den vergangenen Jahren unzählige Projekte realisiert, um schnelles Geld zu machen, dabei wurden enorme Planungsfehler gemacht, die sich später rächen statt rechnen.