Der Kühbauer der Küche
Chefinfo: Wenn Speisekarten ein Spiegel ihrer Zeit sind – was ist in unseren Krisenzeiten das Seelen-Gericht schlechthin?
Thomas Huber: Krautfleckerln und Wiener Schnitzel. Denn Krautfleckerln gibt’s fast nirgends – und doch erden sie alle, egal, ob Hackler, Banker oder Primar: Das ist eine kollektive Jugenderinnerung, ein echtes Retro-Tool. Tenor: So einfach, so gut, so ewig lange nicht gegessen. Und dann das Wiener Schnitzel – der österreichische Hang zum Gebackenen ist und bleibt ungebrochen.
Jeder Wirt ist froh, wenn er mit seinem Lokal so halbwegs durch die Inflation kommt. Sie übernehmen ausgerechnet jetzt noch ein zweites – brummt die Gastro plötzlich wieder?
Huber: Gott sei Dank, es läuft, also nur ja keine neuen Schwierigkeiten und Herausforderungen – das wäre einfach nicht ich. Und das „Essig’s“ wird wahrscheinlich auch nicht der letzte Step sein. Natürlich könnte ich auch einmal auf die Schnauze fallen, ich kenne einige, denen das mit ihrem zweiten Lokal passiert ist. Doch ohne jetzt arrogant wirken zu wollen: Ich weiß, was wir können, und ich sehe in Linz extremes Potenzial – Gastronomie funktioniert, wenn man’s gut macht.
Aus dem Zwei-Hauben-Lokal „Essig‘s“ wird Ende März das „Zam Zam Zam“. Eine zweite „Huberei“?
Huber: Beide Standorte haben Riesenpotenzial, und zwar unabhängig voneinander. Die Huberei ist 100 Meter vom Hauptplatz entfernt, wir haben hier viel Daily Business, viel Banken. Am Froschberg ist der große Vorteil: 500 Meter Entfernung von der Autobahn und Parkplätze vor der Tür. Ich werde da noch meinen eigenen Touch reinbringen. Bisher dominierten im Innendesign Lila und Rosa, ich will es ohne große Veränderungen etwas moderner und jugendlicher: knallig rot, gemischt mit Beige, denn Rot ist Power. Ich will ein Lokal, in das man einmal in der Woche geht … statt einmal im Jahr. Denn obwohl auch ich ganz besondere Ereignisse in Hauben-Lokalen feiere – ein sechsgängiges Menü reicht mir eigentlich einmal im Jahr.
Einmal pro Woche gut essen – was darf das kosten?
Huber: 50 Euro für ein Mittagessen, am Abend nicht mehr als 100. Aber 200 Euro pro Person und Essen, das ist für mich ganz persönlich nicht mehr normal.
Die Gastronomie gehört in der öffentlichen Wahrnehmung zu den Preistreibern – zu Recht?
Huber: Wenn man einmal ganz pauschal von hoher Qualität ausgeht, so ist die österreichische Gastronomie vergleichsweise günstig. Ich habe den Eindruck, dass wir uns manchmal unter Wert verkaufen. Aber Wirte trauen sich oft einfach nicht über transparente Preissprünge hinweg – obwohl es nötig wäre, denn im Handel wird auch alles teurer, von den Personalkosten ganz zu schweigen. Größte Falle: irgendwo an der Qualität sparen, um noch halbwegs über die Runden zu kommen – wobei es einem die Geiz-ist-geil-Gesellschaft noch schwerer macht. Wir aber haben uns zum Glück eine treue Kundschaft erarbeitet, die für Qualität bereitwillig ein paar Euro mehr ausgibt.
Warum schaffen das nur so wenige, worin besteht das Grundproblem hinter dem Wirtshaussterben? Wird die tatsächliche Arbeit oft unterschätzt?
Huber: Ganz sicher. Es wird einem auch viel zu einfach gemacht, ein Lokal zu eröffnen, deswegen haben wir eine so große Fluktuation. Du kannst ja allein mit einem Lehrabschluss ein Restaurant betreiben, da müsste man die Anforderungen deutlich erhöhen. Und mehr umfassende Erfahrung voraussetzen, die dann dafür so etwas wie drei Konkurse hintereinander verhindert. Und viele stellen sich das alles leichter vor, als es ist, denn Beständigkeit ist die größte Anstrengung. Und ganz ehrlich: Auch ich gelange immer wieder an meine Schmerzgrenze. Aber Gastronomie erfordert die Bereitschaft, sich step by step zu steigern – und Geduld. Ich kenne in Linz nur wenige, die das über mehrere Jahrzehnte hinaus schaffen – der Georg Essig, der Erich Lukas vom Verdi und noch ein paar andere.
Was ist der größte Fehler in der Gastronomie?
Huber: Die Sturheit, Veränderungen und Kompromisse nicht zuzulassen. Aber am Ende zahlt noch immer der Kunde die Rechnung, deswegen darf man nicht versuchen, ihm nur die eigene Überzeugung aufs Auge zu drücken.
Geht es da um eine Art künstlerische Eitelkeit?
Huber: Ein Koch ist ja bis zu einem gewissen Grad ein Künstler, das ist auch das Coole an der Gastronomie: Wir können machen, was wir wollen. Aber Kochen ist das eine, Wirtschaften das andere. Du musst deine Zahlen im Griff haben, und viele unterschätzen die Zahlen. Es gibt ganz sicher Köche, die besser kochen können als ich. Aber du musst auch wirtschaften können. Viele Business People kommen auch deswegen gerne zu uns, weil sie sehen, was ich für ein Ehrgeizler bin – der sie irgendwie auch an sie selbst erinnert.
Inwiefern?
Huber: Viele werden sich denken: „Jetzt macht der ein zweites Lokal, ist der wahnsinnig?“ Aber man muss ein bisserl mutig sein, so viele sperren zu, so viele sudern – aber wir wollen etwas erreichen, warum sollen wir uns dafür verstecken? Wer etwas hat, weil er fleißig ist, muss sich im deutschsprachigen Raum ja fast verstecken, darf das nicht laut sagen. Aber ich will ein Vorreiter sein, der motivierten Menschen Arbeitsplätze bietet.
Worin bestehen die Unterschiede in dem, was man sentimental ein „klassisches Wirtshaus“ nennt und der heutigen Gastro-Realität?
Huber: Ich zum Beispiel wollte nie etwas anderes als Koch werden, schon die Mama war – neben der Versorgung von drei Kindern – Köchin, die Großeltern haben das Gasthaus Köppl in Wankham betrieben: klassisch, mit Gästezimmern oben und Fleischhauerei daneben, so wie’s halt früher war.
Wie war’s halt früher?
Huber: Beständiger. Heute ist „Schneller, Höher, Stärker“ angesagt, jeder muss herzeigen, was er hat. Sagen wir es, wie es ist: Es geht vielen Leuten zu gut, ich kenne auch kaum wen, der spart. Jeder fährt drei- bis fünfmal im Jahr zumindest auf Kurzurlaub. Heute ist es modern, wenn du nur vier Tage offen hast und das nur mittags oder abends. Aber ich bin gegen eine Vier-Tage-Woche, darauf ist der österreichische Wohlstand nicht aufgebaut worden. Ich selbst habe nicht einmal eine Fünf-Tage-Woche und keinen Acht-Stunden-Tag, aber das will ich auch gar nicht. Die Gastronomie braucht vielleicht mehr Ehrlichkeit und weniger Lifestyle.
Aber Hauben fallen doch auch unter Lifestyle?
Huber: Ich durfte im Restaurant Obauer in Werfen (5 Hauben, Anm. d. Red.), im Verdi bei uns in Linz (3 Hauben) und im Landhaus Bacher in Mautern (5 Hauben) kochen, das waren unglaublich positive Erfahrungen. Wenn der Herr Obauer zehnmal ein Gericht kochte, war zehnmal was anderes dabei: Das Kochbuch mit meinen Notizen und Schmierzetteln habe ich noch immer. Und dennoch – du baust dir einen gewaltigen Druck auf, weil du stets ein mögliches Downgrading im Hinterkopf hast. Vielleicht musste ich meinen Ehrgeiz trotz meines Hauben-Stolzes umdefinieren: Für mich ist es viel mehr Bereicherung, wenn ich sehe, dass das Lokal jeden Tag voll ist und die Leute zufrieden sind. Das ist für meinen Stolz wichtiger – und für meinen Seelenfrieden.
Was wird die größte Challenge Ihrer Expansion?
Huber: Die Mitarbeiter zu begeistern, moderner, neuer zu werden. Die Lokalität ist größer, es kommt eine Kochschule dazu, ein Shop, wo wir Selbstgemachtes verkaufen. Und – ich werde dort wieder selber kochen. Es wird auch wieder Kochkurse geben, aber die Basis ist zunächst, dass das Lokal läuft. Vielleicht werden wir ein wenig internationaler, auch mit Themenabenden. Aber ich kann versprechen, wir werden kein neuer Asiate und kein argentinisches Steakhouse – aber wir verschließen uns nicht.
Und die „Huberei“ bekochen Sie dann parallel?
Huber: Ich bin auch hier seit eineinhalb Jahren im Service gestanden und nur selten in der Küche. Ich will, dass die zwei Burschen, die bei mir beteiligt und seit Jahren hier sind, ihren Touch reinbringen. Die sind noch drei, vier Jahre jünger als ich mit meinen 33 und haben extremen Biss – und ich muss lernen, Verantwortung abzugeben, mehr zu führen. Das ist ein bisserl wie im Fußball, du bist dann der Trainer, der Motivator. Und diese Motivation muss ich in den Köpfen verankern. Wie der Kühbauer – seit der zurück beim LASK ist, gewinnen sie wieder.
Wird es kulinarische Überschneidungen geben?
Huber: Wohl die eine oder andere – aber auf jeden Fall auch Krautfleckerln und Wiener Schnitzel.