Starke Wertschöpfung
Inhalt
- Beginn war 2008
- Australische Gene
- Tiere zählen zur Spitzenklasse
- Fettanteil bestimmt den Preis
- 21 Tage Dry Aging
- Regionale Pizza
- Hauseigenes Dinkelmehl
- Regionale Produktion ist kein Luxus
Steigende Preise für Lebensmittel lassen vermuten, dass Landwirte heute gut verdienen. Ein genauerer Blick auf die Wertschöpfungskette zeigt jedoch ein anderes Bild: Von den Einnahmen bleibt bei den bäuerlichen Betrieben im Schnitt erstaunlich wenig. Laut Untersuchungen des Wirtschaftsforschungsinstituts (WIFO) liegt der Anteil der Landwirtschaft am Endpreis eines Lebensmittels meist unter zehn Prozent. „Bei Brot beträgt der bäuerliche Anteil am Regalpreis weniger als fünf Prozent. Bei Milchprodukten liegt er bei rund einem Drittel, bei Butter bei etwa 28 Prozent. Das bedeutet: Von einem Euro, den Konsumenten für ein Produkt bezahlen, bleiben nur wenige Cent beim Bauern“, erklärt der Präsident der Landwirtschaftskammer Oberösterreich Franz Waldenberger. Kein Wunder also, dass viele landwirtschaftliche Betriebe in den vergangenen Jahren neue Wege gesucht haben – vor allem über die Direktvermarktung. In der Datenbank der Landwirtschaftskammer Oberösterreich sind aktuell rund 2.450 Direktvermarkter registriert.
Beginn war 2008
Einer dieser Betriebe ist jener von Roland Pühringer aus Ohlsdorf. Gemeinsam mit seiner Frau Carina hat er sich auf die Züchtung von Wagyu-Rindern spezialisiert. „Um unseren kleinen Hof mit seinen 16 Hektar langfristig im Vollerwerb führen zu können und faire Preise für unsere Arbeit zu erzielen, haben wir uns 2008 für die Zucht von Wagyu-Rindern entschieden“, erzählt Pühringer.
Australische Gene
Begonnen hat alles mit importierten Embryonen aus Australien, die Mutterkühen eingesetzt wurden. „Die Embryonen enthalten alle genetischen Informationen, die man für reinrassige Wagyu-Rinder benötigt. Damals war das für viele ein Wagnis – heute zeigt sich, dass es die richtige Entscheidung war“, sagt Pühringer. Rund 50 dieser edlen Tiere grasen mittlerweile auf seinem Hof.
Seit 2020 ist „Putz Wagyu“ als erster heimischer Betrieb sowohl im österreichischen „Herdebuch“ als auch im AWA-Herdbuch der Australian Wagyu Association eingetragen. Der australische Zuchtverband gilt weltweit als führend in der Verknüpfung realer Schlachtdaten mit genomischen Zuchtwerten.
Tiere zählen zur Spitzenklasse
„Diese Werte sind hochpräzise und international vergleichbar – ein enormer Wettbewerbsvorteil“, betont Pühringer.
Durch die Nutzung dieser wissenschaftlich fundierten Methoden konnte er die Wertschöpfung im eigenen Betrieb deutlich steigern. Seine Tiere zählen zur europäischen Spitzenklasse: Eine Kalbin rangiert weltweit unter den Top 20 bei Rib-Eye-Area und Marmorierung, und der Herdbulle „Yasufukustar“ wurde 2021 als einer von nur 30 Bullen weltweit in das vierjährige „Progeny Test Program“ der AWA aufgenommen.
Fettanteil bestimmt den Preis
Auch technologisch nimmt Pühringer eine Vorreiterrolle ein. Als erster europäischer Betrieb setzt er bei der Qualitätsbewertung des Fleisches (BMS 5 – 12) auf das international anerkannte MIJ-Kamerasystem – ein standardisiertes Tool zur objektiven Analyse der Marmorierung. Diese intramuskuläre Fettstruktur entscheidet wesentlich über den Preis. „Je höher der Fettanteil, desto höher ist auch der Preis“, erklärt Pühringer. „Durchschnittlich enthält unser Fleisch 35 Prozent intramuskuläres Fett, 40 Prozent wären optimal. Mehr würde dem österreichischen Geschmack nicht mehr entsprechen.“
21 Tage Dry Aging
Je nach Teilstück und Fettgehalt kostet das Wagyu aus Ohlsdorf zwischen 36 und 200 Euro pro Kilo, wobei besonders stark marmorierte Cuts entsprechend höher bewertet werden. Wichtig ist dem Landwirt auch eine möglichst stressfreie Schlachtung. Nur acht bis zehn Tiere werden pro Jahr geschlachtet. „Ich begleite die Tiere, um ihnen bis zuletzt ein vertrautes Umfeld zu bieten und einen ruhigen Schlachtprozess zu garantieren.“ Die Reifung erfolgt bei einem Metzger des Vertrauens: 21 Tage Dry Aging am Knochen – ein wesentlicher Faktor für Aroma, Zartheit und die charakteristische Geschmacksintensität des Wagyu-Fleisches.
Regionale Pizza
Eine ganz andere Nische hat Andrea Schwarz aus Alberndorf für sich entdeckt: hausgemachte Pizzen aus dem Mühlviertel. Sie sollen Lust auf Regionalität, echtes Handwerk und bewusstes Genießen machen. 2021 produzierte sie die erste Pizza, und die Nachfrage stieg rasch. Rund 500 Stück wurden wöchentlich am Wirschenbauerhof erzeugt, der seit 1888 in Familienbesitz steht.
„Man glaubt gar nicht, wie viel Arbeit das war“, erzählt Schwarz, die neben ihrer Rolle als Mutter auch für die Produktion und Vermarktung verantwortlich war. Bis zu fünf Mitarbeiter unterstützten sie – dennoch blieb die Verantwortung immer bei ihr. „Als Unternehmerin kann man nur einen Teil abgeben. Bei Problemen war ich dennoch die zentrale Ansprechpartnerin.“
Heute produziert Schwarz alle 14 Tage rund 250 Pizzen, die regional verkauft werden. „An der Nachfrage der Konsumenten liegt es ganz sicher nicht, wir könnten durchaus deutlich mehr verkaufen“, sagt sie. Der Preis pro Pizza: 9,90 Euro.
Hauseigenes Dinkelmehl
Warum sollte sich ein Konsument für eine Pizza aus Alberndorf entscheiden, wo es doch in den Tiefkühlregalen eine große Auswahl gibt? Schwarz setzt – neben echter Handarbeit – vor allem auf kurze Lieferwege, höchste Transparenz und eigene Rohstoffe. „Wir benötigen monatlich rund 80 Kilo Mehl, das in einer regionalen Mühle aus unserem hauseigenen Dinkel gewonnen wird“, betont sie. Auch der Speck für den Belag stammt vom eigenen Hof, wo traditionelle Produktion großgeschrieben wird. Bei der Salami verlässt sie sich auf einen Produzenten aus dem Mühlviertel, der ebenfalls für Qualität und regionale Verarbeitung steht.
Regionale Produktion ist kein Luxus
Die beiden Beispiele zeigen deutlich: Die Konsumenten haben es in der Hand. Mit jeder Kaufentscheidung beeinflussen sie, welche Art von Landwirtschaft sie unterstützen – regional oder global, nachhaltig oder billig. Wer bewusst zu heimischen Produkten greift, stärkt nicht nur die Landwirtschaft, sondern auch Arbeitsplätze, Umwelt- und Tierschutz sowie die regionale Wirtschaft und trägt gleichzeitig zur Stabilität ganzer ländlicher Regionen bei. „Regionale Produktion ist mit Sicherheit kein Luxus, sondern Teil der Versorgungssicherheit. Bewusste Kaufentscheidungen für heimische Lebensmittel sichern langfristig die Versorgung – und stärken außerdem kleinräumige Strukturen. Konsumenten müssen buchstäblich über den Tellerrand hinausdenken und weiterhin auf Herkunft und Qualität achten“, so Landwirtschaftskammer-Präsident Franz Waldenberger abschließend.