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Gut im Geschäft: Levi Strauss und vor allem sein kongenialer Partner Jacob Davis gelten als Erfinder der Jeans. Die Nachkommen des Gründers halten die Aktienmehrheit.
Gut im Geschäft: Levi Strauss und vor allem sein kongenialer Partner Jacob Davis gelten als Erfinder der Jeans. Die Nachkommen des Gründers halten die Aktienmehrheit.
Sven Hoppe / dpa / picturedesk.com

Familien mit dem goldenen Schnitt

19.03.2025 um 10:25, Klaus Schobesberger
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Im schnelllebigen Modebusiness haben meist Familien das Sagen. In Frankreich kämpfen die großen Konzerne nach Jahren der Rekordgewinne gegen die Luxusflaute.

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Die Wirtschaftsgeschichte kennt viele Nieten, manche davon führten sogar zum Welterfolg. Etwa jene Metallnieten, die zur Verstärkung der Nähte durch das grobe Denim-Baumwollgewebe der indigoblau gefärbten Hosen getrieben wurden. Der deutsche Auswanderer Levi „Löb“ Strauss erwarb das Verfahren von seinem Geschäftspartner Jacob Davis und meldete 1873 das Patent Nummer 139.121 für seine ­neuen „Overalls“ an. Diese Hosen saßen eng an der Hüfte, waren aber an den Beinen weit geschnitten – das ideale Kleidungsstück für Arbeiter, Cowboys oder Abenteurer, die der jüdische Kurzwarenhändler während des Goldrauschs in San Francisco mit Alltagsgütern versorgte. Die strapazier­fähige Hose entwickelte sich rasch zum Verkaufsschlager. Um die Aufträge schneller abwickeln zu können, wurde ab 1890 nur noch die Inventarnummer 501 notiert. Der Rest ist Geschichte: Levi Strauss wurde zum größten Jeans-Hersteller der Welt und die „Levi‘s 501“ zur amerikanischen ­Ikone.
 

Levi’s: Tradition als Kapital

Levi Strauss starb 1902 als reicher Mann, blieb aber unverheiratet und kinderlos. Daher übertrug er das Unternehmen an seine vier Neffen. Mehr als 150 Jahre später halten die als Familie Haas bekannten Nachkommen auch in der sechsten Generation die Mehrheit am Unternehmen. Nach dem Börsengang im März 2019 zog sich die Familie zurück, behält aber weiterhin Einfluss. Im Jahr 2022 gab sie bekannt, dass der Konzernumsatz innerhalb von fünf Jahren auf zehn Milliarden US-Dollar anwachsen solle. Dieses Ziel erwies sich jedoch als zu optimistisch. Die aktuelle Vorstandsvorsitzende Michelle Gass verschob den Termin dafür nun auf unbestimmte Zeit. Obwohl der Umsatz des Levi‘s-Konzerns im vergangenen Jahr nur leicht auf 6,4 Milliarden Dollar anstieg, konnte das EBIT um 17 Prozent auf 650  Millionen US-Dollar gesteigert werden. Allerdings führten die verhaltenen Prognosen für das laufende Geschäftsjahr dazu, dass die Aktie zuletzt unter Druck geriet. Laut Gass bleibt die Strategie des Unternehmens jedoch unverändert: Das kulturelle Kapital der Marke soll weiterhin als Kaufanreiz genutzt werden. Dazu soll zum einen das eigene Einzelhandelsnetz ausgebaut werden – mittlerweile gibt es weltweit über 2.300 Levi‘s-Shops, die jährlich um rund 100 Stores erweitert werden. Zum anderen sollen bewährte Marketing-Partnerschaften die Verkäufe ankurbeln. So unterstützt Levi‘s beispielsweise den Film „Like A Complete Unknown“ über Bob Dylan mit einer Vintage-Kollektion. Dylan hat während seiner gesamten Karriere Levi’s getragen.
 

Kein Trump-Effekt: Die Aktie von Levi Strauss & Co. kam unter Druck.

Diesel & Co.: die jungen Wilden

Der Kalifornier Levi Strauss gilt zwar als Urvater der Jeans, aber erst junge Marken aus Europa machten Mode ­daraus. Ganz vorne dabei waren die Jeans-Pioniere Marithé (83) und François ­Girbaud (80), die Besitzer der gleichnamigen ­Pariser Modemarke. Das Paar erfand Ende der 1960er Jahre das Stonewash-Verfahren, weil sie wollten, dass die Levi’s in ihrem Laden nicht mehr so amerikanisch aussehen sollten. Verwendet wurden dafür Steine von der italienischen Insel Lipari. „Für die Amis war eine Jeans eine Arbeitshose. Für uns jedoch war eine zerrissene, kaputte Jeans ein Fanal gegen die Spießigkeit, ein Mittel, die Bourgeoisie zum Schweigen zu bringen“, erklärten die beiden einmal in einem Interview. Heute ist „stonewashed“ nur noch ein Look, den sich Modemarken wie ­Victoria Beckham in England, Guess in Kalifornien oder Diesel in Italien aneigneten und damit erfolgreich wurden. Die Marke „Diesel“ wurde 1978 von Renzo Rosso (69) kreiert – einem charismatischen Wuschelkopf, der auf einem Bauernhof aufwuchs und sich bereits mit 15 Jahren an die Nähmaschine seiner Mutter setzte. Heute gehören zu Rossos 1,9 Milliarden Euro schwerem Konzern „Only The Brave“ (OTB) neben Diesel auch Maison Margiela, Jil  Sander oder die junge Marke „Marni“, die seit 2024 von Sohn Stefano Rosso geführt wird. Ursprünglich wollte Firmeneigentümer Renzo Rosso OTB im Jahr 2025 an die Börse bringen. Aufgrund der schwierigen Lage in der Luxusmodeindustrie hat er diesen Schritt nun jedoch auf das kommende Jahr verschoben. Die vielen Krisen haben zuletzt dazu geführt, dass modebewusste Kunden weniger Lust auf teure Outfits hatten.
 

Prada: Milliardenpoker um Versace

Renzo Rosso gilt auch als möglicher Bieter beim milliardenschweren Übernahmedeal um das italienische Luxus-Modehaus Versace. Derzeit wird Versace vom Private-Equity-Fonds Capri Holding kontrolliert, der auch die Marken „Michael Kors“ und „Jimmy Choo“ besitzt. Die US-Amerikaner haben die Investmentbank Barclays beauftragt, einen Käufer für Versace zu finden. Capri Holding hatte Versace 2018 für 1,8 Milliarden Euro von der Familie Versace, die 80 Prozent der Anteile hielt, sowie vom Investmentfonds Black­stone übernommen. Das einstige Familienunternehmen wurde 1978 von Giovanni Versace gegründet, der 1997 im Alter von 50 Jahren vor seiner Villa in Miami Beach erschossen wurde. Daraufhin übernahmen seine Geschwister ­Santo und Donatella Versace die Geschäfte und bauten die Marke zu einem global erfolgreichen Luxuslabel aus. Ein weiterer heißer Kandidat für den Kauf von Versace ist das Mailänder Familienunternehmen ­Prada. Das Modehaus wurde von Miuccia Prada (75) und ihrem Mann Patrizio Bertelli (79) von einem reinen Lederwarenhändler zu einem Luxuskonzern mit 19 Milliarden Euro Umsatz ausgebaut. Prada hätte mit Barmitteln von 600 Millionen Euro die betriebswirtschaftliche Stärke, um das externe Wachstum voranzutreiben. Auch die eigene Unabhängigkeit ist als Ziel festgeschrieben: Der älteste Sohn ­Lorenzo Bertelli hat Anteile übernommen und sammelt Erfahrungen im Tagesgeschäft, um die Führung in der nächsten Generation zu übernehmen.
 

Remo Ruffini formte Moncler zu einem milliardenschweren Luxus- und Lifestyle-Konzern.

LVMH: geliebter Feind

Die Befürchtung der Italiener, im Reich von LVMH Moët Hennessy – Louis Vuitton SE oder Kering (Gucci, Brioni) zu landen, ist durchaus nachvollziehbar. Diese beiden Konzerne, die von den Familien um Bernard Arnault bzw. François-­Henri Pinault kontrolliert werden, sind führend in der globalen Luxusgüterindustrie. Allein LVMH vereint 75­  verschiedene Marken unter seinem Dach, darunter Louis ­Vuitton, Dior, Fendi, Bulgari, ­Kenzo, Givenchy oder Tiffany & Co. Aber es gibt auch Unternehmer wie Remo Ruffini, die sich LVMH als Partner ins Boot holen, um die eigene Position zu stärken. Ruffini hält über seine Double R Holdings einen Anteil von 15,8 Prozent am börsennotierten Mailänder Luxuskonzern Moncler und ist damit dessen größter Aktionär. ­Moncler hat eine faszinierende Geschichte. Das Unternehmen wurde 1922 von René Ramillon als Spezialist für Bergsportartikel gegründet. Der Markenname ist ein Kofferwort aus den Anfangsbuchstaben seines Heimatorts Monestier-de-Clermont. Als ­Ruffini 2003 die Mehrheit an Moncler übernahm, befand sich das Unternehmen in finanziellen Schwierigkeiten und war als Sportartikelhersteller positioniert. Ruffini gelang es, Moncler zum Lifestyle-Unternehmen umzuformen. Dabei erweckte er wie Levi Strauss die Tradition der ­Marke zum Leben und verband das kulturelle Erbe mit einem unverkennbaren Design. Mit Erfolg: Für die bekannten Daunenjacken von Moncler sind Kunden bereit, 1.200  Euro und mehr auszugeben. Ein weiteres Mailänder Unternehmen, das sich seine familiäre Unabhängigkeit bewahrt hat, ist das Luxuslabel „Dolce & Gabbana“. Es wurde 1985 von den Designern Domenico Dolce und Stefano Gabbana gegründet, die auch heute noch Vorstandsvorsitzende und Eigentümer sind. Zwar konnte Dolce & Gabbana im Vorjahr den Umsatz auf 1,87 Milliarden Euro steigern, schrieb aber dennoch rote Zahlen.
 

Diesel-Gründer Renzo Rosso mit dem südkoreanischen Sänger Hoshi auf der Mailänder Fashion Week im Februar. Rosso plant den Gang an die Börse 2026.

Hermès: Manche trotzen der Luxusflaute

Damit sind die Italiener nicht allein. Statt wie üblich zweistellig zu wachsen, stagnierte der Umsatz bei LVMH bei 84,7 Milliarden Euro, der Nettogewinn schrumpfte gar um 17 Prozent auf 12,6 Milliarden Euro. Mit den Kennzahlen ging auch der Kurs an der Börse nach unten und ein Teil des Vermögens des Großaktionärs Bernard Arnault verpuffte. Darüber hinaus schließt LVMH nach acht Jahren auch das Luxus-Einkaufszentrum „Fondaco dei Tedeschi“ im Herzen Venedigs, was rund 230 Mitarbeiter betrifft. Nicht nur LVMH, sondern auch der Luxuskonzern Kering hat unter dem mauen Konsumklima gelitten. Insbesondere die Marke „Gucci“, eine Kernmarke von Kering, verzeichnete einen Gewinn­einbruch von 23  Prozent und entwickelte sich so zu einem Klotz am Bein für den Konzern. Neben der sinkenden Kauflaune der Verbraucher werden auch die überproportional gestiegenen ­Preise im textilen Kerngeschäft als Ursache genannt. Laut Unternehmensberatern von Bain & Company sind der Luxusgüterindustrie in den vergangenen beiden Jahren rund 50  Millionen Kunden abhandengekommen. Ob es 2025 wieder aufwärtsgeht, darüber sind sich Analysten uneins. Sicher ist: Das Familienunternehmen ­Hermès – die Familie Hermès hält zwei Drittel der Aktien – glänzt auch in der Krise. Im Ultra­luxussegment zu Hause, konnte der Handtaschen-Hersteller sogar im schwachen chinesischen Markt punkten. Produkte wie die beliebten „Birkin Bags“ sind limitiert, sehr teuer – und als Wertanlage begehrt. Zur künstlichen Verknappung trägt auch die Vertriebsstrategie bei: Hermès-Produkte werden fast ausschließlich in eigenen Boutiquen angeboten. Im Gesamtjahr erlöste Hermès konzernweit mit 15,2 Milliarden Euro um 15 Prozent mehr als im Jahr davor. Der Gewinn ist mit 4,3 Milliarden Euro um sieben Prozent höher als 2023.
 

Luxuskonzern Hermès schlägt sich besser als die Konkurrenz.

Armani: Wer übernimmt den Laden?

Eine geregelte Unternehmensnachfolge ist im oft schnelllebigen Fashionbereich alles andere als selbstverständlich. Der italienische Modezar Giorgio Armani ist 90 – und steht immer noch an der Spitze seines Unternehmens. Er ist alleiniger Eigentümer der 1975 gegründeten ­Giorgio Armani SpA und wollte nie verkaufen, noch sich einem Marken-Konglomerat anschließen. Der Wert des in 60  Ländern tätigen Konzerns wird auf zehn Milliarden Euro geschätzt, seine Belegschaft umfasst 9.000  Mitarbeiter. Laut Bloomberg liegt Armanis Vermögen bei rund sieben Milliarden Euro. Seine erste Kollektion veränderte die Modewelt. Statt der klassischen Anzüge verpasste er Männern legere ­Seide und Leinen zum Tragen. Frauen griffen nach Armanis Mode und schon bald bot er ein umfassendes Sortiment an. Er ging in die USA und kleidete Hollywood ein – und kreierte maßgeblich den „­Miami Vice“-Look der beiden Drogenermittler ­Sonny Crockett (Don Johnson) und ­Ricardo Tubbs (Philip Michael Thomas) mit. Umsatzzahlen werden nicht bekannt gegeben, aber sie sollen seit Jahren auf demselben Niveau von 2,5 Milliarden Euro stagnieren. Weil Armani kinderlos ist, könnte das Unternehmen an seine Schwester und drei weitere Familienmitglieder sowie einen Mitarbeiter und eine gemeinnützige Stiftung übergeben werden. Auch ein von ihm so verabscheuter Gang an die Börse soll schriftlich in Betracht gezogen worden sein. Aber erst nach Armanis Tod. 

Legende Giorgio Armani kleidete Hollywood in den 1980ern ein. Unter anderem Don Johnson und Philip Michael Thomas für die Kultserie „Miami Vice“.

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