Heilig´s Blechle
Inhalt
- Ü30-Party
- Jeder Zweite hätte gerne einen
- Junges Blut für altes Blech
- Emotion in Stahl
- Ein Auto um 135 Millionen
- Unmatching-Geschäftspraktiken
- Keine Bluechips am DOX
Da werden bei vielen von Ihnen wohl Erinnerungen wach: Der Renault 4, der 1961 debütierte, und der Renault 5, der 1972 präsentiert wurde, sind wieder zurück. Ihre 2.0-Nachfolger in zum Teil knallbunten Farben gehören wieder ins alltägliche Straßenbild. Kein Zufall, denn die Retrowelle, welche die Neuauflagen des VW Beetle und des Fiat 500 auslösten, rollt weiter. Zu den „Neo-Klassizisten“ Renaults gesellen sich (elektrifizierte) Neuauflagen des Ford Capri, des Mustang, des Opel Frontera und sogar ein neuer MG Roadster – der Cyberster – ist zurück. Das freut Doris Seipl besonders. Ihr Autohaus verkaufte schon klassische MGs und aktuell die neuen Briten „made in China“. „MG hat sich zum 100. Geburtstag der Marke selbst wieder einen Roadster geschenkt. Das zeigt, dass die Chinesen das britische Erbe hochhalten.“ Britische Autokultur ist in ihrem Autohaus – Seipl führt unter anderem auch Jaguar und Land Rover – stark verwurzelt. Und Wurzeln sind es auch, die viele Menschen mit Klassikern verbinden so wie bei Doris Seipl selbst: „Wir würden die Autos unseres Vaters, einen Jaguar MK II und einen E-Type Serie 3, nie hergeben. Sie sind kein Zweckgegenstand, sondern ein Familien-
mitglied. Da stecken unheimlich viele persönlichen Geschichten drin.“ Jaguar-Gründer Sir William Lyons ging sogar noch weiter: „Keine menschliche Schöpfung wird einem lebenden Wesen jemals so nahekommen wie das Auto.“ Schöpfungen, die Lyons noch selbst designte, wie der XK 150 oder der XJS sind auch öfters in Seipls Werkstatt beim Service zu sehen. Dazu handelt das Unternehmen mit Ersatzteilen: „Es gibt noch erstaunlich viel am britischen Markt, aber man muss sich auskennen.“
Ü30-Party
Für Seipl sind solche Klassiker „erhaltungswürdige Kulturgüter“. 92 Prozent der Österreicher sehen das genauso, wie eine Studie des Kuratoriums Historische Mobilität Österreich (KHMÖ) erhob. Das KHMÖ pflegt seit 2018 die „Approbierte Liste der Historischen Fahrzeuge“. Ist ein Fahrzeug auf dieser Liste zu finden, gilt es als erhaltungswürdig und kann als historisches Fahrzeug angemeldet werden. „Wir sind ein privatrechtlicher Verein, der vom Bundesministerium die Führung der Liste überbunden bekam. Diese wurde ins Leben gerufen, um gewisse Fetzenflieger außen vor zu halten. Im Normalfall werden aber Fahrzeuge über 30 Jahre in die Liste aufgenommen. Das ist die Voraussetzung für die Individualzulassung zur historischen Typisierung“, erzählt der Generalsekretär des KHMÖ Christian Schamburek. Auch seine „Oldtimer-Karriere“ startete mit einem Briten, einem Austin-Healey. Ist ein Fahrzeug historisch, bekommt man in Österreich das „rote Pickerl“ – aber nur, wenn man gewisse Voraussetzungen erfüllt. Die wichtigste: Der Klassiker darf kein Alltagsfahrzeug sein, sprich Motorräder dürfen nur an 60, Autos an 120 Tagen im Jahr gefahren werden. Der Halter muss dazu eine Art Fahrtenbuch führen. Dafür müssen diese Fahrzeuge nur alle zwei Jahre zur §-57a-KFG-Überprüfung. Für Schamburek sind diese Beschränkungen spielend einzuhalten. „Wir wissen, dass die durchschnittliche Laufleistung von Oldtimern unter 1.000 Kilometern im Jahr liegt. Das sind im Vergleich mit dem Gesamtverkehrsaufkommen nur 0,3 Prozent aller gefahrenen Kilometer. Oldtimer haben damit keinerlei Umweltrelevanz.“ Die Studie weist auch aus, dass sich 90 Prozent der Österreicher freuen, wenn sie einen Oldtimer sehen.
Jeder Zweite hätte gerne einen
Die Studie – eine Vermessung der Szene – wird alle vier Jahre neu aufgelegt. Die letzte stammt von 2022 und gibt spannende Einblicke in die Welt der heimischen Oldtimer-Besitzer. Hier ein paar Eckdaten: 364.000 Oldtimer (Zwei- und Vierrad) sind in Österreich zugelassen. Sie sind im Besitz von 99.000 Menschen und haben einen Gesamtwert von 5,6 Milliarden Euro. Die Oldtimer-Szene (Restaurateure, Werkstätten, Handel, Klubs usw.) erwirtschaftet rund 756 Millionen Euro. Das Potenzial ist dabei noch lange nicht erschöpft, denn rund 50 Prozent der Österreicher hätten gerne einen Oldie. Spannend dabei: Bei den Jungen von 18 bis 30 Jahren sind es 48 Prozent. Es ist also keine Frage des Alters. Und doch gibt es bei den 99.000, die einen Klassiker besitzen, eine demografische Gruppe, die völlig unterrepräsentiert ist: Frauen. „Das stimmt. Die Szene ist noch immer männerdominiert. 2022 waren nur fünf Prozent der Oldtimer-Besitzer weiblich. Das bessert sich erst langsam.“ Schambureks Fazit stimmt jedenfalls positiv: „Die Szene lebt.“
Junges Blut für altes Blech
Im Gegensatz zu den Gewerken. Alte Fahrzeuge brauchen altes Handwerks-Know-how und das droht auszusterben. Polsterer, Elektriker und Co., die sich bei Oldies auskennen, sind rar, doch auch hier könnte es zu einer Wende kommen. In Salzburg betreibt Pappas eines der größten Klassiker-Zentren des Landes. Die Nachfrage ist riesig und das nicht nur bei den Kunden, sondern auch bei Jungfacharbeitern. Immer mehr tauschen Diagnosegerät mit Schraubenschlüssel. Allein bei Pappas sind bereits 90 Lehrlinge österreichweit auf dem Weg, Oldtimer-Mechaniker zu werden. Doris Seipl kann das verstehen: „Das passt auch zum Thema der Nachhaltigkeit. Es werden Dinge repariert, statt einfach nur auszutauschen. Es repräsentiert die Langfristigkeit einer Beziehung. Das passt irgendwie gut in unsere Welt.
Emotion in Stahl
Einer, der sein Handwerk versteht, ist Roland Schütz, Inhaber von RS Oldtimer. Er sieht altes Eisen als „in Stahl geformte Emotionen“. Schütz ist Oldtimer-Elektriker. Er repariert Kabelbäume und Co. vom Zweirad bis zum historischen Lkw oder Traktor. Zudem ist er auch auf Puch-Mopeds, -Mofas und -Roller spezialisiert. Seine Kunden suchen nach etwas: „Was ein anderer nicht hat. Heute schaut alles gleich aus. Früher hast du in der Nacht anhand der Scheinwerfer die Mopedmarke erkannt. Heute kommt ein Gatschhupfer aus China, der unter drei verschiedenen Marken vertrieben wird. Es ist aber ein und dasselbe Gefährt.“ Alte Zweiräder sind erst seit einigen Jahren so richtig im Kommen. Heute sind sie gesucht: „Die DS 50, ein Puch-Roller, galt lange Zeit als wertlos. Er wurde sogar in Baustellen einbetoniert, weil Baustahl teuer war.“
Ein Auto um 135 Millionen
Für Schütz beginnt so manche Oldtimer-Karriere mit einem Puch Maxi. Bei Jungen gelten die rot-weiß-roten Mofas als cool. Ein gutes Exemplar kostet dabei bereits um die 1.500 bis 2.000 Euro. Übrigens: Der Durchschnittswert eines Oldtimers liegt bei 25.000 Euro. Die Range geht dabei vom Kilopreis bis zum Zig-Millionen-Klassiker. Seit drei Jahren gibt es einen neuen Spitzenreiter im irrwitzigen Preissegment. Der im „manager magazin“ als „Autohändler der Milliardäre“ bezeichnete Simon Kidston gilt als Trüffelschwein unter den Oldie-Händlern. Kidston sucht und findet. So wie den Mercedes-Benz 300 SLR Uhlenhaut Coupé von 1955. Das „unverkäufliche“ Fahrzeug gehörte dem Mercedes-Benz Museum. Kidston konnte den Autokonzern aber überreden, sich von einem der zwei noch existierenden Top-Raritäten zu trennen. Zum einen, weil der Erlös der Versteigerung an den Mercedes-Benz Fonds ging, der Stipendien für Studierende vergibt, zum anderen, weil es ein massiver PR-Coup wurde. Bisher trugen fast alle Rekordfahrzeuge das springende Pferd aus Maranello am Kühler. Nun ging zum Ersten, zum Zweiten und zum Dritten der Titel nach Stuttgart. Den Zuschlag erhielt ein privater Sammler, der für den Sportwagen 135 Millionen Euro hinlegte.
Unmatching-Geschäftspraktiken
Diese monetäre Rekord-Rallye lockt immer öfter Betrüger an. Im hochpreisigen Segment tauchen Fälschungen auf, die teilweise nur mit fachkundigem Sachverständigen-Blick entlarvt werden. Prominentestes Beispiel: der weltberühmte, mittlerweile verstorbene deutsche Edel-Restaurator Klaus Kienle. Sein Unternehmen restaurierte und handelte vor allem mit Mercedes-Benz-Klassikern. Königshäuser, Milliardäre und Stars gingen beim Schwaben ein und aus. Spezialität des Hauses war der 300 SL, eben jener berühmte Flügeltürer, auf dem der teuerste Oldie der Welt basiert. Gute Exemplare mit „Matching Numbers“ wechseln schon mal um 1,5 Millionen Euro den Besitzer. Doch Kienle fälschte die Seriennummern bei mindestens zwei Modellen. Damit fiel der Wert des Fahrzeugs enorm. Die Dunkelziffer dürfte weit höher sein. Geschädigte meldeten sich laut deutschem BKA aus Scham oder Unwissenheit nicht. Kienle ist kein Einzelfall. Bei forensischen Begutachtungen teurer Klassiker wurden 30 Prozent der untersuchten Fahrzeuge beanstandet. Das reicht von kleineren Tricksereien mit manipulierten Tachos bis zu massiven Fälschungen.
Keine Bluechips am DOX
Für den Großteil der Oldtimer-Szene sind diese Machenschaften aber kein Thema. Die wenigsten kaufen Oldies aus Wertsteigerungsgründen. Ist das dennoch wichtig, dann kann man auf den DOX, den Deutschen Oldtimer Index, setzen. Der schaut sich Angebot und Nachfrage für zahlreiche Modelle genau an. So verzeichnete 2025 der französische Kleinsportwagen Matra-Simca Bagheera laut DOX einen Wertzuwachs von 98,6 Prozent, während der einstige Dauerbrenner BMW 2002 9,1 Prozent Wertverlust hinnehmen musste. Selbst in der Oldtimer-Szene gibt es keine „Blue Chips“ mehr. Doch das scheint ohnehin keinen zu interessieren. Man kauft, was einem gefällt, wo es einen persönlichen emotionalen Bezug gibt und was ins Budget passt, ob einen „alten“ R4 von 1961, einen „original“ Ford Capri von 1968 oder einen Fiat Panda der ersten Generation von 1980.