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Eine Strategie zur „Klimafitness“ von Wäldern ist das Setzen auf Diversität. Wie an der Börse, wird das Risiko durch Streuung gesenkt.
Eine Strategie zur „Klimafitness“ von Wäldern ist das Setzen auf Diversität. Wie an der Börse, wird das Risiko durch Streuung gesenkt.
OEBF / PHILIPP FREUND

Stammgeschäft

25.11.2025 um 09:34, Jürgen Philipp
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FORSTWIRTSCHAFT. Stellen Sie sich ein Geschäftsmodell vor, das sich aus der Natur der Sache weder an Businesspläne, Forecasts oder Quartalszahlen orientiert.

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Es ist Herbst im Wald. Bunte Blätter der Laubbäume zeigen ein letztes eindrucksvolles Aufbäumen der Natur, bevor der Winter Einzug hält. Während Spaziergänger und Wanderer durch den Wald gehen, gehen die Profis „ins Holz“, denn es beginnt die Hochsaison für Wald- und Forstarbeiter. Die haben einiges zu tun, denn rund 48 Prozent des Staatsgebietes sind bewaldet. Das klingt viel, ist aber 
im Vergleich zu „Weltmeister“ Surinam (97,6 %) eher bescheiden. Bescheiden auch, wenn man sich vor Augen hält, dass sich mehr als die Hälfte der weltweiten Waldfläche in nur fünf Ländern befindet: Russland, Brasilien, Kanada, den USA und China. Dennoch ist Österreich in einem ganz oben in der Weltspitze: Rund 81 Prozent des Waldes hierzulande befinden sich in Privatbesitz.

"Das ist nicht für uns, noch für unsere Kinder, sondern für unsere Enkel". Frederick Weyerhaeuser „Timber Tycoon“ im Jahre 1900

Ein Hauch von K.K.

Diese 81 Prozent verteilen sich auf 137.000 Waldbesitzer. Rechnet man das linear, so besitzt jeder von ihnen im Schnitt 23,6 Hektar Forst. Doch die Spreizung ist enorm. Die „Nummer eins“, die Familie Mayr-Melnhof-Saurau, besitzt mit 28.000 Hektar Wald mehr als das Tausendfache dieses Werts. Die Mayr-Melnhofs sind nicht die einzigen Adeligen unter den Top 10 der privaten Waldbesitzer. Dort finden sich sechs Adelsgeschlechter und drei Klöster bzw. Stifte. Nur die Thomas Prinzhorn Privatstiftung (ca. 12.500 Hektar) fällt nicht in diese Kategorien. Was auffällt: Sowohl Mayr-Melnhof als auch Prinzhorn sind Weiterverarbeiter ihrer eigenen Bäume. Sie betreiben Kartonagen- bzw. Papierfabriken. Maximilian Mayr-Melnhof gründete zudem „paxnatura“, ein Waldbestattungsunternehmen. Einer der acht 
Standorte findet sich auf 22 Hektar in Tillysburg bei St. Florian. Dennoch ist die steirisch-salzburgische Gruppe mit 786 Millionen Euro Umsatz nur Nummer fünf in der Holz verarbeitenden Industrie. Branchen-Champion ist Egger Holzwerkstoffe aus Tirol mit 4,1 Milliarden Euro Umsatz. Noch ein paar Daten gefällig? 40 bis 45 Prozent des Schnittholzes werden exportiert (Nadelschnittholz zu 70 %). Es wird in den 1.323 Sägewerken verarbeitet. 70 Prozent der weiterveredelten Holzprodukte im Gesamtwert von 6,6 Mrd. Euro gehen in den Export. 

Mammut-Baum-Konzern

Im Vergleich zum größten forstwirtschaftlichen Unternehmen der Welt, dem börsennotierten US-kanadischen Konzern Weyerhaeuser, gleichen die heimischen Größen allerdings nur einem Bonsai-Wäldchen. Weyerhaeuser bewirtschaftet 9,9 Mio. Hektar Wald – die 1,2-fache Fläche ganz Österreichs. Der deutschstämmige Frederick Weyerhaeuser gründete sein Imperium im Jahre 1900. Er kaufte rund 20 Jahre, nachdem der Eisenbahnausbau des „Wilden Westens“ seinen Höhepunkt erreichte, die ersten 900.000 Hektar Wald im Bundesstaat Washington. Zu diesem Zeitpunkt waren die Eisenbahngesellschaften, die ab 1826 mit der Eröffnung der ersten Schienenstrecke in Quincy (Massachusetts) den neuen Kontinent erschlossen, die größten Waldbesitzer. Sie benötigten Holz für die Schienenstränge, den Waggon-, Bahnhofs- und Infrastrukturbau sowie als Pölzmaterial für Tunnels. 1883 eröffnete die Northern Pacific Railway die Strecke Duluth–Portland. Der letzte große Lückenschluss. Die großen Wälder wurden nicht mehr benötigt

Mit 1.500 Hektar Waldfläche ist das Stift Wilhering einer der kleinsten kirchlichen Waldbesitzer. Das Stift Admont besitzt 17.800 Hektar.

Gute Nacht, John-Boy

Frederick Weyerhaeuser nutzte die Gelegenheit und kaufte der Northern Pacific Railway günstig Forstgründe ab. Der „Timber Tycoon“ brachte das Geschäftsmodell bereits zur Gründung um 1900 herum auf den Punkt. „Das ist nicht für uns, noch für unsere Kinder, sondern für unsere Enkel.“ Der Konzern wurde weltweit zu einem Pionier der Wald- und Forstwirtschaft. Bis zum Zweiten Weltkrieg war Forstwirtschaft kleinteilig und von mühevoller Handarbeit geprägt. Die beliebte Serie „Die Waltons“, die von 1972 bis 1981 produziert wurde, zeigt die Mühen und Herausforderungen in der Zeit von der Weltwirtschaftskrise bis zum Zweiten Weltkrieg. Die Geschichte von John-Boy und seinen sechs Geschwistern endet dort, wo die der Baumplantagen beginnt. Zwar geht die moderne Forstkultur auf Peter Stromer und das Jahr 1368 zurück – er entwickelte die erste Methode zur massiven Aufforstung von Nadelholzsaaten rund um Nürnberg –, doch kam der Durchbruch der intensiven Plantagen erst nach 1945. Und wieder war Weyerhaeuser vorne mit dabei.

Über den Wipfeln ist nie Ruh

Ganz so geplant war das nicht, sondern Folge einer Waldbrand-Katastrophe im Bundesstaat Washington. Auf dem vom Feuer verwüsteten Land setzte der Konzern 200.000 Hektar rasch wachsende Jungpflanzen, vor allem Fichten. Heute betreiben 70.000 Farmer in den 
gesamten USA rund 100 Millionen Hektar Baumplantagen. Die „Clemont Tree Farm“ wurde zum Pionier und löste einen Boom aus. Ein Boom mit Schattenseiten: Durch Monokulturen wurde der Wald anfälliger für Schädlinge, Krankheiten oder Extremwetterereignisse. Der Boden trocknet durch geringere Biodiversität aus, der Lebensraum für andere Pflanzen und Tiere wird kleiner, die CO2-Speicherfähigkeit nimmt ab.

Die Natur hat keinen Businessplan

Das rächt sich, denn die Natur hält sich nicht an Businesspläne. Dazu bedroht die Landwirtschaft immer mehr Flächen. Das „Fast Tree Business“ kann diese Verluste nicht kompensieren. Seit der Sesshaftwerdung des Menschen wird geschätzt, dass fast die Hälfte des Waldbestandes verschwunden ist. Heute sind dies nur noch ca. 3,5 Milliarden Hektar. Stabile Nachfrage bei potenziell weniger Angebot ist es, welche die Branche im Aufwind sieht. Das Marktforschungsunternehmen Data Bridge geht von einem Wachstum des Weltmarkvolumens von 342,54 Mrd. US-Dollar (2025) auf 634,02 Mrd. US-Dollar im Jahr 2032 aus – fast eine Verdoppelung. Gute Aussichten auch für den heimischen Wald, denn der wächst und wächst. „Es gibt ein Verbot von Rodung, sprich ich muss immer nachpflanzen, darum wächst der Wald auch immer“, erzählt Andreas Hofbauer, Geschäftsführer des Waldverbands OÖ.

Mit Borkenkäferschlitzfallen rückt man den Schädlingen an den Leib. Der Käfer ist in Österreich für etwa 30 Prozent des Schadholzes verantwortlich.

Förster: Fachkräfteüberschuss?

Hofbauers Verband hat 32.000 Mitglieder mit Waldgrößen von 3.000 Quadratmetern bis 300 Hektar. Der Verband unterstützt mit ausgebildeten Waldhelfern bei der Bewirtschaftung des Forsts und kümmert sich um die Vermarktung des Holzes. Ausbildung muss sein, 
denn das Forstgesetz ist streng. „Wie bei einem landwirtschaftlichen Grund muss man eine Befähigung nachweisen.“ Das Image der Waldarbeit hat sich dabei glücklicherweise massiv gewandelt. „Früher gab es den Holzknecht. Seine Arbeit wurde als minder angesehen. Das hat sich total gewandelt, denn die Ausbildung ist viel professioneller geworden.“ So gibt es für die Gerätschaften Simulatoren, an denen Skills geübt werden können. Forstwirtschaftliche Schulen wie der Waldcampus in Traunkirchen erleben regen Zulauf. „Die jungen 
Leute drängen wieder in den Beruf."

Klösterreichs Wurzeln

Zu den historisch traditionellen Forstbesitzern hingegen gehören die Klöster. Im vierten Jahrhundert nach Christus entstanden sie in Europa fast immer in der Nähe von Wäldern, denn diese boten Schutz, Nahrung und einen Ort der Ruhe und Besinnung. Ihr Grundbesitz wuchs im Laufe der Zeit vor allem durch Schenkungen bzw. Stiftungen („Stifte“) reicher Adeliger. Mit einem Besitz von 17.800 Hektar forstwirtschaftlicher Nutzfläche ist das Stift Admont Österreichs Nummer fünf im Gesamtranking. Die 1.550 Hektar des Stifts Wilhering sind im Vergleich dazu eher bescheiden. Das Herzstück bzw. die Keimzelle der Klostergemeinschaft ist das Linzer Naherholungsgebiet Kürnbergerwald. „Der Kürnberg hat zwei Reviere“, erzählt Manfred Feichtinger, Leiter der Forstverwaltung des Stifts Wilhering. Das Wilheringer Gebiet mit etwa 300 Hektar ist das Gründungsgut. Der Rest auf der Leondinger Seite wurde von Maria Theresia gekauft. Weitere kleinere Gebiete wie Eidenberg kamen erst später dazu. „Die Gründe in Pettenbach (200 ha) wurden erst 1991 erstanden.“

Nadelbaum = Cashcow des Waldes

Jeder, der den Kürnberg kennt, kann sich ein Bild vom „lebenden“ Wald machen. „Es gab zwei Dinge, die den Kürnberg nachhaltig verändert haben. Zum einen die Fichtenblattwespe, die von 2000 bis 2010 wütete und dann wieder verschwand, zum anderen die riesige Käfer-Kalamität 2015.“ Während die Wespe wütete, wurden keine Fichten mehr angepflanzt, dabei „sind Nadelbäume, speziell die Fichte, die Cashcow des Waldes“. Der Borkenkäfer, der sich in Mitteleuropa ausbreitete, hat dem Stift weitere etwa 200 Hektar Fichtenbestand gekostet. „Von 2015 bis 2021 ging der zweieinhalbfache Jahresschlag des Gesamtbetriebes drauf. Das war ein finanzieller Aderlass.“ Seitdem wird versucht, die Verluste wieder wettzumachen. „Wir haben sehr hohe Aufforstungs- und Waldbaukosten.“ Waldbau, der wieder in Richtung Mischwald geht. „Heute sind im Kürnberg wieder 40 bis 50 Prozent des Baumbestandes Laubbäume. Der Rest sind Douglasie, Fichte, Tanne oder Lärche. Wir streuen das Risiko, indem wir diversifizieren und den Wald klimafit machen. Heute haben wir 70 Prozent der Kalamitätsfläche wieder aufgeforstet.“

Klimafitter Wald?

Diese „Klimafitness“ beschäftigt alle Waldbesitzer. Und jeder hat seine eigene Strategie. Eva Hofmann setzt darauf, den Wald so weit wie möglich „sich selbst zu überlassen“. Hofmann ist vorerst gegen Baumarten wie die Douglasie. Sie setzt auf heimische Gehölze, weil die Langzeitfolgen der Exoten für unsere Klimazonen noch nicht absehbar seien. Doch auch heimischer Langzeitbestand ist in Gefahr: „Man leidet mit, wenn alte Bäume wegmüssen, weil der Käfer drin ist. Das tut weh, weil es ohnehin immer weniger Altholz über 100 Jahre gibt. Die moderne Forstwirtschaft sagt ja heute, dass man 80 Jahre alte Bäume ernten soll.“ 

Diversifiziertes „Baumfolio“

Die moderne Forstwirtschaft hielt auch in Wilhering Einzug. Die Arbeiten wurden nach und nach outgesourct. Feichtinger ist nun der einzige Angestellte. Er kümmert sich um die Verwaltung und den Verkauf des Holzes. Der Absolvent der Forstschule ist schließlich auch studierter Betriebswirt. „Unsere Abnehmer sind zuerst die Sägeindustrie, dann die Papierindustrie.“ Ökonomischer Druck ist bei einem Naturprodukt wie Holz fehl am Platz, denn schließlich „wächst das Holze dem Holze zu, sprich wir müssen versuchen, mit so wenig Einschlag wie möglich eine schwarze Null zu schreiben“. So wurde der Einschlag in den vergangenen vier Jahren halbiert. Wachstum der 
Jungpflanzen und Regeneration stehen nun im Vordergrund, trotzdem „konnten wir zuletzt leichte Gewinne erzielen“. Dennoch bleiben Lücken, Lücken in den verschiedenen Altersklassen der Bäume. „Idealerweise sind die Altersklassen von Jungbäumen bis 20 Jahre bis hin zu 60- bis 80-Jährigen gleich verteilt. Doch wir sind eben in der freien Natur und stoßen immer wieder auf unerwartete Ereignisse.

Nass macht Spaß

Etwa 1990, als ein Jahrhundertsturm dem Stift 30.000 bis 35.000 Festmeter Sturmholz bescherte. Zur Einordnung: 2.000 bis 4.000 Festmeter kommen laut Feichtinger öfter vor. „Das muss man so rasch wie möglich aufarbeiten, weil sonst eine Käfer-Kalamität droht und der Preis des Holzes sinkt, je länger es liegt.“ Die Branche ist eben schwer kalkulierbar. Klassische Forecasts oder Quartalsberichte wie in herkömmlichen Unternehmen sind obsolet. Forecasts, die unmöglich die Wetterlage ein Jahr im Voraus prognostizieren können, denn auch die spielt eine Rolle, schildert Andreas Hofbauer, der heuer auf Holz klopfen kann: „Aufgrund des nassen Sommers in Mitteleuropa ist heuer Schadholz auf niedrigerem Niveau. Der Markt hat sich auf hohe Schadholzmengen eingestellt, doch es kam zu einer Marktverknappung, vor allem bei den ‚Schmankerln‘ wie Fichte.“ Die Preise stiegen. Nasses Sommerwetter war nicht nur für Otto Normalverbraucher nervig, sondern auch für den Borkenkäfer. Der liebt trockenes Wetter, denn dann produzieren Bäume weniger Harz, das sie zur Schädlingsabwehr nutzen.

„Kyrill“ half beim Digitalisieren

Hofbauers Verband hilft den Mitgliedern beim Verkauf ihres Holzes und das schon seit 2007, als Sturm „Kyrill“ in Österreich wütete, digital: „Über unser Portal werden alle Geschäftsprozesse abgewickelt. Wir transportieren im Schnitt pro Tag 130 Züge. Pro Zug sind 
das 27Festmeter. Damit bewegen wir 950.000Festmeter Holz im Jahr.“ Manuell würde die Organisation dieser Mengen nicht funktionieren, „deshalb haben wir schon sehr bald massiv auf die Digitalisierung gesetzt“

Konservatives Investment

Kyrill, Wespen, Käfer, Brände, Dürre, Preis- und Kostendruck - trotz unzähliger Unsicherheitsfaktoren geben nur wenige Waldbesitzer auf. Waldgrundstücke sind kaum auf dem Markt. Feichtinger: „Ich glaube, das ist wie bei der Landwirtschaft. Der Wald ist mit viel Emotionen verknüpft.“ Gibt es hin und wieder einzelne freie Flächen, sind diese sehr begehrt. „Die Leute investieren aufgrund von unsicheren Zeiten in den Wald. Bei allen Mühen ist das wirtschaftlich eine gute Möglichkeit, mit einer gewissen Sicherheit konservativ zu veranlagen.“ Dass es kaum Wälder zu kaufen gibt, zeigt diese Beständigkeit – im Fall des Stifts Wilhering seit 1146 –, und für viele Waldbesitzer gilt dasselbe wie für die Zisterzienser: „Die Rendite steht nicht im Vordergrund.“

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