Wer rettet den Linzer Flughafen?
Inhalt
- Die Folgen der Pandemie
- Ursachen des Niedergangs
- Die boomenden 1990er-Jahre
- Wofür ist der Flughafen da?
- Wie man ein Kraftfeld schafft
- Investoren wachen auf
Der Flughafen Linz hat schon bessere Zeiten erlebt. Seit Jahren kämpft der Airport gegen ein immer dünner werdendes Streckennetz, sinkende Passagierzahlen und die drohende Bedeutungslosigkeit. Dank des gut laufenden Frachtgeschäfts konnte man zwar bislang Jahr für Jahr Gewinne erwirtschaften und willkommene Dividenden an das Land Oberösterreich und die Stadt Linz ausschütten. Doch diese Zeiten sind vorbei. Die Rücklagen sind nahezu aufgebraucht, sodass die beiden Hälfte-Eigentümer jeweils vier Millionen an Steuergeldern zuschießen müssen, um den laufenden Betrieb des Flughafens sicherzustellen.
Die Folgen der Pandemie
Geplatzte Träume vom Fliegen in der Provinz sind kein österreichisches oder gar oberösterreichisches Phänomen. Der Schweizer Bund etwa subventioniert seine acht Regionalflugplätze mit jährlich 30 Millionen Franken (32 Mio. Euro), ohne die es kein Überleben gäbe. Ein ähnliches Bild zeigt sich in Deutschland: Die wenigsten der 30 Verkehrsflughäfen können vom Flugbetrieb leben. Auch für sie springen Kommunen und Länder ein. Für Aufsehen sorgte 2021, mitten in der Pandemie, die Insolvenz des Flughafens Frankfurt-Hahn. „Corona hat den Luftverkehr mehrmals auf den Kopf gestellt. Was früher war, gilt jetzt nicht mehr“, erzählt „Airport Linz“-Geschäftsführer Norbert Draskovits beim „Expertenforum Luftfahrt“ des Branchenverbands Aviation Industry Austria (AIA) Mitte Juni in Hörsching. Seine Bilanz: Je kleiner die Flughäfen sind, desto stärker wirken die Folgen der Pandemie nach.
Ursachen des Niedergangs
Regionale Flughäfen haben keine Drehkreuz-Funktion (Hub-Funktion) und ihnen fehlen die sogenannten „Home-Carrier“ sowie ausreichende Flugzeugkapazitäten. Die beiden großen Flugzeughersteller Boeing und Airbus haben derzeit Auslieferungsverzögerungen von bis zu zwölf Jahren. In diesem Verteilungskampf um die knappen Flugzeugkapazitäten haben kleinere Airports das Nachsehen. Laut Experten wie Draskovits sind bei heimischen Regionalflughäfen rund 40 Prozent weniger Flugzeuge stationiert als vor der Pandemie. Damit fehlt ihnen die Möglichkeit, kurzfristig auf Angebot und Nachfrage zu reagieren und ihr Flugprogramm anzupassen. Doch der Niedergang begann bereits vor der Pandemie – 1990 zählte der Flughafen Linz rund 350.000 Passagiere, 2024 waren es nur noch 180.000. Den Höchstwert erreichte das auch militärisch genutzte Flugfeld 2008 mit 803.000 Reisenden. Seither geht es bergab. Insgesamt weisen die österreichischen Regionalflughäfen heute weniger Flugziele und geringere Passagierzahlen aus als noch vor etwa zehn Jahren. Dabei hatten sie sich in der Vergangenheit sehr erfolgreich positioniert, erzählt Draskovits. „Und mit Erfolg meine ich auch den wirtschaftlichen Erfolg. Bei unseren deutschen Kollegen hat es immer für Verwunderung gesorgt, wie wir es schaffen, mit so wenigen Fahrgästen dennoch so tolle Bilanzen vorzulegen.“
Mit dem Aufkommen der Billigfluglinien war die Doppelmühle perfekt.
Die boomenden 1990er-Jahre
Die Blütezeit des Regionalverkehrs war in den 1980er und 1990er Jahren. Nicht nur Deutschland hatte eigenständige regionale Fluggesellschaften, auch in der Schweiz flog beispielsweise die Crossair und in Österreich die Tyrolean. Die ehemalige Fluggesellschaft des Swarovski-Clans hatte in ihrer Hochphase 59 Flugzeuge im Regionalverkehr im Einsatz, davon 13 in den Bundesländern stationiert. Das Geschäft boomte in der Phase der Osterweiterung Europas, und Tyrolean stieg an die Spitze der Regional-Airlines in Europa auf. Davon profitierten auch die Bundesländer, die mit 13 stationierten Flugzeugen an drei Drehkreuze angebunden waren: Wien, Frankfurt und Zürich. Crossair und Tyrolean hatten letztlich ein ähnliches Schicksal. Beide wurden von Swissair bzw. Austrian Airlines übernommen und integriert, die wiederum von der Lufthansa geschluckt wurden. Die Lufthansa-Tochter AUA stellte alle Strecken auf den Prüfstand. Was nicht rentabel war, fiel dem Rotstift zum Opfer, wie zum Beispiel die Ultrakurzstrecke Linz–Wien. Stattdessen bieten die ÖBB seit 2017 Reisenden aus Oberösterreich auf der Weststrecke eine gut getaktete und schnelle Verbindung direkt zum Flughafen Wien an. „Mit dem Aufkommen der Billigfluglinien war die Doppelmühle perfekt“, sagt Draskovits. Die Billigflieger übernahmen die größeren Strecken selbst, wodurch der Regionalverkehr zusätzlich unter Druck geriet und schließlich nahezu verschwand. Die Low-Cost-Carrier wie die ungarische Wizz Air oder die irische Ryanair sind die großen Gewinner der vergangenen Jahre. Sie konnten ihren Marktanteil in Österreich nach der Pandemie um vier Prozentpunkte auf 34 Prozent ausbauen. Daneben profitierten die großen Hubs der Millionen-Metropolen: Der Vienna Airport verzeichnete im Vorjahr mit fast 32 Millionen Passagieren einen neuen Rekord. In Deutschland sorgte der auch von Oberösterreichern gern genutzte Flughafen München mit 41 Millionen Passagieren 2024 für das größte Wachstum unter den deutschen Flughäfen.
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Wofür ist der Flughafen da?
Es ist ein bisschen wie im Bankensektor: Während die großen Player am Markt die gestiegenen behördlichen Auflagen, die erhöhten Fixkosten für Infrastruktur und Personal leichter wegstecken können, bekommen die regionalen Anbieter zunehmend Probleme, wenn sie nicht ausreichend Erträge erwirtschaften. Zwar lassen sich die Kosten bis zu einem gewissen Grad senken, aber der Flugbetrieb inklusive Lotsen, Feuerwehr, Sicherheitspersonal muss ja weitergehen. Laut Draskovits sind die Standortkosten in Österreich oft um das Dreifache höher als im übrigen Europa. „Regionalflughäfen sind kein Gewinnerthema“, bestätigt auch Ralph Beisel, Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Verkehrsflughäfen. Beisel dreht aber den Spieß um und nimmt die Flughafenbetreiber in die Pflicht: „Kein Politiker rührt einen Finger für einen Flughafen, wenn der nicht nachweisen kann, dass er Nutzen produziert. Am Ende zählt eine einzige Frage: Wofür ist dieser Flughafen da?“ Der Flughafen Linz hat bislang keine überzeugende und glaubwürdige Erzählung präsentiert, obwohl Oberösterreich als Parade-Wirtschaftsregion mit erfolgreichen Exportbetrieben gilt. Dennoch attestieren Experten dem Militärflughafen mit seiner außergewöhnlich langen Landebahn großes Potenzial im Frachtbereich. Kein anderer Landesflughafen in Österreich kann so große Flugzeuge abfertigen. Was den Militärbereich angeht, so hatte dieser in Österreich über Jahrzehnte ein Schattendasein geführt. Doch aufgrund der veränderten internationalen Sicherheitslage sieht die Situation nun ganz anders aus. Der Fliegerhorst Vogler, der Teil des dual genutzten Flughafens ist, wird in den nächsten Jahren massiv aufgewertet. Rund 1,2 Milliarden Euro werden unter anderem in einen neuen Hangar investiert, in dem die neuen Transportflugzeuge Embraer C-390 und die aktuellen „Black Hawk“-Transporthubschrauber untergebracht werden. Hier entsteht ein neues militärisches Kraftfeld.
Wie man ein Kraftfeld schafft
Wie man ein attraktives Kraftfeld um einen regionalen Verkehrsflughafen aufbaut, wird in Salzburg erfolgreich vorexerziert. Ziemlich zeitgleich zur Hiobsbotschaft der drohenden Zahlungsunfähigkeit der Flughafen Linz GmbH feierte „Red Bull“-Chef Mark Mateschitz am östlichen Areal des Salzburger Airports mit 1.500 geladenen Gästen die Wiedereröffnung des renovierten „Hangar-7“ mit einem pompösen Fest. Formel-1-Weltmeister Max Verstappen zeigte sein Können in einem Rennen gegen andere Motorsportler und die Flying Bulls begeisterten mit einer Flugshow. Das Museum mit Exponaten aus Motorsport, historischer Luftfahrt und Kunst öffnete ebenso seine Pforten wie das mit zwei Michelin-Sternen ausgezeichnete Restaurant Ikarus, die Mayday Bar, das Carpe Diem Lounge – Café und die Outdoor Lounge. Salzburg ist Österreichs größter Bundesländer-Flughafen und hat die Chance als „Tor zu den Alpen“ und die touristische Attraktivität der bekannten Festspielstadt geschickt genutzt. Mit 1,7 Millionen Passagieren im Vorjahr konnte er im Unterschied zu Linz das Niveau aus dem Jahr 2008 (1,81 Mio.) ungefähr halten. Der bilanzielle Überschuss 2024: rund 10 Millionen Euro. Dass ein wagemutiger Milliardär wie Dietrich Mateschitz in Oberösterreich auftaucht und den Linzer Flughafen mit neuen Attraktionen wachküsst, ist eher unwahrscheinlich.
Investoren wachen auf
Ist die Zeit der Regionalflughäfen also vorbei? Nein, sagt der Unternehmensberater Stefan Höffinger, der in einer aktuellen Studie die wirtschaftlichen Potenziale von Regionalflughäfen untersucht hat. Allerdings, so Höffinger, tun sich manche Airports wie Linz schwer, sie zu auch nutzen. Eigentümer sollten strategisch und klug investieren, anstatt Dividenden aus den Flughäfen zu ziehen. Höffinger nennt den Flughafen Memmingen im Allgäu dafür als Vorzeigebeispiel. Dank des starken Fokus auf Billigfluggesellschaften und eines ausgewogenen Ansatzes bei Reisezielen konnten die Passagierzahlen in den vergangenen zehn Jahren deutlich gesteigert werden. Am Beispiel Memmingen sehe man auch, dass das Investoren-Interesse wachse. Während Österreichs Regionalflughäfen in öffentlichem Besitz sind, gehören zwei Drittel des Flughafens in Oberbayern privaten Unternehmern. Diese Entwicklung hin zur Privatisierung oder Teilprivatisierung könnte bei prekären Pisten Schule machen. Denn geht es nach der Europäischen Union, sollen ab 2027 Subventionen für Regionalflughäfen komplett verboten werden. Peter Adrian, Unternehmer und Präsident der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK), rät den Regionalflughäfen, sich zusammenzuschließen und zu privatisieren. Über sein Unternehmen Triwo hat er in den vergangenen zwei Jahrzehnten sechs Flugareale gekauft und verdient damit auch Geld. 2023 kaufte er den erwähnten Pleiteflughafen Frankfurt-Hahn. Dort setzt er in starker Kooperation mit Ryanair-Boss Michael O’Leary auf die Billigflugschiene. Auf diese Strategie setzt man auch am Flughafen Linz: Von dort aus steuert der irische Billigflieger nicht nur London regelmäßig an, sondern seit diesem Sommer auch die Urlaubsziele Bari in Italien und Alicante in Spanien. „Es sind schwierige Verhandlungspartner, aber wir haben gesehen, dass dieses Segment für die Belebung eines Flughafens enorm wichtig ist“, sagt Draskovits.