Urgestein der Wirtschaft
Inhalt
- Salz der Erde
- Adipositas wird „gewichtiger“
- Von 0 auf 59 Prozent Exportanteil
- Wärmepumpe seit 1850
- Älteste Pipeline der Welt
Ehrfurcht und Stolz – das sind die Worte des CEO der Salinen Austria AG Peter Untersperger, wenn er beschreibt, wie es ist, für eines der ältesten Unternehmen der Welt zu arbeiten. Wobei man natürlich über den Unternehmensbegriff diskutieren kann, denn die offizielle Gründung erfolgte erst im 15. Jahrhundert. Das „weiße Gold“ selbst ist dabei 250 Millionen Jahre alt und prägte die gesamte Region, das sprichwörtliche Salzkammergut. Nirgendwo sonst auf der Welt wird so lange durchgehend Salz abgebaut. Davon zeugen auch Ortsnamen wie Hallstatt oder Hallein, beides Unternehmens-Standorte. Hall, so lautet ein lange und weit verbreiteter Irrtum, bedeutet dabei nicht das keltische Wort für Salz. „Hall“ bezeichnet den Ort der Salzgewinnung, wie auch Bad Reichenhall oder Hall in Tirol. Wie ohnehin das Bild der Salzgewinnung und das Produkt an sich in der breiten Öffentlichkeit ein wenig verzerrt zu sein scheinen. „Man spricht meistens bloß von Speise- und Wintersalz. Doch diese Sektoren machen nur je 25 Prozent unserer Produktion aus“, klärt Peter Untersperger auf.

Salz der Erde
Ein ebenso großes Produktsegment ist Tablettensalz für die Wasserreinigung, das in ganz Europa verkauft wird. Die Nachfrage steigt massiv, daher „werden wir in den nächsten fünf Jahren die Produktion verdoppeln“. Auch die Industrie benötigt Salz. In 70 Prozent aller Chemieprodukte steckt das weiße Gold. „Chlorsalz oder Natriumlauge werden ebenfalls europaweit exportiert. Kaliumsulfat hingegen geht als Dünger in die Lebensmittelbranche. Es wird in Glashäusern beim Gemüseanbau verwendet.“ Auch Poolsalz kommt aus Ebensee. Untersperger betont, dass man das Produkt stets neu erfinden muss. Selbst Speisesalz unterliegt einer ständigen Diversifizierung. Salz ist eben nicht Salz: „Wir haben kleinverpacktes Salz, Kräutersalz, Gewürzmischungen, Mühlenprodukte wie unsere neue Gewürzserie ‚Easy Spices‘ bis hin zum händisch geschlagenen Bio-Salz. Das wird nicht gewaschen und getrocknet und entspricht natürlichem, 250 Millionen Jahre altem Ursprungssalz. Es ist quasi unser Fleur de Sel.“ Ein Teil der 150 Millionen Euro, die in den nächsten fünf Jahren investiert werden, geht daher in den Verpackungsbereich. „Alles, was verpackt wird, bringt uns zusätzliche Wertschöpfung. Derzeit produzieren wir 700.000 Paletten verpackter Ware. Künftig sollen es 900.000 sein.“ Ein speziell abgepacktes Produkt bekam dabei besondere Aufmerksamkeit und sogar einen umstrittenen Award: Das „Bad Ischler Nudelsalz“ wurde 2023 zum „größten Werbeschmäh des Jahres“ gekürt. Untersperger kann darüber lachen: „Den Award habe ich vor mir. Interessanterweise hätten wir keine bessere PR bekommen können.“ Egal, in welcher Form: Speisesalz bleibt ein zentraler und wichtiger Baustein des Unternehmens wie auch des Lebens allgemein.
Adipositas wird „gewichtiger“
Nicht jedes Geschäftsfeld wächst so prächtig. Mit steigenden Temperaturen, bedingt durch den Klimawandel, sinken die Absatzzahlen für Wintersalz. „Vor 20 Jahren war Streusalz mit einem Anteil von mehr als einem Drittel unser Hauptprodukt. Wir sind uns seit Längerem im Klaren, dass wir in diesem Segment Rückgänge verzeichnen werden.“ Stark steigend hingegen – Untersperger meint sogar „leider stark“ – ist der Anteil von hochreinem Pharmasalz für Kochsalzlösungen oder beim Einsatz in der Dialyse. „Das wird angetrieben von der globalen Zunahme von Adipositas. Wir verkaufen es bis nach Südamerika oder Asien, auch dort werden die Menschen immer übergewichtiger.“ Alternativen wie Meersalz, das unter anderem durch Mikroplastik verunreinigt ist, sind für solche Anwendungen völlig ungeeignet.

Von 0 auf 59 Prozent Exportanteil
Die breite Palette an international gefragten Produkten hob den Exportanteil auf mittlerweile 59 Prozent. Vor der Privatisierung und dem Ende des Salzmonopols 1997 lag dieser bei null. Und man will weiter wachsen. Das bereits erwähnte 150-Millionen-Euro-Investitionspaket wird unter anderem in ein neues Trockengebäude investiert. Im Juli starten die Arbeiten. „Das ermöglicht die Produktion von bis zu 100 Prozent Trockensalz und eine Verdoppelung der Tablettenproduktion.“ Viel Geld fließt auch in den Energiebereich. 2022, am Höhepunkt der Energiekrise, musste die Produktion aus Kostengründen kurzfristig um 15 Prozent gedrosselt werden. „Wir sind einer der Top-5-Energieverbraucher in Oberösterreich. Strom ist mittlerweile nicht mehr das große Thema. Es geht bei uns vor allem um Dampf und damit um Gas.“

Wärmepumpe seit 1850
Wie viel Energie im Laufe der Geschichte bereits eingespart werden konnte, zeigt eine Berechnung von „Land schafft Leben“. Heute verbrauche die Produktion nur mehr ein Vierzigstel im Vergleich zum 19. Jahrhundert. Statt Gas wurde damals Holz eingesetzt. Ein Grund, warum vor über 400 Jahren die Saline von Bad Ischl ins waldreiche Ebensee verlegt wurde. Der Holzverbrauch war so enorm, dass der Großteil des Waldbestands rund um den Traunsee bereits Mitte des 19. Jahrhunderts fast komplett abgeholzt war. Peter Ritter von Rittinger hatte etwas dagegen. Er erfand 1850 den Verdampfungsapparat. Ein Apparat, der heute unter dem Begriff „Wärmepumpe“ die grüne Energiewende anfeuert. Rittingers Versuch, Dampf zu komprimieren und ihn so zu erhitzen, scheiterte anfangs. Ablagerungen im Kessel verhinderten die Weiterleitung der Wärme. Um 1920 wurde der Belag chemisch entfernt und so setzte sich das Verfahren in der industriellen Salzproduktion langsam durch. 1951 wurde zuerst in Hall in Tirol, später in der Saline Ebensee eine Thermokompressionsanlage errichtet. Das aktuelle Investitionspaket will nun weitere Schritte in Richtung des ganz großen Ziels gehen: „Zero CO2“. Wie schon in der Geschichte bewiesen, soll das mit innovativen Lösungen wie industriellen Wärmepumpen, Geothermie, Speichertechnologie oder grünem Prozessdampf bewerkstelligt werden.
Älteste Pipeline der Welt
Innovation scheint den Menschen des Salzkammerguts ohnehin in die Wiege gelegt zu sein. Das zeigte sich nicht zuletzt durch eine Entdeckung, die ein Bergwerksbeamter aus Hallstatt 1846 machte. Johann Georg Ramsauer fand am Hallstätter Salzberg ein ausgedehntes Gräberfeld, das aus der Zeit von 800 bis 450 vor Christus stammt und die archäologische Welt in helle Aufregung versetzte. Der Fund war so sensationell, dass der schwedische Prähistoriker Hans Hildebrand die „Hallstattzeit“ zur offiziellen Zeitepoche machte. Die Funde, die von Ramsauer durch Zeichnungen akribisch dokumentiert wurden, gaben Aufschluss über das Leben und Schaffen der Menschen. So auch der Einsatz von in Gräbern beigegebenen innovativen Spezialwerkzeugen aus Eisen. Werkzeuge, die zur Salzgewinnung dienten. Letztere blieb lange harte Handarbeit, auch noch dann, als um 1100 die ersten Sudpfannen zum Einsatz kamen und damit erstmals Siedesalz in Österreich hergestellt wurde. 1595 gab Rudolf II. – das Unternehmen befand sich ab 1449 in kaiserlichem Besitz – den Auftrag zu einer Weltneuheit. Mit der Soleleitung, welche durch Nutzung des natürlichen Gefälles salzhaltige Sole vom Hallstätter Salzberg zur Saline nach Ebensee brachte, entstand die heute älteste aktive Industrie-Pipeline der Welt. Ganze zwölf Jahre baute man an ihr und ihre industriegeschichtliche Bedeutung ist so groß, dass sie zum UNESCO-Weltkulturerbe ernannt wurde. Ein Erbe, das in der Welterbe-Region überall sichtbar ist. Die Einwohner sind mit dem Salzbergbau verbunden und stolz darauf. Das Unternehmen fördert daher die Geschichte und Traditionen aktiv. „Das ist wichtig, auch im Sinne der Nachhaltigkeit. Wir unterstützen Salinen-Musikkapellen und viele Vereine, die mit traditionellem Bergbau und Archäologie zu tun haben.“ Auf diesem Erbe ausruhen, das betont der CEO mehrmals, darf man sich nie und so wird sich die Salinen Austria AG wie schon seit 7.000 Jahren – fast traditionell – immer wieder neu erfinden.
