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Schlummert in der Erde der schwedischen Bergbaustadt Kiruna Europas Zukunft? Experten sind sich uneinig.
Schlummert in der Erde der schwedischen Bergbaustadt Kiruna Europas Zukunft? Experten sind sich uneinig.
Schlummert in der Erde der schwedischen Bergbaustadt Kiruna Europas Zukunft? Experten sind sich uneinig.
Handout / AFP / picturedesk.com

Tricky 17

12.05.2025 um 11:02, Jürgen Philipp
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Der einstige Goldrausch im Wilden Westen ist heute „geerdet“. Diesmal findet er im „Wilden Osten“ statt. Der globale Kampf um seltene Erden hat viele Facetten.

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Seltene Erden – der Stoff, aus dem die Zukunft gemacht zu sein scheint. Dabei ist der Begriff bereits so verwirrend wie die derzeitigen Anstrengungen der westlichen Welt, sich dieser zu bemächtigen, denn sie sind weder selten noch sind sie Erden. Der exakte Begriff ist „Metalle der seltenen Erden“. Metalle wie Neodym oder Dysprosium, die etwa in E-Autos und Windkraftanlagen als Permanentmagneten für Bewegung sorgen. Europium und Terbium bringen Farbe auf unsere Bildschirme, Gadolinium wiederum braucht man in der Medizintechnik. Elemente, die durchaus häufig vorkommen und die in den Endprodukten oft nur in sehr kleinen Mengen zu finden sind. Dennoch soll sich bis 2030 die Nachfrage nach diesen 17 chemischen Elementen verfünffachen.
 

Weder Erden noch selten

Doch warum nennt man sie „selten“? Die Krux liegt in der Aufbereitung. Diese ist teuer und durchaus umweltschädlich. Und hier kommt China ins Spiel. Die Volksrepublik produziert rund 70  Prozent des Weltmarktanteils zum einen in eigenen Minen, zum anderen in denen afrikanischer Kooperationspartner. Dazu ist China Weltmeister in der Verarbeitung. Es produziert 90  Prozent aller Magneten auf Basis seltener Erden. Die meisten Raffinerien befinden sich in ­China. Bei der genauen Zahl hält sich die Volksrepublik bedeckt. In Europa ist diese überschaubarer. Aktuell gibt es genau eine in Estland und die wird vom kanadischen Konzern Neo Performance Materials betrieben.
 

Umkämpfte Ostukraine

Apropos Kanada: So wie einst Kriege um das schwarze Gold betrieben wurden, gibt es aktuell um seltene Erden inter­nationale Spannungen. Der Goldrausch des Wilden Westens switchte zu einem Lanthan-, ­Cer-,­­ Samarium- oder Europium-Rausch. Die USA wollen Kanada sogar zum 51.  Bundesstaat machen, Trump kündigte unverblümt an, die Nachbarn notfalls zu erobern. ­Kanada verfügt neben China über die größten schlummernden Vorkommen und hat auch das Know-how, dieses Potenzial zu heben. Auch auf Grönland schielt Trump. Die oft als „Schatzkammer der Arktis“ genannte Insel in Besitz Dänemarks verfügt über 25 der 34 in der EU als kritische Rohstoffe deklarierten Elemente, darunter das potenziell größte Vorkommen weltweit an schweren seltenen Erden, eben jenen, die eine Schlüssel­rolle bei der Erzeugung von Permanentmagneten spielen. Einen ersten Deal konnte die US-Regierung bereits mit der ­Ukraine vermelden. Neben seltenen Erden verfügen die Osteuropäer auch über Lithium, Kobalt und Titan. Sie kommen im sogenannten Lithiumgürtel vor, dem Teil der Ukraine, der von Russland besonders unter Beschuss genommen wird – die Region um Luhansk und Donezk. Der Deal sieht vor, dass die USA in Abbautechnologie und Raffinerien investieren. Im Gegenzug soll ein Investitionsfonds für den Wiederaufbau der Ukraine eingesetzt werden. Die Erlöse sollen sich die beiden Staaten teilen.
 

Kann der Rohstoff-Deal der USA mit der  Ukraine den Kriegsverlauf beeinflussen? Yulia Svyrydenko und Scott Bessent geben sich bei der Unterzeichnung optimistisch.
Kann der Rohstoff-Deal der USA mit der Ukraine den Kriegsverlauf beeinflussen? Yulia Svyrydenko und Scott Bessent geben sich bei der Unterzeichnung optimistisch.

Europa sucht einen Ausweg

Europa hinkt hinter den großen Wirtschaftsblöcken hinterher. Um von ­China unabhängiger zu werden, müsste man die großen Vorkommen von seltenen Erden in Schweden, Norwegen oder – wie erwähnt – Grönland anzapfen. Das ist auch Teil der EU-Strategie. Die Ironie dabei: Um die europäische grüne Wende zu schaffen, braucht man diese umweltschädlich produzierten Elemente. Zur Gewinnung benötigt man Radioaktivität oder Säuren, die vor allem das Grundwasser gefährden können. Dazu sind ­viele europäische Projekte zur Gewinnung der Elemente, wie etwa im deutschen Sachsen, wenig wirtschaftlich und aus Umweltsicht bedenklich. Die EU sucht daher noch einen Weg aus diesem Dilemma. Einer könnte sein, die Recyc­lingquote zu erhöhen. Hier ist Europa sogar technologisch führend, dennoch wird bisher nur rund ein Prozent aller seltenen Erden zurückgewonnen. Der Anteil könnte sich in den nächsten Jahren deutlich erhöhen, wenn etwa E-Autos der ersten Genera­tionen an ihr Lebensende kommen. Der zweite Lösungsweg, an dem in Europa gearbeitet wird, ist die Vermeidung des Einsatzes von seltenen Erden. Deutsche Unternehmen wie ZF oder Veekim entwickeln erfolgreich Motorentechnologie, die ohne diese Elemente auskommt. Noch ist eine Serienfertigung in weiter Ferne, weshalb es weiterhin ein globales Ringen um die begehrten 17 Elemente geben wird.
 

Lohnen sich Seltene-Erden-ETF?

Doch nun zur Gretchenfrage: Wie halten Sie es mit dem Spekulieren? Kann man als Privatperson mit seltenen Erden Geld verdienen? Die Möglichkeiten sind eingeschränkt und höchst riskant. Man kann nicht auf einzelne Elemente spekulieren, sondern nur im „Bündel“ über die Bergbau- und Abbaugesellschaften. So gibt es Seltene-Erden-ETF wie die größten ihrer Art: VanEck Rare Earth and Strategic Metals, iShares Essential Metals Producers oder Global X Disruptive Materials. Diese investieren in große Abbauunternehmen. Die Volumina sind noch relativ überschaubar und fast alle ETF in diesem Feld liegen im tiefroten Bereich. VanEck verlor von seinem Höchststand Anfang April 2022 (23,10 USD) kontinuierlich (April 2025: 6,95 USD). Die deutsche Stiftung Warentest empfiehlt diese Form des Investments daher nur bedingt und sieht sie als reine „Beimischung für Risikobereite“.

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