Direkt zum Inhalt
Der zweite Spielfilm von Alexandra Makarová: Perla.
Der zweite Spielfilm von Alexandra Makarová: Perla.
Der zweite Spielfilm von Alexandra Makarová: Perla.
thomas-bethge / iStock / Getty Images Plus, Stadtkino Filmverleih

Perla - Die radikale Sanftheit des Widerstands

13.05.2025 um 09:21, Friederike Ploechl
min read
Ein Film mit Echo. In ihrem Spielfilm erzählt Alexandra Makarová die Geschichte einer Frau zwischen Mutterschaft, Freiheit und politischer Unterdrückung.

Inhalt

Als Alexandra Makarová 2012 mit dem Schreiben des Drehbuchs zu „Perla“ begann, war ihre Frage zunächst eine sehr intime: Wie lebt eine Frau mit der Verantwortung für ein Kind und gleichzeitig mit dem Wunsch, eigene Wege zu gehen, auch wenn diese nicht immer zum Wohle des Kindes sind? Sie wollte eine Mutterfigur zeichnen, die jenseits des Klischees funktioniert, keine Heilige, keine Aufopfernde, sondern eine Frau, die liebt, zweifelt, sich widersetzt. Dass daraus ein Film wurde, der tief in die politische Geschichte Mitteleuropas eintaucht, konnte sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht ­wissen. ­Makarová kam selbst als Kind aus der ehemaligen Tschechoslowakei nach Wien. Die Themen von Fremdsein, Verlust, ­Identität und Erinnerung durchziehen den Film wie feine ­Risse im Lack einer nach außen stabil wirkenden Biografie. Perla, die Hauptfigur, ist Künstlerin. Mit ihrer Tochter Julia lebt sie in Wien, scheinbar angekommen – und doch nie ganz da. Einige Zeit später lernt sie Josef kennen. Man könnte von einer glücklichen Fügung sprechen, erweist er sich doch nicht nur als verständnisvoller Partner, sondern auch als liebevoller und verantwortungsbewusster Ersatzvater für Julia. Doch als plötzlich der leibliche Vater des Kindes aus der Tschechoslowakei mit ­Perla Kontakt aufnimmt, holt es die Künstlerin zurück in ihre Vergangenheit, die sie längst hinter sich glaubte. Es ist das Jahr 1981, ein Jahr politischer Starre und staatlicher Kon­trolle. Wer geht, verrät. Wer zurückkehrt, steht unter Verdacht.
 

Der Körper als Grenze

Perla wird in dieser Konfrontation mit ihrer alten Heimat gezwungen, ­Entscheidungen zu treffen, die nicht mit gängigen Vorstellungen von „guter Mutterschaft“ vereinbar sind. Sie liebt ihre Tochter und stellt dennoch das eigene Über­leben an erste Stelle. Sie will Freiheit und stößt dabei auf ein System, das Frauen kontrolliert, gängelt und gewaltsam zurückdrängt. ­Makarová stellt diese Dynamiken mit großer Genauigkeit dar, verzichtet auf Pathos, aber nie auf emotionale Tiefe. Besonders in der nächtlichen Grenzszene wird sichtbar, wie Gewalt gegen Frauen zum Instrument staatlicher Macht wird – still, kalt, systematisch.
 

Simon Schwarz, Schauspieler
Simon Schwarz, Schauspieler

Kunst als Widerstand

Die Figur der „Perla“ ist keine reine Projek­tion. Sie speist sich aus den Erinnerungen, Beobachtungen und Widersprüchen der Frauen in Makarovás Familie. Ihre Widerstandsfähigkeit, ihre Leidenschaft, ihre Widersprüche – all das floss in die Entwicklung der Figur ein. Auch die Kunst spielt eine zentrale ­Rolle: ­Perla malt, um zu überleben, um zu sprechen, wo Worte fehlen. Die Bilder im Film stammen von der renommierten Malerin Saša Makarová, der Mutter der Regisseurin. Ihre expressiven, farbstarken Leinwände verleihen dem Film eine zusätzliche visuelle Kraft.
 

Alexandra Makarová wurde 1985 in Košice geboren, das damals zur Tschechoslowakei ­gehörte und heute in der Slowakei liegt.

Privat und professionell

Von Anfang an war klar: Dieser Film würde keine Kompromisse eingehen. Die Regisseurin stellte ein Team zusammen, das mehrheitlich aus Frauen bestand – in zentralen Funktionen. Bei der „Diagonale“ wurde der Film gleich mit drei Preisen geehrt. Darunter neben dem Publikumspreis auch mit dem Preis für das Kostümbild. Einmal mehr war Monika Buttinger – eine gebürtige Oberösterreicherin – für die geniale modische Umsetzung verantwortlich. Auch wenn Simon Schwarz mit der Regisseurin verheiratet ist, übernahm er die Rolle des „Josef“ erst nach dem Casting. Er überzeugte durch sein sensibles Spiel. Am Set entstand eine professionelle Distanz, die beide schätzten. Schwarz beschreibt die Zusammenarbeit als harmonisch, betont aber auch die Intensität der intimen ­Szenen. Wie geht ein Ehepaar in einer Konstellation wie dieser damit um? Ab dem Moment, als Simon ans Set gekommen ist, hat Alexandra ihn nicht mehr als ihren Mann gesehen und die grandiose Zusammenarbeit genossen: „... weil Simon ein toller Schauspieler ist und sehr schnell umsetzt, was man ihm sagt. Intime Szenen sind mir generell unangenehm, das war schon beim Schreiben so, daher habe ich mir sehr genau überlegt, wo es diese Intimität braucht. Die Szenen, die im Film sind, sind absolut notwendig“. Und wie ging es Simon Schwarz damit? War es für ihn unangenehm? Simon Schwarz antwortet prompt: „Das ist es immer! Man muss schon ein Exhibitionist sein, damit man das lustig und angenehm findet.“ 

Monika Buttinger, Kostümbildnerin
Monika Buttinger, Kostümbildnerin

more