Neu durchstarten dank EU-Insolvenz
Michael Schwanhäuser, Senior Partner von JCMS & Associés in der Schweiz, hat sich auf EU-Insolvenz bzw. Treuhandschaften spezialisiert. Er sorgt mit seinem Team unter anderem für rasche Entschuldung im Konkursfall. Statt jahrelanger Abschöpfung kann eine Insolvenz bereits nach etwas mehr als einem Jahr abgeschlossen sein – Restschuldenbefreiung inklusive. Wie das funktioniert, erzählt er im Interview.
CHEFINFO: Aktuell sind viele Unternehmen von Insolvenz betroffen. Was können Sie für diese konkret tun?
Michael Schwanhäuser: Unsere Aufgabe besteht darin, betroffene Unternehmen so früh wie möglich in ein geordnetes, eigenverantwortlich initiiertes Insolvenzverfahren zu führen. Die Erfahrung zeigt, dass viele Unternehmer diesen Schritt zu lange hinauszögern, in der irrigen Annahme, ein nächster Auftrag oder eine kurzfristige Liquiditätsspritze werden die Krise abwenden. In Wahrheit manifestiert sich damit häufig bereits der Tatbestand der Insolvenzverschleppung, der nicht nur zivil-, sondern auch strafrechtliche Folgen nach sich ziehen kann. Es ist eine ernüchternde Tatsache, dass in nahezu jeder Insolvenz – von Ausnahmen abgesehen – ein strafrechtlich relevanter Aspekt vorhanden ist. Dieser Umstand beruht selten auf Vorsatz, vielmehr regelmäßig auf fehlender rechtlicher Kenntnis.
Wie kann man diese lange Zeit nun abkürzen?
Schwanhäuser: Das europäische Insolvenzrecht eröffnet durch Verfahren in Irland oder Spanien die Möglichkeit, binnen etwa 18 Monaten eine vollständige Restschuldbefreiung zu erlangen. Die Voraussetzung hierfür ist eine Verlagerung des Wohnsitzes in den jeweiligen Mitgliedstaat. Der entscheidende Vorteil liegt darin, dass die Rechtskraft solcher Verfahren unionsweit anerkannt wird. So ist beispielsweise Österreich verpflichtet, eine in Irland durchgeführte Restschuldbefreiung binnen acht Wochen anzuerkennen. Unterbleibt dies, steht dem Betroffenen ein unionsrechtlicher Klaganspruch gegen die Republik offen. Nach Abschluss des Verfahrens werden – etwa in Irland – sämtliche Daten aus den einschlägigen Schuldnerregistern gelöscht, sodass die wirtschaftliche Handlungsfähigkeit des Betroffenen unverzüglich wiederhergestellt ist. Diese rechtlichen Möglichkeiten sind jedoch in der Praxis nur unter Einbeziehung spezialisierter Begleitung realisierbar, da es nicht allein um die Antragstellung, sondern auch um die gesamte organisatorische und rechtliche Absicherung des Verfahrens geht.
In Österreich sind Insolvenzen immer noch tabuisiert und schambehaftet. Ist das ein Grund für die vielen Verschleppungen?
Schwanhäuser: Die gesellschaftliche Tabuisierung der Insolvenz ist in der Tat ein wesentlicher Faktor. Vergleichbar dem notwendigen, wenngleich oftmals unangenehmen Gang zum Arzt, ist auch das rechtzeitige Aufsuchen insolvenzrechtlicher Beratung ein Akt verantwortungsvoller Selbstvorsorge. Eine Insolvenz ist kein moralisches Versagen, sondern häufig die Folge struktureller Markt- und Banken-Entscheidungen. Nach den Vorgaben von Basel III und Basel IV rückt die Frage nach nachhaltigem Cashflow in den Vordergrund, während materielle Sicherheiten zunehmend in den Hintergrund treten. Selbst wer substanzielle Vermögenswerte besitzt, kann daher mit einer abrupten Kreditkündigung konfrontiert werden. Umso wichtiger ist es, frühzeitig geeignete gesellschaftsrechtliche Anpassungen vorzunehmen – etwa die Umwandlung einer GmbH in eine KG oder die Überführung einer KG in ein Einzelunternehmen –, um sowohl zivilrechtliche als auch strafrechtliche Risiken abzufedern. Entscheidend bleibt stets, dass ein klares Ziel formuliert wird und die Bereitschaft besteht, rechtlich fundierte Hilfe anzunehmen.