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WAKOLBINGER

Firmen wandern schon still und heimlich ab

07.10.2023 um 08:00, Klaus Schobesberger
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Doris Hummer, Präsidentin der Wirtschaftskammer Oberösterreich, bereitet die Untätigkeit der Regierung angesichts schlechter Konjunkturdaten Sorge.

Politische Brandbeschleuniger, die den Menschen erzählen, dass wir alle nur noch 32 Stunden arbeiten müssen, und alles ist gut, kann ich nicht ernst nehmen.

Doris Hummer, Präsidentin der Wirtschaftskammer Oberösterreich

Die Konjunkturprognosen zeigen nach unten. "Ein Jahr zum Vergessen", sagt WIFO-Chef Felbermayr. Stimmen Sie zu?
Ja, wir stecken aktuell in einer Rezession. Aber zu sagen, das Jahr ist zum Vergessen, bringt uns nicht weiter. Viel wichtiger ist es, die Auslöser und Verstärker dieser Krise genau zu identifizieren und gezielt an Lösungen zu arbeiten. Krisen können und sollten immer auch als Chancen gesehen werden. Bestes Beispiel dafür ist die ökologische Transformation. Noch nie wurde – nicht zuletzt aufgrund der hohen Preise für Energieimporte – so viel in den Ausbau erneuerbarer Energieträger investiert. Wir wollen uns unabhängiger von fossilen Brennstoffen aus dem Ausland machen und damit einerseits die Resilienz der heimischen Wirtschaft stärken und andererseits einen Beitrag zu einer sauberen Umwelt leisten.

Themen wie „Zurück zur Normalität“ oder „Bargeld in die Verfassung“ beherrschten den Sommer. Erkennt die Politik nicht den Ernst der Lage?
Dieser Eindruck entsteht anhand der genannten Beispiele tatsächlich. Daher werden wir alles dafür tun, dass die Politik die Probleme der Menschen und Unternehmen sieht und Maßnahmen setzt. Denn nur das Erkennen von Problemen reicht nicht. Wir brauchen jetzt zum Beispiel Entlastungspakete – Stichwort mehr Netto vom Brutto, eine Arbeitsmarktreform inklusive Zuwanderung in den Arbeitsmarkt und Investitionsanreize. Firmen wandern schon still und heimlich ab, indem sie nicht mehr in Oberösterreich wachsen, sondern dort investieren, wo Energie und Arbeitskräfte vorhanden sind. Das sollte uns allen Sorgen machen.

Doris Hummer

Die Regierung hat ihr Pulver weitgehend verschossen. Was sollte sie jetzt angehen?
Es war notwendig und richtig, dass die Bundesregierung in den Krisen durch Unterstützungsmaßnahmen eingegriffen hat. Jetzt ist es aber Zeit, den Fokus auf die Zukunft zu richten. Wir müssen weg von den „Reparaturförderungen“, hin zu nachhaltigen Struktur- und Entwicklungsförderungen. Mit einer Investitionsprämie Neu – nach dem Vorbild der von mir initiierten Corona Investitionsprämie – können wir einerseits der schwachen Konjunktur – für heuer wird laut WIFO ein BIP-Wachstum von 0,3 Prozent erwartet, für 2024 von 1,4 Prozent – wirksam entgegentreten und andererseits durch gezielte Schwerpunktsetzung – höherer Fördersatz für Projekte im Bereich Ökologisierung und Digitalisierung – wichtige Zukunftsinvestitionen für den Wirtschaftsstandort anregen.

Nach einigen spektakulären Pleiten: Erwarten Sie Schlimmeres?
Die Zahl der Unternehmensinsolvenzen lag im ersten Halbjahr 2023 nur leicht über dem Niveau von vor Corona 2019. Eine große Pleitewelle sehen wir nicht. Richtig ist, dass die Bauwirtschaft nach Boomjahren einen massiven Rückgang der Aufträge erlebt. Die Gründe sind gestiegene Preise, erhöhte Kreditzinsen und der erschwerte Zugang zu Wohnbaufinanzierungen.

 

Wir fordern von der Politik eine rasche Erleichterung, sonst droht uns ein wirtschaftlicher Tsunami in der Bauwirtschaft.

Doris Hummer, Präsidentin der Wirtschaftskammer Oberösterreich

Deutschland ist in einer Rezession. Wie wirkt sich das auf uns aus?
Kein anderes Bundesland ist wirtschaftlich so stark mit dem Ausland verflochten wie Oberösterreich. 36 Prozent unserer Exporte gehen nach Deutschland. Ein wirtschaftlich schwaches Deutschland hat daher spürbare negative Auswirkungen auf die oberösterreichische Wirtschaft. Diese recht starke Abhängigkeit von einem Nachbarland zeigt uns aber auch, wie wichtig es ist, in Zukunft noch mehr Exportmärkte zu finden.

Im Herbst stehen harte Lohnverhandlungen an. Das WIFO schlägt vor, Lohnabschlüsse zeitlich zu strecken. Wäre das ein gangbarer Weg?
Wir brauchen eine gute Balance. Einerseits soll die Kaufkraft der Konsumenten erhalten bleiben, davon profitiert schlussendlich auch die Wirtschaft. Andererseits sind Löhne und Gehälter ein wesentlicher Kostenpunkt für Unternehmen, die diese wiederum nur durch höhere Preise decken können. Wenn wir die hohe Inflation nachhaltig in den Griff bekommen wollen, müssen beide Seiten ihren Beitrag leisten. Eine Streckung – also ein voller Ausgleich der Inflation, aber nicht sofort – könnte hier eine wirksame Option sein. Zentral ist auch die Steuerfrage, also wie wir mehr Nettoerhöhungen ermöglichen.

 

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