Education under Violation
Inhalt
Wer die Stanford University in Kalifornien besucht, entdeckt schnell einen deutschen Spruch: „Die Luft der Freiheit weht“ steht da im Siegel. Eine Reminiszenz der Stanford-Gründer an die Humboldt‘sche Universitätsidee. Diese besagt in ihren Grundzügen, dass die Universität ein freier Ort sein soll, um autonome Weltbürger hervorzubringen. Auch Donald Trump hat deutsche Wurzeln, aber gänzlich andere Ideen. Er ist kein Freund von freien Universitäten und macht daraus kein Hehl. Bei seinen Wahlkampfauftritten wiederholte er immer wieder: „I love the poorly educated.“ Eine Liebeserklärung an die MAGA-Welt. Tatsächlich erreichte Trump 2024 55 Prozent der Menschen ohne Hochschulabschluss (Kamala Harris: 43 %). Umgekehrt das Bild bei Akademikern. Hier hatte Harris mit 56 Prozent die Nase vorn (Trump: 41 %). Die Kluft ist unübersehbar. Für den Geschäftsführer der FH OÖ FH-Prof. Michael Rabl ist das kein Wunder. „Wir müssen nur in die jüngere Geschichte schauen. In der Türkei wurden nach Erdogans Machtübernahme als Erstes alle Universitätsprofessoren entlassen und zum Teil in die Gefängnisse gesteckt. Wir sehen das in Ungarn, wo man versucht, eine eigene Realität zu erschaffen, die der Wissenschaft widerspricht. Wissenschaft schafft begründbare Fakten. Universitäten als alteingesessene Institutionen haben eine gewisse Macht in der Gesellschaft und sie sind vor allem der Wahrheit verpflichtet. Wissenschaftler legen dazu eine Gelöbnisformel ab und die stellt eine gewisse Gefahr für autoritäre Regime dar. Trump ist ein weiteres Beispiel dafür, noch dazu, wo mit dem ‚Project 2025‘ Checks and Balances ausgehebelt werden sollen.“

Fake versus Fakten
Diese Wissenschaftsfeindlichkeit zieht sich in den USA seit Jahren schleichend durch. Während der Anteil junger Menschen in den USA zwischen 2010 und 2024 leicht stieg, sank die Zahl der Studierenden. Zählten die Vereinigten Staaten 2010 noch 21 Millionen Studierende, sind es aktuell knapp unter 18 Millionen. Miteingerechnet sind Studierende aus dem Ausland. Mit 1,1 Millionen aus fast allen Ländern der Welt wurde 2023/24 ein All-Time-High erreicht. Diese Zahl könnte sich nun deutlich verringern. Nachdem die US-Regierung Hunderte Studierenden-Visa annulliert hat, nahm sie diese Maßnahme wieder zurück, um sie dann wieder einzusetzen. Aktuell scheinen bis zu 1.700 solcher Visa nun entzogen worden zu sein. Die Verunsicherung ist groß. Dazu häufen sich Berichte von Studierenden und akademischem Lehrpersonal, die von der US-Behörde ICE (Immigration and Customs Enforcement) abgeschoben oder des Landes verwiesen wurden. Fälle wie jener der Assistenzprofessorin Rasha Alawieh, die in den Libanon abgeschoben wurde, oder jener des Pro-Palästina-Aktivisten und Doktoranden Mahmoud Khalil sorgten landesweit für Aufsehen und Proteste. Auch der Fall einer türkischen Studentin, die auf offener Straße festgenommen wurde, ging viral. Passanten riefen die Polizei, weil sie dachten, die Frau sei entführt worden.
DEI has to die?
Doch nicht nur Studierende, Forschende und Professoren bekommen Trumps Haltung zu spüren, auch die Universitäten selbst. An der Columbia University, Zentrum von pro-palästinensischen Protesten, wurden 300 Studierenden die Visa und der Universität 400 Millionen US-Dollar an staatlicher Förderung entzogen. Selbiges wiederholte sich mit der Universität Harvard. Die Elite-Uni wurde 1636 gegründet, ist also älter als der Staat selbst. Fördergelder in Milliardenhöhe, unter anderem für die Krebsforschung, wurden eingefroren und ein Forderungskatalog der US-Regierung wurde erstellt, unter anderem geht es darin um die Beendigung von DEI-Programmen (Diversity, Equity and Inclusion) sowie um das Mitspracherecht der Regierung bei der Besetzung von Professuren und um Eingriffe in das Curriculum. Harvard protestierte massiv und klagt nun Trump. Dieser couragierte Akt rief nun weitere hundert Universitäten auf den Plan. Sie veröffentlichten gemeinsam einen offenen Brief gegen die „beispiellose staatliche Bevormundung und politische Einflussnahme“.
Einschüchterungspolitik
Christoph Irmscher, Mitglied der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) und Forscher an der Indiana University Bloomington, berichtet in einem Interview mit der ÖAW von der Lage vor Ort. Drohungen und Repressionen würden eine langfristige Planung unmöglich machen. Es gäbe zum Teil Verbote der öffentlichen Meinungsäußerung zwischen 23 und 6 Uhr und protestierendes Lehrpersonal müssen mit Aktenvermerken rechnen. Dazu würde die Androhung der Abschaffung der Steuerfreiheit für Unis diese massiv gefährden. „Förderer geben nur Geld, wenn es steuerlich absetzbar ist“, sagt Irmscher zur ÖAW. Die Attacken gegen Columbia und Harvard seien für Irmscher Teil der politischen Strategie: „Es geht darum, ein Klima der Angst zu schaffen.“ Sollten die Universitäten in den USA das Recht verlieren, internationale Studierende aufzunehmen, wäre das für viele Universitäten existenzbedrohend. ÖAW-Präsident Heinz Faßmann will reagieren: „Ich halte es für moralisch gerechtfertigt, Kollegen, die jetzt nicht mehr forschen können oder behindert werden, eine neue Möglichkeit in Österreich zu geben.“

Österreich buhlt um US-Talente
Auch die österreichische Bundesregierung hat sich des Themas angenommen. Wissenschaftsministerin Eva-Maria Holzleitner will US-Studierenden und -Professoren „einen sicheren Hafen“ bieten. Unter dem Schlagwort „Opportunity Hiring“ sollen heimische Universitäten mehr Möglichkeiten haben, akademisches Lehr- und Forschungspersonal aus den USA ins Land zu bringen. Bisher war der Anteil von „Paragraf-98-Professuren“ (Anstellungen ohne Ausschreibungen) auf fünf Prozent begrenzt. Nun sollen weitere fünf Prozent, ausschließlich für US-Bürger, folgen. Dazu muss aber das Universitätsorganisationsgesetz geändert werden. Michael Rabl begrüßt das: „Die Demografie und die Entwicklung im Hochschulraum brauchen zusätzliche Bewerber aus Nicht-Österreich, sonst können wir den Fachkräftemangel nicht abdecken.“ US-Amerikaner seien daher willkommen. Allzu große Hoffnungen auf einen „Run“ macht sich aber Rabl nicht: „Wir haben am europäischen Kontinent einen Krieg. Das Thema ‚Sicherheit‘ spielt eine große Rolle, weil vor allem bei Studierenden die Eltern noch stark involviert sind.“ Bisher nehmen vor allem US-Studierende in Österreich nur eine geringe Rolle ein. „An der FH OÖ hatten wir 2024/25 in Summe 21 Studierende und Professoren aus den USA. 2025/26 wird das etwa in derselben Größenordnung liegen.“ Rabl selbst kennt die US-Bildungs- und Forschungslandschaft, hat in den USA studiert und war ein halbes Jahr in einem internationalen Forschungsteam an der UCLA. Dort arbeitete er auch mit chinesischen Forschern zusammen. „Diese haben China verlassen, weil genau vorgegeben wurde, an was geforscht werden darf. Dazu kam die brutale Niederschlagung der Proteste an der City University of Hong Kong.“ Überall, wo autoritäre Regime an die Macht gekommen sind, stehen Forschung und Wissenschaft am Pranger. Während des Naziregimes hat die Wissensgesellschaft Europa verlassen. Österreichstämmige Nobelpreisträger wie Otto Loewi, Erwin Schrödinger, Viktor Franz Hess, Martin Karplus oder die Enrico-Fermi-Preisträgerin Lise Meitner verließen das Land und kamen im Exil zu Ruhm und Ehre. Ein Brain-Drain, der lange nachwirkte. Ob es zu diesem Brain-Drain in den USA kommen wird, weiß nicht einmal das Universum, das laut Einstein neben der menschlichen Dummheit zu den zwei Dingen gehört, die unendlich zu sein scheinen. Wie bekannt, war er sich beim Universum aber nicht so sicher.