Digitale Machete
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Bürokratie wird oft mit einem Dschungel verglichen: Zugewachsen, undurchsichtig und schwer zu durchdringen. Software und digitale Tools könnten – um im Bild zu bleiben – die Machete sein, die Licht in dieses Dickicht bringt. Es ist ausgerechnet die viel gescholtene deutsche Bundesregierung, die in diesem Fall voranprescht. Bundesjustizminister Marco Buschmann von der FDP will mit dem Entwurf des Bürokratieentlastungsgesetzes Bürgern und Unternehmen bürokratischen Ballast abnehmen. Im Zentrum steht die vermehrte Digitalisierung der Prozesse. Buschmann will den Entwurf auch auf europäischer Ebene diskutieren. Doch während diskutiert wird, wurden Softwarehersteller und IT-Unternehmen bereits aktiv. Sie finden Lösungen für die aktuell brennendsten Fragen wie Taxonomie-Verordnung oder Lieferkettengesetz.
CSDDD leicht gemacht
Das Wiener Startup Prewave hat sich ganz der neuen europäischen Lieferkettenrichtlinie CSDDD verschrieben. Prewave hat dabei einen gewissen Vorsprung, denn man war schon bei der Umsetzung nationaler Gesetzgebungen in Deutschland, der Schweiz und Norwegen mit an Bord. Die KI des Unternehmens setzt dabei nicht auf eine -Totalüberwachung aller Lieferanten, sondern auf einen „gezielten risikobasierten Ansatz“, wie Co-Gründer Harald Nitschinger in einem Kommentar auf brutkasten schreibt. „Das Monitoring konzentriert sich auf die wichtigsten Segmente innerhalb einer Wertschöpfungskette. Dies sind Bereiche, die sowohl für Nachhaltigkeitsverstöße anfällig sind, besonders kritisch für den Betrieb und auch von Unternehmen beeinflusst werden können.“ KMU, die nicht unter das CSDDD fallen, als Zulieferer aber von diesen bürokratischen Hürden betroffen sind, rät er zur Pragmatik. Nitschinger fordert Branchenlösungen und will „Whitelisting“ ermöglichen, die das zeitraubende Ausfüllen von Fragebögen ersetzen könnte.
KI vs. DORA
Eine solche Branchenlösung hat ebenfalls ein Wiener Startup im Programm: ReeBuild. Administrative Tätigkeiten in der Bauwirtschaft sollen mit KI automatisiert und so die Zettelwirtschaft beseitigt werden. ReeBuild spricht von einer Reduktion des Verwaltungsaufwandes von 70 Prozent. Außerdem sollen -Fehler bei der Übertragung von Daten verhindert werden. Die ebenfalls stark von Bürokratie betroffene Bankenlandschaft soll durch ein Joint-Venture von PwC und dem KI-Unternehmen Aleph Alpha entlastet werden. Banken müssen bis Jänner 2025 die DORA-Verordnung umsetzen. Dabei müssen Tausende bestehende Verträge geprüft werden, ob sie DORA-konform sind. Das Joint Venture namens Creance übernimmt das für sie.
Die meisten Daten sind schon da
Dass es nicht unbedingt neue Software oder digitale Tools braucht, um geforderte Daten zu finden bzw. auszuweisen, zeigt BMD in Steyr. Der Marktführer bei Buchhaltungssoftware zeigt auf, dass der Datenschatz nur verborgen ist, wie Geschäftsführer Markus Knasmüller erzählt: „Wir können Bürokratiehürden mit Software überwinden, etwa bei den ESG-Kriterien.“ BMD hat dazu ein eigenes ESG-Tool entwickelt und in Finanz-online eingebunden. „Es führt die Unternehmen durch den Prozess und man bekommt sofort die Bewertungen. Damit weiß man immer, wo man steht.“ So müssen etwa Flugkilometer und Druckseiten ausgewiesen werden bzw. deren CO2-Footprint. Wo die Unternehmen diese Daten hernehmen? „Man findet sie meistens schon in den Warenwirtschaftssystemen, in der Finanzbuchhaltung oder der Lohnverrechnung. Man kann diese Daten in einem Lauf erheben. Bestelle ich als Unternehmen ein Flugticket, sehe ich bereits den CO2-Ausstoß am Ticket und kann das sofort erfassen. Wenn man das später suchen muss, findet man das meist schwer und verliert viel unproduktive Zeit.“
Riesiges Potenzial
Neben den Umweltaspekten (das „E“ in ESG) geht es aber auch um das „S“, die soziale Verantwortung. „Das lässt sich sehr leicht aus der Lohnverrechnung herauslesen. Werden die Mitarbeiter gut bezahlt? Wie sieht es mit der Chancengleichheit aus? Sind Frauen und Männer gleichgestellt?“ Aktuell erweitert BMD sein ESG-Tool, um weitere Felder abzudecken. „Software hat unheimlich großes Potenzial, um bürokratische Hürden zu überwinden.“ Auch die Lieferkettenthematik ließe sich zum Teil durch Daten aus der Finanzbuchhaltung abfedern. Allerdings ist noch nicht klar, welche Daten man bei ESG oder Lieferkette genau braucht. „Die börsennotierten Unternehmen sind demnächst schon dran, wir erst ab 2026. Der Gesetzgeber bleibt oft sehr vage, als Softwarehersteller müssen wir aber viel genauer sein, da die Software Gesetzeskonformität garantieren muss.“ Somit sind Software und digitale Tools, welche den bürokratischen Aufwand erleichtern sollen, erst recht wieder von Bürokratie abhängig.