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Die 180 ältesten Betriebe
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Die 180 ältesten Betriebe Oberösterreichs

13.06.2025 um 08:54, Melanie Rainer
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CHEFINFO rankt die 180 ältesten Unternehmen Ober­österreichs – je zehn aus allen 18 Bezirken. Zusammen sind sie über 40.000  Jahre alt.

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Wenn US-Touristen das ­Weisse Rössl am Wolfgang­see besuchen, dann tun sie das an einem Platz, an dem schon seit 1412 Gäste bewirtet werden. 80  ­Jahre früher, bevor Kolumbus auf die US-Küste traf. Im Vergleich zur Salinen Austria AG ist das Hotel direkt jung. Das Unternehmen wurde zwar erst 1925 ­offiziell gegründet, die Wurzeln des Salzabbaus in Hallstatt liegen jedoch 7.000  Jahre zurück. Der systematische Abbau begann ca. 2.000 vor Christus. Es ist daher eines der ältesten ­Unternehmen weltweit. Der „Titel“ des tradi­tionsreichsten Familienbetriebs in Oberösterreich geht an die Gerberei von Christian Kölblinger. Das Ledererhaus in Nußdorf am Attersee wurde bereits um 1200 urkundlich erwähnt. Bis heute befindet sich das Unternehmen am selben Standort. Auf den weiteren Plätzen folgen die Hofstettner Brauerei, die älteste Österreichs, mit Gründungsdatum 1229, sowie das Gasthaus Mayr aus St.  Ulrich, das seit 1313 für ­seine Gäste aufkocht und sie beherbergt. Unternehmen, welche die Pest überstanden und Bauernaufstände, die Reformation, den Dreißigjährigen Krieg, die Aufklärung, die Französische Revolution, die Indus­trialisierung, die Weltwirtschaftskrise von 1929, zwei Weltkriege, den Wirtschaftsaufschwung der 1950er und 1960er Jahre sowie eine Pandemie erlebten. 
 

Rechnet man die Halbwertszeit des Wissens in der IT-Branche mit ein,  wäre die 1980 gegründete EVG heute bereits über 400 Jahre alt.
Rechnet man die Halbwertszeit des Wissens in der IT-Branche mit ein, wäre die 1980 gegründete EVG heute bereits über 400 Jahre alt.

Ein Quartal = 25 Jahre

Gibt es mehr als eine gemeinsame Geschichte und das Überstehen von Krisen, was Traditionsbetriebe aus allen Branchen vereint? Gibt es gar eine gemeinsame DNA? Stephan ­Blahut, der Generalsekretär des Österreichischen Gewerbevereins (ÖGV), unter ­dessen Dach der „Club der Traditionsbetriebe“ beheimatet ist, ist sich dessen sicher: „Alle verbindet die Hingabe zum Betrieb. Das hat natürlich mit Eigentümerschaft zu tun, aber es schwingen immer unausgesprochene Aufgaben mit. Man erwartet von der 16. Generation, dass sie den Betrieb weiterführt und für die 17., 18. usw. vorbereitet. Da geht man anders mit dem Betrieb um.“ Zudem seien diese Unternehmen meist mit dem Ort, der Stadt und den Menschen verwurzelt, und noch etwas kommt hinzu: „Es gibt einen schönen Spruch: Der Unterschied zwischen einem börsennotierten Konzern und einem familiengeführten Traditions­unternehmen ist die Definition von Quartal. Für den einen sind es drei Monate, für den anderen 25 Jahre.“
 

Vom Brauen zu Frauen

Das können wohl alle 180 hier aufgeführten Unternehmen unterschreiben. Viele von ihnen sind ihren Geschäftszweigen treu geblieben, vor allem Gasthäuser oder Mühlen, einige jedoch änderten (mehrmals) ihr Geschäftsmodell und sogar manches Hightech-Unternehmen kann auf uralte Wurzeln verweisen. Ein solches ist GE ­HealthCare in Zipf. Was hat die Brauerei Zipf mit ­Frauengesundheit und Banken zu tun? Es war der Wiener Bankier Franz Schaup, der 1858 die Brauerei gründete. Paul Kretz, Urenkel von Franz Schaup, sollte später in leer stehenden Räumen der Brauerei Technologiegeschichte ­schreiben. Nur am Rande mit der Bierherstellung – er schweißte unter anderem Flaschenträger aus Stahl – beschäftigt, entdeckte er in den 1950er Jahren die Sonartechnologie für sich, um damit Risse in Stahlprodukten zu erkennen. 1962 kam es zu einer schicksalhaften Begegnung. Der ­Wiener Frauenarzt ­Alfred Kratochwil setzte Paul Kretz einen Floh ins Ohr. Könne man die Technologie nicht auch nutzen, um mittels Ultraschall Schwangere zu untersuchen, um lebensbedrohliche Fehllagen frühzeitig zu erkennen? Man konnte, allerdings war es eine „schwere Geburt“. Erst 1989 gelang es den Pionieren, ein serienreifes 3D-Ultraschallsystem zu präsentieren. Das Unternehmen aus der 600-Seelen-Gemeinde stand ­schlagartig im Rampenlicht einer Milliardenindustrie. 
 

Stethoskop vor der Ablösung?

Seit 2001 ist die ehemalige Kretztechnik  AG mit ihren Wurzeln ins Jahr 1858 in Besitz von GE HealthCare. Der US-Gigant setzt nach wie vor auf den traditionsreichen Standort. Einer von 40  weltweit, der in Zipf 400 seiner 53.000  Mitarbeiter beschäftigt. 400  Menschen aus 27 Nationen – 170 davon in der Forschung – arbeiten dort. Heute setzt man mit wassergekühlten Ultraschallsonden 8.000 statt der bisher 200 Piezokristalle ein und schafft damit bisher völlig neue Untersuchungsmöglichkeiten. „Normalerweise sind bei Ultraschallgeräten mechanische Sonden mit einem Motor beziehungsweise einem Transducer im Einsatz. Wir haben die erste vollelektronische Sonde entwickelt und gebaut“, erzählt Günther Hüll, Standortleiter bei GE HealthCare in Zipf. Zehn Jahre Entwicklungsarbeit und sehr viel Kapital sind in die Innovation geflossen. „Der Anspruch dieses Geräts ist nichts weniger, als das Stethoskop abzulösen.“ Hohe Ansprüche setzt GE HealthCare in Zipf auch an die nachhaltige Produktion. Der Standort ist der erste emissionsfreie des Konzerns in Europa. 
 

Der Urgroßvater von Paul Kretz gründete 1858 die Brauerei  Zipf. Der Urenkel hingegen sollte mit der Erfindung des  Ultraschallgeräts die Frauengesundheit revolutionieren.
Der Urgroßvater von Paul Kretz gründete 1858 die Brauerei Zipf. Der Urenkel hingegen sollte mit der Erfindung des Ultraschallgeräts die Frauengesundheit revolutionieren.

Nach 45 Jahren schon „traditionell“?

Hochtechnologisch geht es auch in St.  Florian am Inn zu. Nicht zuletzt durch die rasante Entwicklung von KI steht die Halbleiter- und Chipindustrie im weltweiten Fokus und sorgt sogar für globale Spannungen. Die Basis all dessen sind sogenannte Wafer. Um diese extrem dünnen Silizium-Scheiben herzustellen, benötigt die globale Industrie Maschinen der EV Group (EVG). Zwar wurde das Unternehmen erst 1980 gegründet, in diesem hochtechnologischen Umfeld entspricht das aber Jahrhunderten. Vergleicht man die Halbwertszeit des Wissens in IT-nahen Branchen mit dem klassischen Handwerk, wäre die EVG nicht 45, sondern über 400 Jahre alt. Erich und Aya Maria Thallner hoben das ­Unternehmen aus der Taufe. Heute arbeiten 1.600 Menschen – davon 1.200 in Österreich – für die Innviertler. Zu den Niederlassungen in Nordamerika, Japan, Korea, China und Taiwan gesellt sich eine weitere in Singapur, um den technischen Support der globalen Kunden vor Ort besser zu unterstützen.

 

Mode kommt von „modern“

Ein 1871 in Ried im Innkreis gegründetes Unternehmen kann auf gleich 200  Standorte in Österreich und Deutschland verweisen: die Fussl Modestraße. Modern kommt schließlich von „Mode“. Die letzte österreichische Modekette in Familien­hand hatte dabei lange nur am Rande mit Kleidung zu tun. „Der erste Eintrag unseres Unternehmens 1871 war eine Schneiderei oder Greißlerei, genau wissen wir das nicht“, schildert Geschäftsführer Ernst Mayr. Sein Vater war es, der in den 1960er und 1970er Jahren den Fokus Schritt für Schritt auf Mode legte. „Wir hatten damals in unserem 300  m2 großen Geschäft fast alles: Lebensmittel, Matratzen, Möbel, Schuhe, Sportartikel und sogar Tapeten.“ Erst in den 1990er Jahren wurde Fussl, der Nachname von Ernst Mayrs Großmutter, zur Modestraße. Dass die Wurzeln so weit zurückgehen, ist für ein modernes Unternehmen dabei kein Nachteil, wie Mayr erzählt: „Alt heißt nicht unbedingt unmodern. Wir setzen auf moderne Mode und gleichzeitig auf traditionelle Werte. Der Mensch steht bei uns im Mittelpunkt und der Mensch hat immer Zukunft.“ Zukunft, die sich auch in Zahlen widerspiegelt: „Als ich das Geschäft von meinem Vater übernahm, hatten wir einen PC im Unternehmen – jetzt haben wir 250, dazu 500 TV-Geräte, die zen­tral angesteuert werden können, und 700  ­Smartphones.“ Fussl war zudem eines der ersten Unternehmen, die ­Digitalfotografie eingesetzt haben und auch bei Photovoltaik vorne mit dabei waren. Tradition verpflichtet eben auch zur Innovation. „In vielen Bereichen sind wir technologischer Vorreiter.“ Von Diskontern und dem Online-Handel halten sich die Innviertler bewusst fern: „Das Onlinebusiness ist von chinesischen An­bietern dominiert. Ein China-Shop hat sogar mit Fussl geworben. Das sind Methoden, die unter jedem moralischen Anspruch ­stehen.“ Stichwort „Moral“: ein Begriff, der immer wieder fällt, wenn es um ­Traditionsbetriebe geht. Kein Wunder, denn wer Jahrhunderte übersteht, der muss moralisch gefestigt sein und den Verlockungen des schnellen Gewinns widerstehen, oder wie ÖGV-General­sekretär Blahut meint: „Der Verkauf eines Traditionsbetriebes ist immer die allerletzte Option.“

Eine 1871 gegründete Gemischtwarenhandlung (Aufnahme stammt von 1921) ist die Keimzelle der heute 200 Filialen umfassenden Fussl Modestraße.

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