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Wie Fachkräfte aus anderen Ländern Lücken füllen sollen.
Wie Fachkräfte aus anderen Ländern Lücken füllen sollen.
Wie Fachkräfte aus anderen Ländern Lücken füllen sollen.
portishead1 / E+ / Getty Images

Grenzenlos gesucht

24.04.2025 um 08:50, Michael Schwarz
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Auslandsrecruiting. Wenn Fachkräfte aus Übersee Lücken im oberösterreichischen Arbeitsmarkt stopfen sollen, braucht es Integration und Onboarding.

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Qualifizierte Zuwanderung ist das Schlagwort, mit dem Politiker eine Notwendigkeit ansprechen, ohne das Feuer der Rechtspopulisten schüren zu wollen. Denn die Wirtschaft verzehrte sich jahrelang förmlich nach Fachkräften. Und der Blick schweifte dabei über die Staatsgrenzen hinaus. So wurden im Jahr 2024 über 9.700 Rot-Weiß-Rot-Karten ausgestellt, was einem Anstieg von 21 Prozent im Vergleich zum Vorjahr entspricht. Zugleich rückt auch die Inte­gration von Asyl- und subsidiär Schutzberechtigten stärker in den Fokus: Ex-Wirtschaftsminister Martin Kocher stellte dafür Anfang des Jahres zusätzliche 75 Millionen Euro bereit. Den steigenden Anteil an EU- und EWR-Bürgern am österreichischen Arbeitsmarkt belegen die Zahlen deutlich – binnen zehn Jahren hat sich die Anzahl der Erwerbstätigen aus diesen Ländern auf über 600.000 verdoppelt. Dennoch bleibt Luft nach oben: Laut einer internationalen ­Umfrage von InterNations unter 12.000 im Ausland tätigen Fachkräften belegte Österreich 2024 lediglich Platz 42 von 53 im Ranking der attraktivsten Arbeits­destinationen. In manchen Branchen zeigt sich der internationale Charakter deutlich: Im Tourismus sind knapp 60 Prozent der Beschäftigten keine österreichischen Staatsbürger, und in der IT wird oftmals Englisch als Unternehmenssprache eingeführt, um globale Talente zu gewinnen. Bereits kritisch ist die Lage im Pflegebereich. Um dem akuten Fachkräftemangel entgegenzuwirken, wurde ein europaweit einzig­artiges Pflege­abkommen zwischen Oberösterreich und der philippinischen Provinz Tarlac geschlossen. Im Zuge des Projekts erreichten 25 Pflegekräfte das Klinikum Wels-Grieskirchen.
 

Der erste Integrationsmanager

Als das Klinikum Wels-Grieskirchen 2023 ein Projekt startete, um philippinische Pfleger nach Wels zu holen, war schnell klar: Wer Fachkräfte aus dem Ausland ­rekrutiert, braucht mehr als nur Arbeitsverträge und Sprach­kurse. Deshalb wurde mit Wolfgang Kuttner die Position des Integrationsmanagers geschaffen – eine Rolle, die in Österreichs Spitalslandschaft noch Seltenheitswert hat. Der Startpunkt für neue Pflegekräfte ist meist eine Agentur im Heimatland, die eng mit Partnern in Europa kooperiert. Diese Agenturen bieten schon auf den Philippinen ­Deutschkurse an. Auf Anfrage des Klinikums schlagen sie passende Fachkräfte vor, welche die nötige Fachausbildung haben und bereits Deutsch sprechen. Denn in Österreich müssen ­Pflegefachassistenten ein Sprachniveau von mindestens B1 vorweisen. Um geeignete Kandidaten ­auszuwählen, führte man Video-Hearings mit dem Spitalsteam durch. In dem ersten Projekt stützte man sich rein auf den digitalen Hearing-Prozess, aber Kuttner hat daraus eine Lehre gezogen: „Ein Vor-Ort-Besuch ist natürlich schon taktisch klug.“ Nach der Ankunft in Österreich beginnt die eigentliche Integrationsarbeit erst so richtig. „Die Sprachbarriere ist sicherlich die ­größte Herausforderung“, so Kuttner, „vielfach fehlt die Komponente des Dialekts.“ Das kann besonders im oberösterreichischen Klinikalltag zu Missverständnissen führen. Darüber hinaus sind die philippinischen Pflegekräfte zwar medizinisch hervorragend ausgebildet, bringen jedoch kaum Erfahrung in körpernaher Pflege mit. Das Klinikum begegnet diesen ­Unterschieden mit strukturiertem Onboarding und interkulturellen Workshops. „Die Philippiner neigen dazu, immer zu allem Ja-Ja zu sagen“, erzählt der Integrationsmanager, „und man würde das jetzt als Österreicher so verstehen: Ja, der hat es eh verstanden, aber in Wahrheit ist es ein Überspielen der eigenen Gefühle.“ Auch die Stammbelegschaft wird darauf vorbereitet, mit kulturellen Unterschieden umzugehen. Denn in einem durch Personalmangel geprägten Alltag bleibt oft wenig Zeit, um neue Kollegen behutsam einzuarbeiten. „Wenn man internationale Mitarbeiter einstellt, dann ist das einfach nicht nur ein Geld-,
sondern auch ein Zeit-Investment.“
 

Wolfgang Kuttner Integrationsmanager Klinikum Wels-Grieskirchen
Wolfgang Kuttner Integrationsmanager Klinikum Wels-Grieskirchen

Frische Perspektiven

Die I.  K.  Hofmann Gruppe, mit Hauptsitz in Deutschland, ist schon länger im Auslandsrecruiting tätig. Die Tochtergesellschaft Hofmann Personal Österreich beteiligte sich darüber hinaus an der Carpe Diem Austrian Operarius GmbH, einem Spezialisten für überregionale Arbeitskräfte. „Ohne ausländische Mitarbeiter könnten wir der Nachfrage an Arbeitskräften gar nicht nachkommen“, erklärt Helmut Herzog, Geschäftsführer von Hofmann Personal Österreich. Ein wichtiger Recrui­ting-Standort für Hofmann Personal Deutschland ist beispielsweise ­Spanien. Dort beträgt die Arbeits­losigkeit fast 15  Prozent und vor allem junge Menschen sehen im Ausland ihre Chance. Aber auch intern kann Hofmann Personal im Bereich Diversität und Vielfalt punkten. Und das ist auch ein wichtiger Aspekt für ein Unternehmen, das in fremden ­Ländern Recruiting betreibt, wie Herzog erklärt. „Denn das Vertrauen eines ausländischen Mitarbeiters in das Personalunternehmen oder auch den österreichischen Arbeitsmarkt ist viel größer, wenn er einen muttersprachlichen Ansprechpartner hat, der ihm mögliche Sorgen oder Vorurteile nimmt.“ Natürlich können Arbeitnehmer aus dem Ausland auch zu möglichen Herausforderungen, vor allem in Bezug auf die sprachlichen Kenntnisse, führen. Hofmann Personal hat dazu etablierte Schulungen, um die Mitarbeiter fit für den heimischen Arbeitsmarkt zu machen. Auf der anderen Seite bringen ausländische Mitarbeiter zahlreiche Vorteile für Unternehmen. „Vielfalt gewinnt“ heißt die Initiative des Personalunternehmens. Denn Menschen unterscheiden sich durch ihre Herkunft, ihr Alter und ihr Geschlecht und bringen andere Perspektiven und Vorerfahrungen mit. „Mit Menschen unterschied­lichen Hintergrunds wird das Team kreativer und leistungsfähiger.“
 

US-Präsident Donald Trump schlug sich beim Arbeits- visum-Programm auf die ­Seite Elon Musks und verteidigte dieses – zum Unmut einiger MAGA-Unterstützer.

Diversität als Politikum

Für den US-Präsidenten ist Diversität ein rotes Tuch. Bereits kurz nach Amtsantritt kippte er Dekrete, die Chancengleichheit schaffen sollen. Medienberichten ­zufolge wurden auch europäische Unternehmen, die US-Institutionen als Kunden haben, aufgefordert, sich von DEI-Initiativen – also Maßnahmen zur Förderung von „Diversity, Equity and Inclusion“ – zu distanzieren. So fand sich im Geschäftsbericht 2023 der Schweizer Großbank UBS noch ein Kapitel zu DEI, im aktuellen wurde darauf verzichtet. Auch die angestrebte 30-Prozent-Frauenquote auf Direktorenebene ist laut FAZ verschwunden. Die UBS steht damit exemplarisch für ein Dilemma vieler globaler Unternehmen: Während Diversitätsziele in den USA zunehmend eingeschränkt werden, sind sie in anderen Ländern gesetzlich vorgeschrieben.
 

Helmut Herzog Hofmann Personal

Amerikanischer Brain-Drain

Die Abkehr von DEI kommt bei Trumps Basis gut an. In Sachen Zuwanderung überraschte Trump jedoch seine An­hänger: Noch vor Amtsantritt sprach er sich für das „H-1B-Visum“ aus, das Fachkräften eine bis zu dreijährige Arbeits­erlaubnis verleiht. Zuvor hatte Trump diese Regelung als „unfair“ für amerikanische ­Arbeitskräfte kritisiert. Selbst der „Greatest Place on Earth“, wie Trump einst sagte, kommt nicht ohne kluge Köpfe aus dem Ausland aus. Inzwischen droht jedoch der Brain-Drain, denn viele Wissenschaftler lehnen Trumps Kurs ab. Universitäten in Frankreich haben daher begonnen, US-Forscher abzuwerben. Und auch deutsche Professoren fordern deren Aufnahme an europäischen Hochschulen. So könnte es künftig womöglich nicht nur europäische und philippinische, sondern auch amerikanische Fachkräfte nach Österreich verschlagen. 

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