ORF spart für ESC: Künstler in Aufruhr
Inhalt
- Finanzdruck und Großprojekte
- Personalabbau und leere Kulturseiten
- Reaktion des ORF-Generaldirektors
- Ausblick auf die Debatte um Prioritäten
In Österreich formiert sich eine wachsende Bewegung gegen drohende Kürzungen im Kulturprogramm des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Insgesamt 620 Kunst- und Kulturschaffende sowie 90 Institutionen haben ein gemeinsames Statement unterzeichnet. Ihr Appell ist eindeutig: Die kulturelle Berichterstattung und Produktion dürfe nicht durch finanzielle Zwänge beschnitten werden. Die Unterzeichnenden kommen aus unterschiedlichen Bereichen – von der Literatur über die Musik bis zur Theater- und Filmszene. Zu ihnen gehören Persönlichkeiten wie die Literaturnobelpreisträgerin Elfriede Jelinek, der Musiker Kurt Schwertsik, der Schauspieler Cornelius Obonya und der Regisseur Milo Rau. Auch Institutionen wie der steirische herbst, die Wiener Festwochen, die Alte Schmiede und mehrere Literaturhäuser haben sich der Forderung angeschlossen.
Finanzdruck und Großprojekte
Ein wesentlicher Auslöser für die aktuelle Initiative ist die Sorge, dass der Eurovision Song Contest 2026 zu einer zusätzlichen Belastung des ORF-Budgets führen könnte. In dem offenen Brief wird davor gewarnt, Kulturmittel zur Finanzierung dieses Großevents heranzuziehen. Damit, so die Kritik, gerate der Kulturauftrag unter Rechtfertigungsdruck und verliere an Priorität. Gleichzeitig verweisen die Unterzeichnenden auf den bereits langjährigen Spardruck. Investitionen in digitale Angebote und die Umstellung auf Haushaltsabgaben hätten die wirtschaftliche Situation des ORF zusätzlich angespannt. Nun wachse die Befürchtung, dass Kulturinhalte zur internen Verhandlungsmasse würden, wenn es um Sparziele und Programmentscheidungen gehe.
Personalabbau und leere Kulturseiten
Besondere Besorgnis löst die Entwicklung in den Redaktionen aus. Immer öfter würden Stellen nicht nachbesetzt, wenn erfahrene Journalistinnen und Journalisten den Sender verlassen. Im Hörfunk, im Fernsehen und online entstünden Lücken, die nach Einschätzung der Initiative die Qualität und Kontinuität der Kulturberichterstattung gefährden. Ein Beispiel sei die Plattform „ORF ON“. Dort sei die Rubrik Kulturnachrichten zeitweise gar nicht mehr gefüllt worden, weil es kein Redaktionsteam gebe, das die Inhalte betreue. Auch Formate wie „Topos“ seien vom Aus bedroht. Dass diese Entwicklungen ausgerechnet in einem öffentlich-rechtlichen Medienhaus stattfänden, werte man als alarmierendes Signal für den Stellenwert der Kultur.
Reaktion des ORF-Generaldirektors
ORF-Generaldirektor Roland Weißmann hat die Kritik zurückgewiesen. In einer schriftlichen Stellungnahme bekräftigte er, der ORF bleibe trotz schwieriger finanzieller Rahmenbedingungen ein zentraler Kulturpartner. Mit jährlich rund 120 Millionen Euro stehe ein stabiles Kultur-Budget zur Verfügung. Zudem hob Weißmann das breite Programmangebot hervor, darunter den „ORF-Kultursommer“ mit über 500 Stunden Sendezeit, die „Tage der österreichischen Literatur“ und das Engagement für das Radio-Symphonieorchester Wien. Steigende Hörerzahlen bei Ö1 belegten seiner Ansicht nach, dass Kulturangebote nach wie vor geschätzt und genutzt würden. Auch das Auslaufen von „Topos“ bedeute laut ORF keine spürbare Einschränkung der Kulturberichterstattung. Kulturnachrichten sollen demnach weiterhin in digitalen Angeboten präsent bleiben.
Ausblick auf die Debatte um Prioritäten
Trotz dieser Beteuerungen bleibt die Skepsis vieler Kulturschaffender bestehen. Die Initiative stellt die grundsätzliche Frage, wie der öffentlich-rechtliche Kulturauftrag in Zeiten steigender Kosten und internationaler Großereignisse abgesichert werden kann. Sie fordert von den Verantwortlichen in Politik und ORF-Gremien klare Zusagen, dass Kultur nicht gegen andere Programmziele ausgespielt wird. Ob die Diskussion um Prioritäten und Budgets zu einer Neubewertung führt, wird sich in den kommenden Monaten zeigen. Für viele Unterzeichnende des offenen Briefs steht fest, dass gerade in Krisenzeiten ein vielfältiges Kulturangebot von öffentlicher Relevanz nicht reduziert werden dürfe.