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Matthias Walkner | Credit: Marcelo Maragni/Red Bull Content Pool
Marcelo Maragni/Red Bull Content Pool

Walkner: "Ich habe einen besseren ökologischen Fußabdruck als viele"

20.01.2022 um 11:07, Sandra Eder
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Was erlebt man, wenn man 14 Tage ohne Navi allein mit der Motocross-Maschine quer durch die Wüste brettert? Das und mehr wollten wir von Rallye Dakar-Star Matthias Walkner wissen.

weekend.at: Matthias, du hast vor kurzem die Rallye Dakar als Dritter beendet. Fühlst du dich als Sieger?
Walkner: Hätte mir jemand vor dem Start Platz drei angeboten, ich hätte dankend eingeschlagen. Dem ersten Platz habe ich keine Sekunde hinterher getrauert, obwohl ich zwischendurch sogar in Führung lag. Auf zwölf Etappen und einer Fahrzeit von knapp 39 Stunden kann viel passieren – und am Ende war es mit sechs Minuten Rückstand auf Platz eins so knapp wie noch nie.

weekend.at: Kannst du dich an deinen ersten Gedanken erinnern, als du über die Ziellinie gefahren bist?
Walkner: Es war eine Mischung aus Freude und absoluter Erschöpfung. Während der Zieleinfahrt habe ich gemerkt, wie alles auslässt, die Müdigkeit in die Knochen fährt. Ich war platschnass und fror am ganzen Körper. Die Anstrengung, die vielen Eindrücke und Erlebnisse übermannen einen in diesem Moment.

weekend.at: Gefeiert konnte dann aber nicht wirklich werden…
Walkner: Nein, leider. Bei der Rückkehr nach Österreich wurde ich positiv auf Corona getestet. Überrascht darüber war ich nicht wirklich, nachdem es einige Fahrer und auch meinen KTM-Mechaniker während der Dakar erwischt hatte. Und so sehr ich auf meine Gesundheit geachtet habe, um meine Dakar-Teilnahme nicht zu riskieren, bei der Siegerehrung fiel das Abstandhalten nicht mehr ganz so leicht. Wenn man elf Monate auf diesen einen Moment hinarbeitet, will man den einfach genießen…

weekend.at: Wenn jemand nicht weiß, was die Rallye Dakar ist – wie würdest du die legendäre Wüstenrallye beschreiben?
Walkner: Es ist das größte und modernste Abenteuer der Welt, bei dem man Himmel und Hölle zugleich erlebt. Man fährt mit dem Motorrad durch spektakuläre Wüstenlandschaften, vorbei an grünen Oasen und beeindruckenden Naturschauspielen. Ich bin oft selbst überwältigt, wenn ich hinterher die Videoaufnahmen aus der Luft sehe.

weekend.at: Vom schweren Sturz mitten in der Wüste bis hin zum legendären Sieg 2018 hast du bei acht Teilnahmen alles erlebt. Was bleibt von der diesjährigen Dakar in Erinnerung?
Walkner: Das Bild, als zwischen Sand und Dünen plötzlich eine riesige Fläche in leuchtendem Grün zu sehen war. Es sah aus wie ein Kunstrasen mitten in der Wüste. In Erinnerung bleibt aber auch die elfte Etappe – eine der härtesten, die ich je gefahren bin. Ein Sandsturm sorgte dafür, dass ich keine 50 Meter weit sah und mich bei 130 km/h quasi im Blindflug auf den digitalen Kompass verlassen musste…

weekend.at: Und die Angst sitzt einem im Nacken?
Walkner: Es ist in erster Linie großer Respekt – aber klar, die Grenze zwischen Angst und Achtung ist schmal. Mir ist bewusst, dass bei diesem Rennen immer wieder tragische Unfälle passieren. Ich selbst wurde nach meinem Sturz 2016 erst nach neun langen Stunden ins Krankenhaus gebracht. Aber am Ende sind es auch diese Narben, die Geschichten schreiben.

weekend.at: Während der Rallye sitzt du rund 8.000 Kilometer und 100 Stunden auf dem Motorrad. Wie muss man sich die Zeit und die Ruhephasen dazwischen vorstellen?
Walkner: Nach jeder Etappe schließe ich mich zuerst mit meinem Mechaniker kurz. Was viele nicht wissen: Wir haben genau eine Maschine zur Verfügung. Zwar darf der Motor getauscht werden, aber ist die Maschine kaputt, ist das Abenteuer vorbei. Unser KTM-Team besteht aus circa 45 Personen – der Tross übernachtet in Zeltern und erwartet uns jeweils am nächsten Zielpunkt. Wir Fahrer schlafen in einem Wohnmobil. Mittlerweile habe ich meine Routinen. Abends nehme ich eine Schlaftablette und verwende Ohropax. Man kann sich nicht vorstellen, wie laut es im Lager ist, wenn überall an Maschinen und LKWs geschraubt wird. Um 3.00 Uhr morgens ist immer Tagwache.

Ohne Navi mitten in der Wüste | Credit: Marcelo Maragni/Red Bull Content Pool

weekend.at: Welche persönlichen Dinge hast du immer mit dabei?
Walkner: Meine Glücksbringer trage ich in der Jacke bei mir. Außerdem habe ich mein eigenes Geschirr und Bettzeug dabei. Und Proviant wie Müsli, Honig, Olivenöl. In diesem Jahr hatten wir keinen eigenen Teamkoch an Bord. Was uns gleich am ersten Tag ordentlich Probleme einbrachte. Das Essen vor Ort war so schwer bekömmlich, dass ich und andere Fahrer von schweren Magenkrämpfen geplagt wurden. Not macht bekanntlich erfinderisch und so haben zwei Teammitglieder ihre Passion für das Kochen entdeckt und uns täglich versorgt.

weekend.at: Wie lebt und wofür steht Matthias Walkner, wenn er gerade nicht mit seiner Motocross-Maschine durch die Gegend jagt…
Walkner: Ich habe vor kurzem mit meiner Freundin in meiner Salzburger Heimat ein Haus gebaut und genieße es sehr, wenn Freunde und Familie zu Besuch sind. Ich liebe gutes Essen und schätze es, mir meine Zeit frei einteilen zu können, um beispielsweise bei frischem Schnee eine Skitour zu gehen.

Rallye Dakar 2022: Matthias Walkner | Credit: Marcelo Maragni/Red Bull Content Pool

weekend.at: Wie wichtig ist dir als leidenschaftlichem Motorsportler Nachhaltigkeit?
Walkner: Sehr wichtig! Auch wenn viele bei dieser Antwort jetzt sicher lachen werden. Obwohl ich berufsbedingt vielleicht 20 Liter Benzin pro Woche mehr verfahre als Otto-Normalverbraucher, habe ich sicher einen besseren ökologischen Fußabdruck als viele, die Superfood wie Avocados oder Goji-Beeren mit langen Transportwegen essen. Ich baue zuhause mein eigenes Gemüse und meinen Salat an und halte Hühner. Vor allem beim Essen achte ich sehr darauf, dass die Lebensmittel regional und saisonal sind. Fleisch beziehe ich vom Bauern und Fisch von heimischen Fischereien.

In Action: Matthias Walkner | Credit: Marcelo Maragni/Red Bull Content Pool

weekend.at: Man liest immer von deinen Förderern Heinz Kinigadner und Trainer Ferdl Hirscher. Wer aus deinem persönlichen Umfeld hat dich besonders geprägt?
Walkner: Mein Bruder Gerald. Er ist acht Jahre älter und hat sich immer alles hart erarbeiten müssen. Mir hat er oft die Augen geöffnet. Vor allem, was die Einstellung zum Leben angeht. Keiner wird gekrönt, bevor er gekämpft hat. Dieses Motto habe ich von ihm übernommen.

weekend.at: Und bei wem wird Matthias Walkner selbst zum Fan?
Walkner: Ich würde wahnsinnig gerne einmal Arnold Schwarzenegger treffen. Ich finde seine Persönlichkeit und Karriere sehr beeindruckend – vor allem habe ich Hochachtung vor professionellen Bodybuildern und ihrer Disziplin.

weekend.at: Dein Kumpel Marcel Hirscher hat seine erfolgreiche Karriere am Höhepunkt beendet. Denkst auch du bereits über das Ende der sportlichen Laufbahn nach?
Walkner: Mein Vertrag mit KTM läuft bis Dezember. An sich wäre ich motiviert zu verlängern. Ich habe mir aber in diesem Jahr mein Dakar-Trikot von allen Fahrern signieren lassen – und das habe ich zuvor noch nie gemacht…

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