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Clemens Maria Schreiner auf der Freiluftbühne im Usus am Wasser.
Clemens Maria Schreiner bezeichnet sich selbst als Rampensau.
Clemens Maria Schreiner bezeichnet sich selbst als Rampensau.
ORF/Agentur Sobieszek/Ulrike Rauch

Schreiner: "Oh Gott, wen könnten wir noch impfen?"

06.08.2021 um 12:55, Stefanie Hermann
min read
Der Kabarettist über den verlängerten Papa-Monat, radikalen Optimismus und die Sorge vor dem Herbst.

Im ORF-Sommerkabarett (Ausstrahlung am 06. und 10. August)  zieht Clemens Maria Schreiner mit gezücktem "Leserschwert" in den Krieg gegen alternative Fakten - und gibt da bei ganz schön komplizierte Antworten, auf eigentlich einfache Fragen. Wir haben den mit dem Österreichsichen Kabarettpreis ausgezeichneten Steierer und Wahlwiener vor der Aufzeichnung im Usus am Wasser zum Sommerplausch getroffen.

Es ist bei Corona wie bei der Donau: Man kann die ganze Breite erst abschätzen, wenn man die Deltavariante angeschaut hat.

weekend: Im September hat dein neues Programm Premiere. Worum wird’s gehen?
Clemens Maria Schreiner: Heißen wird es „Krisenfest“. Es wird beileibe kein Corona-Programm, darüber haben wir uns alle genug unterhalten! Aber, dass es ein arger Einschnitt war, wird sich sicher spiegeln. Ich selbst bin ein teilweise radikal optimistischer Mensch. Ich kann das Licht am Horizont relativ gut ausmachen. Gerade in solchen Situationen ist das sehr praktisch. Man verfällt nicht in apathische Starre, weil rundherum alles apokalyptisch wird, sondern man findet auch daran Positives. Diesen Spirit auf die Bühne zu bringen ist die große Mission.

weekend: Das letzte Mal haben wir uns zwischen den Lockdowns zum Interview getroffen. Wie hast du diese Zeit erlebt?
Clemens Maria Schreiner: Man führt monatelang diese abstrakten Diskussionen von wegen „Systemrelevanz der Kultur“ … und dann ist es auf einmal einfach sehr konkret. Da merkst du: „Ok, das ist nicht nur mir auf den Zeiger gegangen, dass man Monate lang nichts machen kann, sondern dem Publikum auch“. Ich habe das Spielen dazwischen sehr genossen. Es waren super schöne Abende! Man hat richtig gemerkt, dass es den Leuten abgegangen ist.

weekend: Wie hast du den Lockdown verbracht?
Clemens Maria Schreiner:
Die Zwangspause habe ich mittelproduktiv verbracht. Also grade so produktiv, dass das schlechte Gewissen die Ruhe nicht zu sehr versaut. (lacht) Es hat sich mit kleinem Kind daheim gut ergeben. Da hat man nie wirklich die Sorge, dass man ein Überpensum an Tagesfreizeit zu gestalten hätte. Ich war quasi in einem sehr langen Papa-Monat.

weekend: Wie ist es jetzt wieder auf der Bühne zu stehen?

Clemens Maria Schreiner: Es war auf der einen Seite eine große Erleichterung. Der Planungshorizont umfasst ein bis zwei Jahre. Am Kalender siehst du Auftritt für Auftritt, der nicht stattfindet. Es war ein cooles Gefühl, dass es wieder los geht – und auch: „Weiß ich überhaupt noch wie das geht?“ Aber erstens ist es wie Radfahren und zweitens weiß das Publikum auch nicht mehr wie’s geht. Dann kann man sich gemeinsam wieder reingrooven.

 

weekend: Und wie ist es heuer mit den Freiluftbühnen?
Clemens Maria Schreiner: Freiluftspielen ist ein ganz anderes Gefühl. Grade klassische Kleinkunst findet auf sehr kompakten Bühnen und in enggesetzten Räumen statt. Outdoor hat eine andere Energie. Aber ich finde es positiv, dass es uns gezwungen hat, unsere finsteren Kellertheater zu verlassen und dorthin gehen, wo die Leute im Sommer gerne sind. Es gibt ja grade in Wien sehr viele schöne Outdoor-Bühnen – wie eben das Usus am Wasser oder die Praterbühne.

 

Noch nicht olympisch: 100m Einhorn 🦄. Mein Qualifikationslauf trotzdem heute um 20:15 Uhr in @echt.orf1. Dabei sein ist alles.

Gepostet von Clemens Maria Schreiner am Freitag, 6. August 2021

weekend: Man darf eigentlich nicht fragen, aber hast du einen Favoriten?

Clemens Maria Schreiner: (lacht und schüttelt den Kopf) Aber für die Aufzeichnung vom Sommerkabarett war diese Location tatsächlich die erste Wunschlocation. Es ist eine super Location zum Spielen. Es ist gleichzeitig komplettes Sommerfeeling – wie Urlaub und Arbeiten gleichzeitig. Ich finde das großartig! Wir wollten sehr bewusst eine Aufzeichnung machen, der man ansieht, dass sie nicht vor einem schwarzen Vorhang in einem Kabaretttheater entstanden ist.

weekend: Und weil ihr alle ein bisschen urlauben wolltet dazwischen?
Clemens Maria Schreiner: Dass es sich so urlaubig anfühlen wird, hätte ich mir nicht gedacht! Aber auch das ist gut so!

weekend: Hast du auch echte Urlaubspläne?
Clemens Maria Schreiner: Ganz fad Urlaub in Wien. Weil ich noch viel für den Herbst zu tun habe. Aber ich freue mich darauf, wieder ein bisschen mehr Freiheitsgefühl zu haben. Ob das mittelfristig g‘scheit sein wird, sei dahingestellt. Aber es ist auch wichtig, um für einen potenziell schwierigen Herbst Disziplin aufzubauen. Das Gefühl, wieder Herr unseres eigenen Lebens zu sein.

weekend: Du rechnest mit einem schwierigen Herbst?
Clemens Maria Schreiner: Das wird sicher davon abhängen, wie man mit der Durchimpfung vorankommt. Man merkt jetzt schon, dass sich die Frage von „Wann werde ich endlich geimpft“ zu „Oh Gott, oh gott – wen könnt ma jetzt noch impfen?“ verschiebt. Diese Wandlung sehe ich mit Sorge. Es ist bei Corona wie bei der Donau: Man kann die ganze Breite erst abschätzen, wenn man die Deltavariante angeschaut hat.

Schreiners Apell

Schaut euch auch junge Acts auf kleinen Bühnen an! Das sind die, die es nach dem argen Einbruch am schwierigsten haben, wieder ins Gehen zu kommen. Wenn wir das nicht machen, gibt es in zehn Jahren keine spannenden Sachen mehr, die wir uns anschauen können.  

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