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Wladimir Putin
Der russische Präsident setzt auf Desinformation und Zensur im Netz.
Der russische Präsident setzt auf Desinformation und Zensur im Netz.
MIKHAIL KLIMENTYEV / AFP / picturedesk.com

Von Trollen und Bots: Putins unsichtbare Armee

24.03.2022 um 15:59, Patrick Deutsch
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Nicht erst seit dem Ukraine-Krieg wird im Internet mit Falschinformationen, Erpressungen und Angriffen versucht, Schlachten zu gewinnen. Vor allem Russland setzt auf diese Art der „Kriegsführung“.

Das erste Opfer des Krieges ist die Wahrheit“. Dieses aktuell viel bemühte Zitat des US-Senators Hiram Johnson von 1914 beschreibt den Umstand, dass es für unbeteiligte Parteien äußerst schwierig ist, sich ein korrektes Bild über die Vorgänge eines Konflikts zu machen. Der Krieg in der Ukraine bildet da keine Ausnahme: Während die Ukrainer, allen voran Präsident Wolodimir Selenskyj, ihre Sicht der Dinge über die Sozialen Medien kommunizieren, arbeitet Russland mit Zensur und Desinformation. Wladimir Putin macht sich dabei eine Struktur zu Nutze, die er sich über Jahre aufgebaut und erprobt hat.

Trollfabrik in St. Petersburg
Dieses vierstöckige Gebäude in St. Petersburg gilt als Sitz einer Trollfabrik.

Hello Mr. President

Einem breiten Teil der Öffentlichkeit wurden die russischen Troll-Farmen durch ihre Einmischung in die US-Präsidentenwahl 2016 bekannt. Durch gezielte Falschinformationen und Kommentare wurde versucht, Donald Trump zu pushen und der Kampagne von Hillary Clinton zu schaden. Mit Erfolg: Trump gewann die Wahl und die amerikanische Gesellschaft war mehr gespalten als je zuvor. Die US-Geheimdienste sind sich mittlerweile sicher, dass der Befehl für die Operation „Project Lakhta“ direkt vom russischen Präsidenten kam. Ausgeführt wurde die Aktion von der Internet Research Agency (IRA), die ihren Sitz in St. Petersburg hat. Über die IRA wurden tausende Social-Media-Accounts angelegt, die Veranstaltungen von Trump promoteten und erfundene Geschichten von russischen Medien über Hillary Clinton und die Demokratische Partei teilten. Zeitgleich wurden bei Cyberangriffen wichtige E-Mail-Server der Demokraten gehackt und auf der Enthüllungsplattform WikiLeaks veröffentlicht.

Generalprobe

Es war nicht das erste Mal, dass sich Russland in die Wahlen eines anderen Staates eingemischt hat. Schon bei der Präsidentenwahl in der Ukraine 2014 wurde mit Cyberangriffen versucht die Wahl zu beeinflussen. Auch hier wurde mit gehackten E-Mails gearbeitet. Zudem wurde versucht die Auszählung der Stimmen zu beeinflussen und das Endergebnis hinauszuzögern.

Ukraine-Präsident Wolodymyr Selenskyj in einem Video
 Ukraine-Präsident Wolodymyr Selenskyj

Für eine Handvoll Dollar

Wie es in Troll-Fabriken aussieht, ist aus diversen Berichten von Aussteigern bekannt. In 12-Stunden-Schichten werden Blogeinträge produziert, manipulierte Bilder geteilt und Pro-Putin-Kommentaren unter Artikel auf russischen und westlichen Nachrichtenseiten gepostet. Auch Deepfakes, wie zuletzt die Kapitulation von Wolodymyr Selenskyj, werden hinter den Mauern der Trollfabriken produziert. Was geschrieben wird, ist großteils vorgegeben: Die Mitarbeiter erhalten täglich eine Liste von Gesprächsthemen und Textbausteinen, die sie online verbreiten sollen. Das führt dazu, dass Kommentare oft nahezu wortgleich sind. Laut Angaben der Aussteiger sind meisten Trolle jung und werden von den verhältnismäßig hohen Gehältern von umgerechnet 700 bis 900 Euro im Monat angezogen.

Der Krieg im Netz

Die Gefahren von Desinformation sind bekannt und werden auch als solche wahrgenommen: Rund 83 Prozent der Europäer sagen, dass „Fake News“ die Demokratien gefährdet. Für den durchschnittlichen Internetuser und Nachrichtenkonsument ist aber oft nur schwer erkennbar wie vertrauenswürdig eine Quelle ist oder ob er es mit einem Troll zu tun hat. Deshalb hat der Europäische Auswärtige Dienst (EAD) eine Initiative gegen Desinformation gestartet. Die Kampagne „EUvsDisinfo“ wurde 2015 gegründet um auf die Kampagnen Russlands besser reagieren zu können und den Europäischen Bürgern eine Hilfestellung in Bezug auf „Fake News“ geben zu können. Von den mehr als 13 500 Fällen, die seit 2015 in die EUvsDisinfo-Datenbank aufgenommen wurden, wurde die Ukraine in nahezu 40 Prozent aller Fälle erwähnt.

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