15 Milliarden Kosten: Regierung will Papier-Dschungel beenden
- Zeit ist zum Standortfaktor geworden
- Der neue Weg der Bundesregierung
- Drei Schwerpunkte für weniger Bürokratie
- Reaktionen aus der Wirtschaft
Österreich verliert jedes Jahr Milliarden durch Verwaltungsaufwand. Verfahren dauern länger als in fast allen EU-Staaten, Genehmigungen ziehen sich über Monate, Unternehmen kämpfen mit Formularfluten. Nun reagiert die Bundesregierung mit einem Maßnahmenpaket, das beschleunigen, vereinfachen und digitalisieren soll.
Zeit ist zum Standortfaktor geworden
Bürokratie koste Österreichs Wirtschaft, laut Angaben der Bundesregierung, jährlich rund 15 Milliarden Euro. Das entspricht fast vier Prozent der gesamten Wirtschaftsleistung. Betriebe verlieren im Schnitt 13 Stunden pro Woche, weil Formulare, Fristen und Nachweise Zeit verschlingen. Im Durchschnitt dauert ein Genehmigungsverfahren 222 Tage, während vergleichbare Verfahren in Dänemark oder Finnland nach 65 bis 70 Tagen abgeschlossen sind. Seit 1970 hat sich die Zahl der Paragrafen von 8.400 auf mehr als 56.000 erhöht.
Österreich tritt auch digital auf der Stelle. Seit fast zwei Jahrzehnten liegt das Land im UN-E-Government-Index konstant zwischen Platz 20 und 21. Ein internationales Schlusslicht bei der Digitalisierung der Verwaltung. Zeit ist zu einem entscheidenden Standortfaktor geworden, doch Österreich verliert zu viel davon durch viele kleine Verzögerungen.
Der neue Weg der Bundesregierung
Auf Basis von über 4.000 Einmeldungen auf der Plattform SEDA und mehr als 300 Gesprächen mit Bürgerinnen, Bürgern und Betrieben liegt erstmals ein detailliertes Bild der Belastung vor. Ergänzt wurde es durch internationale Vergleiche mit Ländern wie Estland, Dänemark, den Niederlanden und Australien. Der Befund ist eindeutig: Bürokratie ist kein abstrakter Begriff, sondern eine tägliche Belastung, die sich über Jahre summiert.
Die Bundesregierung beschließt nun ein ressortübergreifendes Maßnahmenpaket, das in allen zentralen Bereichen ansetzt – von Wirtschaft und Bildung bis zu Arbeit, EU-Recht und Steuerwesen. Staatssekretär Sepp Schellhorn (NEOS) betont: „Dieses Paket ist im besten Sinn ur-demokratisch entstanden: im Zuhören, von unten nach oben. Wir haben nicht über die Menschen entschieden, sondern mit ihnen. Bürokratie ist wie ein täglicher Stau – jede Minute ist für sich verkraftbar, aber in Summe verliert Österreich Tage, Energie und Geld.“
Wirtschaftsminister Wolfgang Hattmannsdorfer (ÖVP) erklärt: „Wir machen Österreich schneller, einfacher und digitaler. Die Gewerbeordnung ist dabei das Herzstück: ein One-Stop-Shop statt Behörden-Ping-Pong, leichtere Betriebsübergaben für unsere Familienbetriebe und digitale Unterlagen statt Zettelwirtschaft.“ Infrastrukturminister Peter Hanke (SPÖ) ergänzt: „Schnellere Genehmigungen für PV-Anlagen und Ladepunkte, digitale Verfahren statt Aktenberge – das sind keine Zukunftsvisionen, sondern konkrete Schritte, die wir jetzt setzen.“
Drei Schwerpunkte für weniger Bürokratie
Das Entbürokratisierungspaket gliedert sich in drei zentrale Schwerpunkte: beschleunigen, vereinfachen, digitalisieren.
Beschleunigung
Gewerbeberechtigungen sollen ab 2026 im neuen GISA-Express rascher erteilt werden. Photovoltaik-Anlagen und Ladepunkte werden künftig weitgehend genehmigungsfrei, zentrale Bau- und Anlagenverfahren sollen über einen One-Stop-Shop abgewickelt werden. Umweltverträglichkeitsprüfungen werden vereinfacht und digitalisiert.
Vereinfachung
Doppelmeldungen und gewisse Nachweispflichten entfallen. Englische Unterlagen werden zugelassen, alte Verordnungen wie die Weinverordnung oder die Seeschifffahrtsverordnung werden modernisiert. Volksbegehren lassen sich künftig digital und barrierefrei unterstützen.
Digitalisierung
Behörden sollen auf elektronische Akten und digitale Befunde umstellen. Die E-ID dient künftig auch zur Altersverifikation. Steuerverfahren erhalten QR-Codes, Konzessionsurkunden und Meldebestätigungen werden digital abrufbar. Schulen, Statistikämter und Justizstellen werden digital aufgerüstet. Ziel ist ein System, das Bürokratie nicht nur abbaut, sondern ihr Wiederentstehen verhindert.
Reaktionen aus der Wirtschaft
Die Wirtschaft reagiert mit vorsichtigem Optimismus. Wolfgang Ecker, Präsident der Wirtschaftskammer Niederösterreich, nennt das Paket in einer Mitteilung „ein wichtiges Signal, aber noch keinen Befreiungsschlag“. Die Politik habe erkannt, dass dringender Handlungsbedarf bestehe. Doch 113 Maßnahmen seien nicht genug, um Unternehmen dauerhaft zu entlasten. Niederösterreich sei bereits weiter, etwa durch zentrale Koordination der Amtssachverständigen.
WKNÖ-Direktor Johannes Schedlbauer fordert eine konsequente Umsetzung und regelmäßige Überprüfung: „Die 113 Maßnahmen sind ein gutes Signal – doch sie müssen rasch und konsequent umgesetzt werden. Wir brauchen eine Verwaltung, in welcher neue Pflichten grundsätzlich kritisch geprüft, digitalisiert oder ersatzlos gestrichen werden.“
Auch Rainer Trefelik, Obmann der Bundessparte Handel in der Wirtschaftskammer Österreich, bewertet das Paket positiv: „Der Anfang ist getan. Das Entbürokratisierungspaket enthält viele Einzelmaßnahmen, die in Summe eine wichtige Entlastung für die Handelsbetriebe darstellen.“ Er warnt jedoch vor neuen Belastungen, etwa durch das geplante Shrinkflationsgesetz. Wer Bürokratieabbau ernst nehme, müsse in allen Bereichen für Entlastung sorgen.