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Eine offene Geldtasche mit zwei Geldscheinen und einer Rechnung. Im Hintergrund Lebensmitel.
Die Mehrheit der Österreicher fühlt sich zu wenig entlastet.
Die Mehrheit der Österreicher fühlt sich zu wenig entlastet.
ANP / picturedesk.com

Lidl-Aktion: Fällt jetzt die Mehrwertsteuer?

29.09.2023 um 12:00, Stefanie Hermann
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Lebensmitteldiscounter Lidl streicht die Mehrwertsteuer auf 100 Produkte – und fordert von der Politik ein temporäres Aussetzen. Das plant jetzt die Regierung.

Inflation und Teuerung machen den Menschen weiter schwer zu schaffen. Wie man diesem Umstand begegnen kann, darüber sind sich Experten, Bevölkerung und Regierung uneins. Als eine mögliche Maßnahme wird immer wieder das kurzzeitige Senken der Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel genannt.

Entlastung für Haushalte

Befürworter versprechen sich von einer Senkung, wenn nicht gar Aussetzung, eine Entlastung einkommensschwächerer Haushalte. Auch für die Wirtschaft hätte das Vorteile, sind sie überzeugt: Bleibt mehr Geld im Börserl, sind Menschen in der Regel kauffreudiger. Zudem handle es sich um eine Maßnahme, die man relativ schnell umsetzen könne.

Lidl prescht vor

Dem kann man auch auf Seite der Wirtschaftstreibenden etwas abgewinnen. Lebensmitteldiscounter Lidl ist kürzlich vorgeprescht und hat die Steuer auf 100 Produkte ausgesetzt. Bis Ende Oktober kostet das billigste Produkt der am häufigsten nachgefragten Lebensmittelgruppen (z.B. Bananen, Semmeln oder Joghurt) um 10 bzw. 20 Prozent weniger. Mit der Aktion will die Kette ein deutliches Zeichen für die temporäre Streichung der Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel setzen. Von der Idee bis zur Umsetzung habe man nur zehn Tage gebraucht, heißt es aus dem Unternehmen. Auch beim Discounter wünsche man sich eine schnelle Entlastung. "Das Aussetzen wäre eine Maßnahme, die ohne allzu großen laufenden administrativen Aufwand schnell umgesetzt werden kann", sagt Alessandro Wolf, Vorsitzender der Geschäftsleitung Lidl Österreich. Beim Discounter sei man bereit.

Rauch ist skeptisch

In der Regierung stößt das Ansinnen auf wenig Gegenliebe. Aktuell gebe es keine Pläne für ein entsprechendes Aussetzen. Das Sozialministerium äußert Bedenken, ob eine entsprechende Entlastung überhaupt als solche ankommen würde. "Eine allfällige Senkung der Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel müsste jedenfalls an die Kund:innen weitergegeben werden", lautet der Appell. Eine begleitende Überwachung der Maßnahme stelle sich kompliziert dar.

Ungeeignete Maßnahme

Eine klare Abfuhr gibt es sowohl aus dem Finanz- als auch aus dem Wirtschaftsministerium. Dort wird ebenso befürchtet, dass die Maßnahme nicht bei jenen ankommen würde, die sie benötigen. "Eine Senkung der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel sieht das BMAW, so wie viele Expertinnen und Experten, tendenziell kritisch", zeigt man sich auf Anfrage skeptisch. Die Senkung sei eine wenig treffsichere Maßnahme von der vor allem höhere Einkommen profitieren würden. Andere Entlastungsmaßnahmen halte man zur Stärkung der Kaufkraft für geeigneter. Und in diese ist man auch bereit kräftig zu investieren: 40 Milliarden Euro sollen bis 2026 dafür fließen. Im Bereich Lebensmittelhandel arbeite man außerdem an einem rechtlichen Rahmen zur Stärkung der Preistransparenz.

Abfuhr vom Finanzminister

"Die Anwendung ermäßigter Steuersätze stellt grundsätzlich eine ineffiziente, aber umso teurere Finanzierungsform zur Schaffung von Lenkungseffekten dar", findet man im Finanzministerium deutliche Worte für das Ansinnen. Statt eine Senkung der Preise für den Endverbrauch würde unnötiger wie teurer Verwaltungsaufwand entstehen. Auch dem Ansatz der "100 Produkte" steht man skeptisch gegenüber. "Grundnahrungsmittel unterliegen bereits einem reduzierten Steuersatz von 10 Prozent, die Auswahl eines weiteren 'Warenkorbs' (Abgrenzung von 'Lebensmitteln des täglichen Bedarfs') würde für zusätzliche Komplexität sorgen", heißt es gegenüber weekend.at.

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