Harte Vorwürfe: FPÖ wollte aufräumen, ÖVP schaute zu
Für den ehemaligen Leiter des Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) ist es der erste öffentliche Auftritt seit langem: Über fünf Jahre nach der Razzia im Bundesamt für Verfassungsschutz (BVT) packt Ex-Direktor Peter Gridling aus. Bislang ließ er die Vorgänge rund um die Razzia weitgehend unkommentiert. Die Durchsuchung am 28. Februar bezeichnet er als "Überfall" und Ausschaltungsversuch.
Kam der Auftrag von Kickl?
Bei Martin Thür in der ZIB2 geht Gridling weiter ins Detail. Die "Protagonisten" ortet er in der Führung des damals blau besetzten Innenministeriums. Der damalige Generalsekretär des Ministeriums, Peter Goldgruber, habe eine sehr aktive Rolle gespielt. Dass dieser den Auftrag von Innenminister und FPÖ-Chef Herbert Kickl erhalten habe, kann Gridling nicht belegen. Den Rückhalt seines Vorgesetzten habe er aber sicher gehabt. "Und er hat sich ja immer auf einen Ministerauftrag bezogen, im Innenministerium aufzuräumen", betont Gridling.
FPÖ wollte aufräumen
"Klar ist heute - und das ist aus vielen Dokumenten ersichtlich -, das war keine Panne. Die FPÖ hatte die Absicht, 'aufzuräumen', die ÖVP ließ sie gewähren und die WKStA ließ sich treiben", bekräftigt Gridling in einem Interview mit dem "Falter". Die Motive ortet er in den Berührungspunkten zwischen BVT und FPÖ. Das BVT hätte im Bereich Rechtsextremismus ermittelt, ein Bereich, mit dem die FPÖ nur wenig Berührungsängste habe. Gezielt gesucht sei bei der Razzia nicht geworden; es sei eher wahllos gesichtet und beschlagnahmt worden. Mitarbeiter hätten das Vorgehen als einschüchternd beschrieben.
Weil wir heute in der #zib2 auf die BVT-Ermittlungen zurückgeblickt haben, ist das ein guter Zeitpunkt dieses bemerkenswerte Protokoll einer Hausdurchsuchung in dem Komplex hervorzukramen. Man bekommt fast Mitleid mit den Beamten. pic.twitter.com/1YX9sVHOrU— Martin Thür (@MartinThuer) August 25, 2023
Umfärbung im BVT
Ziel sei letztlich eine Umfärbung des BVT gewesen. Das Bundesamt sei klar schwarz dominiert gewesen. Teilweise hätten Mitarbeiter nicht die nötigen Qualifikationen mitgebracht, lässt Gridling durchblicken. "Aber es war nicht generell so, und nicht jeder, der im BVT gearbeitet hat oder in dieser Zeit ins BVT gekommen ist, kann als Parteigänger bezeichnet werden."
Kritik an Nehammer
Heftige Kritik übt Gridling auch an Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP). Dieser habe die Razzia im Mai 2018 in einer Aussendung als "selbstverständlich mit der neuen Volkspartei abgestimmt und akkordiert" bezeichnet. "Ich hätte mir mehr Unterstützung gewünscht", sagt Gridling.
Gridling packt aus
Ausführlicher beschreibt Gridling die Vorgänge in seinem kommende Woche erscheinenden Buch "Überraschungsangriff". Dieses sei "ein Weg, die Arbeit der Mitarbeiter ins richtige Licht zu rücken", da "damals der Eindruck erweckt wurde, dass das BVT eine korrupte Organisation sei", der bis heute unwidersprochen geblieben ist.