Christian Kern hat Lust auf mehr
"Kannst du den Feind nicht besiegen, umarme ihn“, dürfte sich Pamela Rendi-Wagner gedacht haben, als sie Christian Kern zurück auf die politische Bühne holte. Das Wort „Feind“ mag in diesem Zusammenhang zwar martialisch klingen, im übertragenen Sinne hätte sich Kern aber durchaus zumindest zu einem potenziellen Mitbewerber entwickeln können. Schließlich halten sich seit Monaten die Gerüchte um eine eigene „Liste Kern“, genährt durch zahlreiche öffentliche Auftritte des Ex-Kanzlers. Rendi-Wagner, die sich in der Vergangenheit nicht immer durch taktisches Geschick auszeichnete, hat mit diesem move bewiesen, dass sie zu selbigem durchaus fähig ist. Ein Gegner aus den eigenen Reihen dürfte ihr zudem wohl reichen.
Frustbewältigung
Man sollte den Schulterschluss aber keineswegs als rein taktisches Manöver abtun. Zweifelsohne kann der Ex-Kanzler inhaltlich die ohnehin überschaubaren ökonomischen Kenntnisse der SPÖ-Frontfrau bereichern – vor allem am Energiesektor. Christian Kern andererseits ist zurück auf der politischen Bühne, ohne sich die Mühsal einer Listengründung antun zu müssen und ausschließlich auf die eigene Strahlkraft zurück geworfen zu werden. Das kann bekanntlich böse enden. Der Ex-Kanzler leckt noch immer die tiefe Wunde, die ihm Sebastian Kurz zugefügt hat. Das macht sich im Lebenslauf einfach nicht gut, Erfolge als Manager können das nicht aufwiegen. Christian Kern möchte politisch gestalten, zurück in die Arena. Rendi-Wagner hat nun die Tür einen Spalt geöffnet. Manche Beobachter meinen, dabei solle sie es auch belassen, denn sonst könnte der Ex-Kanzler Lust auf mehr bekommen.