Mehr Mut - mehr Musik - mehr Miteinander
Herr Trawöger, nach Ihrer zentralen Rolle im Brucknerjahr 2024 übernehmen Sie nun die künstlerische Leitung des Brucknerhauses Linz. Welche Erfahrungen aus diesem intensiven Jahr nehmen Sie mit?
Die Sehnsucht vieler Menschen, etwas gemeinsam zu erleben, zu schaffen und dabei Zusammengehörigkeit zu erfahren, ist größer denn je. Musik ist ein grenzenlos verbindendes Wundermittel. Ich mag Menschen und brenne für Musik, das Wunder meines eigenen Daseins. Kluge Leidenschaft und Begeisterung lassen sich schwer aufhalten. So ist uns die „Brucknerifizierung“ des Landes in einer Breite, Tiefe und erfindungsreichen Vielfalt gelungen, die uns und dem Geburtstagskind kaum jemand zugetraut hat. Dies geht nicht nur 2024 oder mit Bruckner, auch wenn der hierzulande immer eine Rolle spielen wird.
Das Brucknerhaus ist ein Traditionshaus mit internationaler Strahlkraft. Sie gelten als jemand, der Kultur gern öffnet, durchlässig macht und mit anderen Lebensbereichen verwebt. Wird das Brucknerhaus unter Ihrer Leitung auch gesellschaftspolitischer werden?
Wir müssen uns aus den Häusern zu den Menschen bewegen. Der LIVA-Resonanzraum ist dafür mit dem Posthof, dem Kuddelmuddel und den Sportstätten ein idealer Kosmos. Raus in die Stadt aufs Land, um Menschen neugierig machen. Das Brucknerhaus ist die konzertante Herzkammer unseres Landstrichs. Ein Ort des Zuhörens, der Exzellenz, der Vielfalt und dabei haben wir die Zugänglichkeit für möglichst viele Menschen dauernd im Blick zu behalten!
In Ihrer bisherigen Arbeit war immer wieder von „Kultur als Möglichkeitsraum“ die Rede. Welche neuen Räume – im übertragenen wie im realen Sinn – wollen Sie im Brucknerhaus aufstoßen?
Kultur ist der Raum, in dem wir die Möglichkeiten des Menschseins, des Zusammenseins verhandeln und erfahren. Die Kunst führt uns zum Zauberhaften, zum Staunen, zum Ungreifbaren des Menschseins, führt uns bei aller Unterschiedlichkeit zusammen. Das Brucknerfest soll eine Bewegung in Stadt und Land entfachen, die von den Klangereignissen im Epizentrum Brucknerhaus ausgeht. Die Klangwolke ist der Urknall zu Beginn. Dieser wird künftig viel mehr mit dem Fest, uns und der Stadt zu tun haben.

Welche Rolle sollen regionale freie Musikschaffende und neue künstlerische Stimmen künftig im Brucknerhaus bekommen?
Ohne Verwurzelung auf dem heimischen Klangboden, der sowieso intensiv klingt wie kaum woanders, wird das Brucknerhaus kein internationaler Leuchtturm sein können, der auch internationale Klangkörper und Solist:innen anzieht. Vernetzung und Vermittlung sind zentrale Leitmotive.
Sie waren lange als Musikvermittler aktiv – auch sehr praxisnah. Wird es unter Ihrer Leitung Formate geben, die Bildung und Hochkultur enger verknüpfen?
Ich bin und bleibe Vermittler auf Lebenszeit, dessen Begeisterungsfähigkeit und Erfindungsgeist keine Grenzen kennen und der erst gar nicht in Kategorien zu denken beginnt. Ich bin nicht naiv, weiß aber, wer von Musik ergriffen ist, braucht nichts zu wissen. Wissen schadet nie, aber die Erfahrung von Gänsehaut ist durch nichts zu ersetzen. Solche Erfahrungsräume gilt es zu bereiten.
Viele Kulturhäuser kämpfen derzeit mit einem veränderten Publikumsverhalten. Wie sieht Ihr Rezept für ein lebendiges, nahbares Brucknerhaus aus?
Im Schaffen von Situationen für Nähe, des Ergriffenwerden-Könnens und des Staunens, die nicht nur innerhalb der „Tempel“ eines Konzert- oder Opernhauses stattfinden. Die Wände müssen viel durchlässiger und hellhöriger werden. Ich träume von einem offenen Haus, in dem sich Groß und Klein, Jung und Alt gern aufhalten, nicht nur zu Konzertzeiten.
Was möchten Sie am Ende Ihrer ersten Spielzeit erreicht haben – programmatisch, atmosphärisch und im Verhältnis zur Stadt?
„Es ist wärmer geworden!“ wäre ein Satz, der mich dann freuen und mir zeigen würde, dass die Richtung stimmt: Ein Klimawandel der
positiven Art!