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Jan Marsalek im Vergleich – links im Anzug als Wirecard-Vorstand, rechts mit Bart und verändertem Aussehen während seiner Flucht.
Jan Marsalek vor seiner Flucht als Manager im Anzug (links) und später mit Vollbart unter neuer Identität (rechts).
Jan Marsalek vor seiner Flucht als Manager im Anzug (links) und später mit Vollbart unter neuer Identität (rechts).
Leopold Fiala Photography | Polizeipräsidium München

Jan Marsalek: Geheimleben in Moskau enttarnt

16.09.2025 um 18:28, Stefanie Hermann
min read
Neue Enthüllungen zeigen: Der Spion und Wirecard-Manager Jan Marsalek lebt unter dem Schutz des FSB in Moskau. Er soll in der Ukraine gekämpft haben.

Ein internationales Recherchekollektiv aus Spiegel, Standard, ZDF, The Insider und PBS hat den ehemaligen Wirecard-Vorstand Jan Marsalek in Moskau enttarnt. Der Österreicher lebt dort unter dem Schutz russischer Geheimdienste. Fotos, Passdokumente und Handyortungsdaten belegen, dass er nicht nur im Umfeld der FSB-Zentrale arbeitet, sondern auch im Ukraine-Krieg für Russland im Einsatz gewesen sein soll.

Jan Marsaleks Flucht 2020 nach der Wirecard-Pleite

Im Juni 2020 kollabierte der deutsche Dax-Konzern Wirecard nach der Enthüllung von Bilanzfälschungen und verschwundenen Milliarden. Während CEO Markus Braun verhaftet wurde, floh der Wirecard-Manager Jan Marsalek über den kleinen Flughafen von Bad Vöslau nach Belarus und weiter nach Moskau. Die Staatsanwaltschaft München ermittelt wegen gewerbsmäßigen Bandenbetrugs, besonders schwerer Untreue und weiterer Delikte. Interpol hat einen internationalen Haftbefehl erlassen.

Spurensuche über Handydaten und Leaks

Jetzt, Jahre später, konnten Reporter mehrerer internationaler Medien Marsalek über seine Tarnidentität Alexander Nelidow aufspüren. Eine Flugbuchung seiner Freundin Tatiana Spiridonova führte zu einer Telefonnummer, die wiederum Bewegungsprofile ermöglichte. Zwischen Jänner und November 2024 wurde das Telefon 304-mal in der Umgebung der FSB-Zentrale am Lubjanka-Platz registriert. Zusätzlich wurde es 103-mal bei einer Filiale der Transkapitalbank in Moskau geortet, die von US-Behörden als Herz der russischen Sanktionsumgehung bezeichnet wird.

Geheimidentität: Mann mit sechs Gesichtern

Marsalek nutzt mindestens sechs Identitäten. Dazu zählen die Tarnnamen Alexander Nelidow und Alexandre Schmidt, letzterer mit einem gefälschten belgischen Pass. Auch zwei orthodoxe Priester dienten ihm als Deckmantel. Mit diesen Identitäten reiste er auf die Krim, nach Mariupol und gründete Firmen in Moskau. Er ließ sich als Ukrainer eintragen, erhielt unter falschem Vorwand die russische Staatsbürgerschaft und bewegt sich so legal im Land.

Marsaleks Alltag zwischen Geheimdienst und Krieg

Wie die Recherchen des Journalistennetzwerks enthüllen, pendelt Marsalek unter dem Schutz von FSB und GRU zwischen Büroauftritten im Anzug und riskanten Einsätzen im Ukraine-Krieg. Fotos, die der russischen Investigativplattform The Insider vorliegen, zeigen ihn in Militärmontur mit dem Symbol Z. Daten belegen mindestens fünf Reisen auf die annektierte Krim und Aufenthalte in Mariupol. Auch am Grenzort Mitrofanowka wurde sein Smartphone erfasst. Russische Quellen bestätigen, dass Marsalek an Kampfeinsätzen teilgenommen hat.

Luxushotels und Haartransplantationen

Abseits seines Agentenlebens gönnt sich der ursprünglich aus Klosterneuburg bei Wien stammende Marsalek Aufenthalte im Swissotel an der Moskwa und in anderen Luxushotels. Mehrfach wurde das Telefon des 45-Jährigen nahe einer Klinik für Haartransplantationen geortet. Durch Moskau bewegt er sich unter anderem via E-Scooter und wurde dabei im April 2024 mit einer Verwaltungsstrafe belegt.

Marsaleks neue Freundin: Spionin im Auftrag des FSB

Privat ist Marsalek mit der 41-jährigen Übersetzerin Tatiana Spiridonova liiert. Sie soll über beste Geheimdienstkontakte verfügen und selbst für den FSB arbeiten. Spiridonova hat nachweislich sensible Geräte nach Russland gebracht. 2022 übernahm sie in Istanbul mehrere Smartphones österreichischer Spitzenbeamter und transportierte diese nach Moskau. Chats belegen, dass Marsalek den Transport koordinierte. Ihre Kontakte reichen zu GRU-Offizier Stanislaw Petlinski, der Marsalek bereits in seiner Wirecard-Zeit in Geheimdienstkreise einführte.

Österreich im Netz der Agenten

Marsaleks Umfeld in Österreich wird von Ermittlern seit Jahren geprüft. Gegen Egisto Ott läuft in Wien ein Verfahren wegen des Verdachts des geheimen Nachrichtendienstes zum Nachteil der Republik. Es gilt die Unschuldsvermutung. Martin Weiss, früher Abteilungsleiter im BVT, lebt laut Medienberichten in Dubai. Recherchen von Spiegel, Standard, ZDF, The Insider und PBS dokumentieren Kontakte beider zu Marsalek in dessen Wirecard-Zeit und danach. Politische Bezüge sind berichtlich belegt. So soll Marsalek in Moskau mit Wolfgang Sobotka zu Abend gegessen haben und beim Büroleiter von Herbert Kickl vorgesprochen haben. Diese Darstellungen beruhen auf den genannten Recherchen und Unterlagen.

Spionagering in London enttarnt

Britische Ermittler ordnen Marsalek einem bulgarischen Agentenring zu, der in London tätig war. Orlin Roussev, ein alter Geschäftskontakt, koordinierte mit Marsalek über 100.000 Chatnachrichten. Geplant waren Entführungen von Dissidenten und Journalisten, darunter Christo Grozev und Roman Dobrokhotov. „Wir haben jemanden zu entführen und nach Russland zu bringen. Es ist egal, wenn er stirbt, aber besser wäre, er käme lebend nach Moskau“, schrieb Marsalek 2021.

Mordpläne gegen Journalisten

Die Chats offenbaren auch, dass Marsalek 2022 die Ermordung eines Reporters erwog. „Besser ist ein Vorschlaghammer, Wagner-Style“, lautete seine Nachricht. Am Ende blieb es bei gescheiterten Entführungsversuchen, die Dimension seiner Aktivitäten überraschte aber selbst britische Richter. Bei den Bulgaren wurden 495 SIM-Karten, 200 Telefone, Drohnen und gefälschte Pässe gefunden.

Milliarden im Dunkeln

Die 1,9 Milliarden Euro aus Wirecard sind bis heute verschwunden. Marsalek nutzte Offshore-Konten und verschachtelte Firmen, Spuren führen nach Singapur, Schweiz, Schottland und Russland. In Moskau deutet vieles darauf hin, dass er sein Vermögen bei der Transkapitalbank verwahrt. Während sein ehemaliger Wirecard-Vorstandskollege Markus Braun in München vor Gericht steht, genießt Marsalek in Russland Schutz vor westlichen Ermittlungen.

Ermittler in Deutschland und Österreich machtlos

Deutsche Behörden haben ein Rechtshilfeersuchen nach Moskau gestellt, das bislang unbeantwortet blieb. Offiziell bestreiten russische Stellen, den Aufenthaltsort zu kennen. Österreichs Justiz ermittelt parallel gegen Egisto Ott und prüft weitere Verbindungen in die Politik.

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