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Nahaufnahme eines gestapelten Brokkoli-Sandwiches mit Paprika, Zwiebeln und Oliven, daneben frischer Brokkoli und eine Flasche Olivenöl auf Holztisch.
Nach dem Verzehr von eingelegtem Brokkoli sind drei Menschen an einer Botulismus-Vergiftung verstorben.
Nach dem Verzehr von eingelegtem Brokkoli sind drei Menschen an einer Botulismus-Vergiftung verstorben.
zeleno / iStock

Botulismus-Vergiftung: Drei Tote nach Brokkoli-Verzehr

09.08.2025 um 09:36, Stefanie Hermann
4 min read
Giftiger Brokkoli: In Kalabrien und Sardinien häufen sich Botulismus-Fälle. Mehrere Menschen liegen in kritischem Zustand auf der Intensivstation.

Inhaltsverzeichnis

In Italien ist die Besorgnis groß: Innerhalb weniger Tage sind drei Menschen nach dem Verzehr von in Öl eingelegtem Brokkoli an Botulismus verstorben. Die Fälle ereigneten sich in den Regionen Kalabrien und Sardinien. Betroffen ist ein kommerziell vertriebenes Produkt, das inzwischen landesweit aus dem Handel genommen wurde. Die Behörden haben ein Notfallprotokoll aktiviert, um weitere Erkrankungen zu verhindern.

Tragödie um drei Opfer

Der jüngste Todesfall betrifft den 52-jährigen Luigi Di Sarno aus Cercola bei Neapel. Während seines Urlaubs in Diamante, einer Kleinstadt an der kalabrischen Küste, kaufte er an einem Foodtruck ein Sandwich, das laut Ermittlungen mit Brokkoli aus einem kommerziellen Glas belegt war. Kurz nach dem Verzehr klagte Di Sarno über Unwohlsein. Er suchte eine Privatklinik auf, wurde jedoch entlassen. Wenige Stunden später rief er seine Schwester an: „Ich bin am Sterben, es geht mir nicht gut.“ Auf dem Weg ins Krankenhaus brach er im Auto zusammen.

Bereits am Tag zuvor war eine 45-jährige Frau gestorben, die am selben Foodtruck Gebäck gekauft hatte. Der dritte Fall ereignete sich auf Sardinien: Eine 38-jährige Frau aus Cagliari verstarb nach dem Verzehr einer Guacamole-Sauce auf einem Volksfest Ende Juli.

Fälle häuften sich

In Kalabrien mussten neun weitere Personen nach dem Konsum von Brokkoli-Sandwiches ins Krankenhaus eingeliefert werden, vier von ihnen liegen in kritischem Zustand auf der Intensivstation. Auf Sardinien befinden sich acht weitere Volksfestbesucher in medizinischer Behandlung, darunter ein elfjähriger Bub, der in ernstem Zustand in eine Spezialklinik nach Rom verlegt wurde. Sein Zustand ist stabil, er soll operiert werden, um die Atmung zu sichern.

Das für Botulismus notwendige Antidot ist in Italien nicht in Krankenhäusern vorrätig und muss im Bedarfsfall zentral beschafft werden. Angesichts der Zahl der Fälle wurden sieben Ampullen an die Intensivstation im Krankenhaus Annunziata in Cosenza geliefert.

Staatsanwaltschaft ermittelt

Die Staatsanwaltschaft in Paola hat ein Ermittlungsverfahren wegen „Tod als Folge einer Straftat“ und „Inverkehrbringen gesundheitsgefährdender Lebensmittel“ eingeleitet. Auch das Vorgehen der Privatklinik, die Luigi Di Sarno wieder entlassen hatte, wird untersucht. Das italienische Gesundheitsministerium ließ das betroffene Produkt landesweit beschlagnahmen. Zusätzlich wurden alle Konserven in Öl einer verschärften Kontrolle unterzogen. Das Notfallprotokoll sieht unter anderem die Information der Bevölkerung, den Rückruf betroffener Ware und die medizinische Überwachung aller potenziell Erkrankten vor. Der Konsumentenschutzverband Codacons prüft eine Sammelklage.

Botulismus: lebensgefährliche Vergiftung

Botulismus ist eine potenziell tödliche Vergiftung, die durch das Bakterium Clostridium botulinum verursacht wird. Das Bakterium produziert ein Nervengift, das zu den stärksten bekannten Toxinen der Welt zählt. Schon winzigste Mengen können die Signalübertragung zwischen Nerven und Muskeln blockieren und so innerhalb weniger Stunden zu einer Atemlähmung führen.

Symptome und Behandlung

Die ersten Krankheitszeichen treten meist 12 bis 36 Stunden nach dem Verzehr belasteter Lebensmittel auf, in manchen Fällen auch erst nach mehreren Tagen. Typisch sind Sehstörungen, Schluckbeschwerden, Erbrechen und eine fortschreitende schlaffe Lähmung. Betroffene müssen sofort intensivmedizinisch behandelt werden. Das Antidot kann das Gift neutralisieren, wirkt jedoch nur, bevor es an die Nervenrezeptoren gebunden hat. Häufig ist zusätzlich eine künstliche Beatmung notwendig. In seltenen Fällen kann die chirurgische Entfernung eines Teils des Dickdarms notwendig werden.

Risikofaktoren und Entstehung

Clostridium botulinum gedeiht in sauerstoffarmen Umgebungen. Besonders gefährdet sind Lebensmittel in luftdichten Behältnissen, etwa Konserven oder vakuumverpackte Produkte. In Öl eingelegte Gemüse wie Brokkoli, Paprika oder Knoblauch sind ein bekanntes Risiko – auch bei industrieller Herstellung kann eine Vermehrung des Bakteriums nicht vollständig ausgeschlossen werden. Die Sporen überleben Temperaturen bis zu 121 °C und können in Böden, Sedimenten und auf der Oberfläche vieler Lebensmittel vorkommen.

Vorbeugung

Um eine Infektion zu vermeiden, sollten eingeweckte oder vakuumverpackte Lebensmittel vor dem Verzehr gründlich erhitzt werden. Selbst hergestellte Kräuter- oder Gemüseöle sollten nur frisch zubereitet oder vor dem Verzehr erhitzt werden. Für Kinder unter einem Jahr ist Honig tabu, da er Botulismus-Sporen enthalten kann, denen der Organismus von Säuglingen noch nichts entgegenzusetzen hat.

Das deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) empfiehlt zusätzlich, bei in Öl eingelegtem Gemüse und Kräuterölen auf eine konstante Kühlung unter 3–8 °C zu achten und den Säure- sowie Wassergehalt der Produkte zu kontrollieren. Ein niedriger Wassergehalt und ein ausreichend hoher Säuregehalt hemmen das Wachstum von Clostridium botulinum deutlich. Nur unter kontrollierten Produktionsbedingungen kann das Risiko zuverlässig minimiert werden.

Weisen Konserven oder Dosen gewölbte Deckel aus oder sind Einmachgläser undicht, nichts wie weg damit.

Häufigkeit

In Österreich ist Botulismus meldepflichtig, aber sehr selten: Seit dem Jahr 2000 wurden lediglich 20 Fälle registriert, kein Todesfall seit Einführung der künstlichen Beatmung. In Deutschland gab es zwischen 2008 und 2013 insgesamt 36 Fälle, mindestens einer mit tödlichem Verlauf.

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