Quantenmacht Österreich
Inhalt
- Beam mich hoch, Anton!
- Von Los Angeles nach Linz
- Herausforderung Hardware
- Quantum Race
- Die Physik dirigiert
Veterinärmediziner brauchen nicht lange, um festzustellen, ob eine Katze lebt oder bereits das Zeitliche gesegnet hat. Physiker rätseln hingegen schon seit 90 Jahren über das Schicksal eines imaginären Vierbeiners. 1935 formulierte der Nobelpreisträger Erwin Schrödinger sein Gedankenexperiment mit der berühmten Katze in einer Kiste. Nach einer Stunde wird durch einen Mechanismus mit 50-prozentiger Wahrscheinlichkeit tödliches Gift freigesetzt, das Schicksal der Katze ist damit ungewiss. Die bizarre Konsequenz: Die Katze ist zugleich quicklebendig und mausetot. Und ähnlich ist es in der Quantenwelt: Ein Teilchen kann sich zeitgleich in mehreren Zuständen befinden. Doch wie kam es zu dieser Erkenntnis, und welche Forschung baut heute noch auf den Erkenntnissen Schrödingers auf?
Beam mich hoch, Anton!
Die „Geburtsstunde“ der modernen Quantenmechanik war schon im Jahr 1925. Die drei deutschen Forscher Werner Heisenberg, Max Born und Pascual Jordan waren die Schöpfer der Theorie. Über einen vollkommen anderen Ansatz gelang Schrödinger dann wenige Monate später der Durchbruch. Doch damit endet Österreichs Beitrag zur Quantenwissenschaft noch nicht. Während der „zweiten Quantenrevolution“ bauten die beiden Wegbereiter Ignacio Cirac und Peter Zoller im Jahr 1995 einen der ersten Ionenfallen-Quantencomputer. Besondere Berühmtheit erlangte Anton Zeilinger. Ihm gelang 1997 erstmals die Quantenteleportation des Zustands eines Photons, was ihm den Spitznamen „Mister Beam“ einbrachte. 2022 erhielt Zeilinger dann die höchste wissenschaftliche Auszeichnung: den Nobelpreis für Physik. Zum „Internationalen Jahr der Quantenwissenschaft“ besuchte Anton Zeilinger die JKU. Der Andrang bei seinem Vortrag war überwältigend und der 79-Jährige fühlte sich sichtlich wohl im Kreise seiner Linzer Kollegen. Kein Wunder, denn die JKU betreibt auf diesem Gebiet Spitzenforschung.

Von Los Angeles nach Linz
Das Quantenjahr wurde in Linz gebührend mit einem wissenschaftlichen Durchbruch eröffnet. Gemeinsam mit Kollegen aus Cambridge erzielten Wissenschaftler der JKU rund um Professor Armando Rastelli einen bedeutenden Erfolg. Sie konnten zeigen, dass Quantenpunkte auch als Quantenknoten verwendet werden können. Damit ist eine wesentliche Voraussetzung für Quanteninternet geschaffen. Einen hohen Nutzen verspricht sich die Wirtschaft von Quantencomputern. „Bei Quantencomputern ist Österreich tatsächlich viel größer, als man beim Blick auf die Landkarte meinen mag“, sagt Rastellis Kollege Richard Küng. 2020 ließ er das renommierte Caltech in Los Angeles hinter sich und kehrte in seine Heimat zurück. Damals akzeptierte er eine Tenure-Track-Stelle an der JKU, sozusagen eine befristete Professur. Der Wechsel vom amerikanischen System, wo Tenure-Track-Professuren mit großzügigem Startkapital ausgestattet sind, in den österreichischen Forschungsalltag war ein Kulturschock: Sicherheit statt Start-up-Spirit. Doch Küng blieb dem österreichischen Universitätssystem treu und innerhalb von vier Jahren stieg er zum ordentlichen Professor auf – eine steile Karriere, wie sie nur an Universitäten wie der JKU möglich sei, meint er. „Jetzt bin ich in einer Position, wo mich meine amerikanischen Professorenkollegen beneiden.“

Herausforderung Hardware
Küngs Forschungsschwerpunkt liegt auf den Quantencomputern. Ziel ist es, quantenmechanische Effekte zu nutzen, um Rechenoperationen durchzuführen, die unsere Computer nicht können. Konventionelle Computer sind heute weit entwickelt, rechnen in Lichtgeschwindigkeit und selbst komplexe Systeme, wie ChatGPT, laufen auf dieser Technologie. Großes Potenzial sieht Küng bei den Quantencomputern dennoch, beispielsweise bei der Medikamentenherstellung. Konventionelle Supercomputer tun sich nämich schwer, chemische Reaktionen zu simulieren. „Die geballte Rechenkraft hinter ChatGPT wäre nicht in der Lage, durchzusimulieren, wie Photosynthese funktioniert“, so der JKU-Professor, „ich hoffe, dass Quantencomputer hier einen Unterschied machen können.“
In eine ähnliche Kerbe schlägt auch Stefan Hillmich. Er ist Gruppenleiter für Quantencomputing am Software Competence Center Hagenberg – kurz SCCH. „Ein Quantencomputer ist kein magisches Pulver, das man über ein Problem streut. Man muss genau wissen, wo er seine Stärken ausspielt.“ Auch er sieht Hardware als die größte Limitierung, doch diese Herausforderung könnte bald gelöst sein, wenn man einen Blick auf die andere Seite des großen Teichs wirft.

Quantum Race
Big Tech arbeitet bereits an eigenen Quantencomputern. Google, Amazon und IBM unterhalten große Forschungszentren und besitzen auch die notwendigen Ressourcen. Und jeder möchte der Erste sein, der Quantenchips auf den Markt bringt – es ist ein Wettrennen zur neuen Technologie, wobei sich manche schon auf der Zielgeraden wähnen. Google und Microsoft sehen sich weniger als ein Jahrzehnt vom kommerziellen Quantencomputer entfernt. Während andere noch an den Chips schrauben, ist das SCCH auf die Vorbereitung konzentriert. Denn wenn die Hardware skalierbar sein wird, sollen Modellierungen, Simulationen und Algorithmen bereit für den Einsatz sein, erklärt Hillmich. Das hat das Potenzial, einen Startvorteil für den Standort in Oberösterreich zu bringen. Große Unternehmen wie die voestalpine arbeiten daher bereits mit dem SCCH zusammen, um festzustellen, wie die heimische Industrie von der Technologie profitieren kann.

Die Physik dirigiert
Der Nobelpreis-Gewinn und das Quantenjahr haben das Interesse der Menschen in Österreich befeuert. Hillmich erzählt von hoher Neugier vonseiten der Unternehmen: „Wir bekommen derzeit viele Anfragen aus der Wirtschaft. Menschen rufen uns an und sagen: ‚Uns interessieren Quantencomputer, können Sie uns das erklären?‘“ Um genau das zu schaffen, hat das SCCH ein besonderes Tool entwickelt: den „Quantum Table“. Dabei handelt es sich um einen interaktiven Tisch, auf dem mittels Projektion und Bausteinen Quantenschaltkreise gebaut und simuliert werden können. „Mit dem Quantum Table kann man niedrigschwellig den Effekt von verschiedenen Operationen auf Quantenzustände erproben und direktes Feedback erhalten“, erklärt Hillmich den Demonstrator. Auch Küng ist es ein Anliegen, den Menschen seine Forschung näherzubringen. Und das war auch ein Grund, warum Küng wieder nach Österreich zurückkehrte: „Ich wollte nicht abhängig sein von Konzernen und meine Forschung frei zugänglich machen.“ Österreich ist für ihn eines der wenigen Länder, wo das möglich ist. „Ich bin keinem Elon Musk weisungsgebunden“, sagt er, „aber dafür habe ich eine Verpflichtung gegenüber der Bevölkerung.“ Eine etwas andere Art der Wissenschaftsvermittlung war für Küng das sogenannte „BruQner“. Bei dem Konzert im Brucknerjahr 2024 ersetzten verschränkte Photonenpaare aus Lasern den Dirigierstab. Das ist Musik in den Ohren nicht nur jener, die auf eine baldige Nutzung der Technologie in der Wirtschaft hoffen.
