Und es gibt sie doch!
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Er war Herausgeber, Philosoph und sogar Minister, ehe er sich dann auf Wanderschaft begab und sich als Lehrer „selbstständig“ machte: Konfuzius. Und eben jener Konfuzius prägte den Satz: „Wenn du liebst, was du tust, wirst du nie wieder in deinem Leben arbeiten.“ Ein Satz, der in vielen Büros, Trainingsräumen, Praxen, Kanzleien, Kleinlastwagen oder Baustellencontainern von EPU hängen könnte. Rund 357.000 – also 61 Prozent aller Unternehmen in Österreich – sind EPU. 51,2 Prozent von ihnen wurden von Frauen gegründet. Die Top-3-Branchen umfassen Personenberater und -betreuer vor Unternehmensberatung und IT sowie persönlichen Dienstleistern. Sie sind in fast allen Branchen tätig (nur im Bankwesen nicht) und daher so unterschiedlich wie keine andere Unternehmergruppe. Was vereint sie also? Michael Stingeder, EPU-Sprecher in der WKOÖ, ist seit 2001 selbstständig und arbeitet seit 2003 als Energetiker sowie als Lebens- und Sozialberater in Gallneukirchen. Für ihn ist die Gruppe geschlossener, als es den Anschein hat. „Es gibt bei allen Unterschieden ein gemeinsames Mindset und das schafft ein Wir-Gefühl“, sagt er im Interview.
Nummer eins bei Ü55-Gründern
Das Wachstum bei EPU-Gründungen ist konstant und – geht es nach dem Global Entrepreneurship Monitor (GEM), der weltweit umfassendsten Studie zum Unternehmertum – wird das auch so bleiben. Der GEM bescheinigt, dass Selbstständigkeit in Österreich durchaus erstrebenswert ist. 46 Prozent der arbeitenden Bevölkerung sehen ein Gründungspotenzial und könnten es sich „grundsätzlich“ vorstellen, doch nur 7,5 Prozent wagen den Schritt tatsächlich (der vorletzte Platz in der EU). Der größte Hemmschuh: 44 Prozent haben Angst vor dem Scheitern. Erstaunlicherweise holt Österreich den ersten Platz, wenn es um „Senior Entrepreneurship“ geht. In keinem anderen Land in Europa gründen mehr über 55-Jährige. GEM-Partner EY hat eine Erklärung dazu: „Zurückzuführen ist das unter anderem auf das hohe Ausbildungsniveau, der Akademiker-Anteil stieg in den letzten zwei Jahren von 22 auf 24 Prozent.“ Gründer verfügen nämlich über deutlich höhere Bildungsabschlüsse als die Gesamtbevölkerung.

Freiheit vs. Sicherheit
Die Hauptmotivation, sich selbstständig zu machen, bleibt dabei die Freiheit. Die Freiheit, sich seine Zeit einzuteilen, die Freiheit, seine Talente und Potenziale auszuleben und die Freiheit, sich ohne interne Führungsebene über einem zu verwirklichen. Doch Freiheit impliziert auch einen Mangel an Sicherheit. Das soziale Netz für EPU ist dünn. Wer krank ist, ist einkommenslos. Wer einen großen Kunden verliert, kann in existenzielle Schwierigkeiten kommen. Ein EPU ist eben selbst und ständig für sich verantwortlich. Thomas und Eva Hummer (weder verwandt noch verschwägert mit WKOÖ-Präsidentin Doris Hummer) aus St. Georgen sind ein EPU-Ehepaar. Thomas Hummer betreibt ein IT-Dienstleistungsunternehmen, seine Frau Eva ein Yogastudio. Haben sie jemals Zukunftsängste? Eva Hummer verneint das: „Ich mache mir keine Gedanken und gehe davon aus, dass ich noch mit 80 Yogastunden gebe.“ Ihr Ehemann, seit 1997 selbstständig, war ohnehin nur ein halbes Jahr angestellt und schätzt die Selbstständigkeit mit all ihren Vor- und Nachteilen: „Die Firma, für die ich arbeitete, ging in Konkurs. Die Selbstständigkeit war der einfachste Weg, die Kunden des Unternehmens weiter zu betreuen. Für mich war die Selbstständigkeit ohnehin aufgelegt, weil ich ein latentes Autoritätsproblem habe.“ Eva Hummer ist seit sechs Jahren selbstständig. Nach Jahren im Bankwesen und der Geburt der vier Kinder betreute sie die familieneigene Landwirtschaft. „Nach dem ersten Kind habe ich einen Ausgleich gesucht und bin so auf Yoga gestoßen. Aus dieser Leidenschaft wurde später mein Beruf.“

EPU werden sichtbar
Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist ebenso ein großer Treiber, ein EPU zu gründen. „In meiner Branche ist es egal, wo man ist, vieles geht remote. Ich kann daher oft von zu Hause aus arbeiten. Es macht einen Unterschied, ob man seine Kinder nur ein paar Minuten in der Früh und am Abend zu Gesicht bekommt oder mehr Zeit mit ihnen verbringen kann“, so Thomas Hummer. Seine Frau sieht das ähnlich. Ein EPU ermöglicht einen flexibleren Umgang mit den Lebensphasen. „Die freie Zeiteinteilung macht es interessant. Ich pflege meine Mutter und kann alles besser vereinen.“ Dass EPU nun auch von der Politik entdeckt wurden, freut beide. Die neue Regierung hat ein eigenes EPU-Paket geschnürt. Ein Paket, das unter anderem die Anhebung des Gewinnfreibetrags, der Pauschalierung oder Erleichterungen bei Betriebsausgaben und Sonderabschreibungen vorsieht. „Zwar ist in diesem Paket für mich persönlich nicht viel dabei, aber es ist grundsätzlich gut, dass EPU gesehen werden. EPU kamen fast nie vor, weder in Wahlkämpfen noch in der Öffentlichkeit. Die meisten Menschen wissen gar nicht, wie viele wir sind.“ Seine Frau lobt die neuen Regelungen, die für die Zuverdienstgrenze und die Belegspflicht kommen sollen. „Das erleichtert die Verwaltung.“ Doch würde das „EPU-Ehepaar“ ihren vier Kindern die Selbstständigkeit empfehlen? „Ich würde das unterstützen, aber auch aufmerksam machen, dass das eine Herausforderung ist. Die Nachteile bekommen sie ohnehin von uns mit“, so Eva Hummer, und Ehemann Thomas ergänzt: „Es geht um das, was Spaß macht – dann ist es keine Arbeit, egal, in welchem Verhältnis.“ Womit sich der Kreis zu Konfuzius wieder schließt.