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Frau steckt Weinflasche in ihre Jacke.
Die Zahl der Ladendiebstähle stieg im vergangenen Jahr um 21 Prozent. Zumeist handelt es sich um Gelegenheitsdiebe.
Die Zahl der Ladendiebstähle stieg im vergangenen Jahr um 21 Prozent. Zumeist handelt es sich um Gelegenheitsdiebe.
industryview / iStock / Getty Images Plus

Tatort Einzelhandel – Maßnahmen gegen Diebstahl

13.07.2023 um 11:30, Michael Schwarz
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Ladendiebe feierten 2022 Hochkonjunktur. Die Anzahl der angezeigten Fälle stieg deutlich. Wie sich Unternehmen schützen, lesen Sie hier.

Es ist ein gewöhnlicher Einkaufssamstag. Die Schlange beim Ausgang des Elektrofachhändlers wird immer länger und der Kassamitarbeiter versucht sein Arbeitstempo zu erhöhen. Was er jedoch nicht weiß: In dem Karton eines günstigen Staubsaugers, dessen Barcode er gerade scannt, versteckt sich eigentlich eine teure Spielkonsole. Und der Rucksack, der sofort ohne Aufforderung präsentiert wurde, hatte einen doppelten Boden, der mit Speicherkarten befüllt wurde. „Bei den Tricks hat sich nichts verändert“, erklärt Bernhard Fuchs, Landesdirektor des Sicherheitsdienstes ÖWD Security. An der Häufigkeit aber schon: 2022 wurden in Ober­österreich 21 Prozent mehr Ladendiebstähle angezeigt als noch im Jahr davor. Und selbst im Jahr 2019, noch bevor die Pandemie Europa erreichte, lagen die ­Ladendiebstähle 10 Prozent unter dem Schnitt von 2022. Handelsverband-Geschäftsführer Rainer Will berichtete, dass sich die Fallzahlen bei manchen Händlern zuletzt verdreifachten. 

Je kleiner, je ungesicherter, je wertvoller, desto futsch.

Roman Seeliger

Vorsicht statt Nachsicht

Laut Wirtschaftskammer Österreich handelt es sich bei 95 Prozent um Gelegenheitsdiebe. Die Hintergründe und Motive der Täter sind laut Bundeskriminalamt äußerst vielfältig, wobei unter anderem Nervenkitzel, Zwang und finanzielle Notlagen aus Kunden Diebe machen können. Darüber hinaus stellt die Landespolizeidirek­tion derzeit eine steigende Anzahl an ausländischen Tätergruppen fest. Auch Bernhard Fuchs hält fest: „Die Professionalität und Zusammenarbeit von Gruppierungen hat im Gesamten zugenommen.“ Besonders betroffen sind Lebensmittelmärkte, Parfüme­rien, Drogerien, aber auch ­Baumärkte. Zum Diebesgut erklärt Roman Seeliger, Referent der Bundessparte Handel der Wirtschaftskammer: „Je kleiner, je ungesicherter, je wertvoller, desto futsch.“ Häufiges Diebesgut sind Einwegrasierer, Lippenstift, Speicherkarten und andere kleine ­Objekte. Um sich vor Kriminalität zu schützen, ergreifen heimische Händler bereits eine Vielzahl von Maßnahmen. Am häufigsten verbreitet sind Mitarbeiterschulungen und Videoüberwachung. Daneben verschließen zahlreiche Unternehmen ihre Betriebsräume, nutzen Warensicherungsanlagen oder versehen unübersichtliche Ladenbereiche mit Spiegeln. Aufgrund der Auswirkungen der Teuerung trafen Händler bei bestimmten Warengruppen zuletzt weitere Sicherheitsvorkehrungen. So wurde in manchen Wiener Supermärkten die Butter mit magnetisierten Aufklebern versehen. Lediglich 16 Prozent der befragten Unternehmen setzten bisher noch keine konkreten Maßnahmen gegen Kriminalität.

Dieb geschnappt – und nun?

Ladendiebstahl ist kein Kavaliersdelikt, bereits der Versuch ist strafbar. 2021 konnten in Österreich 87,2 Prozent der angezeigten Ladendiebstähle aufgeklärt werden. Zahlreiche Diebstähle bleiben jedoch unbemerkt und werden daher nie zur Anzeige gebracht. Welche Möglichkeiten haben Einzelhändler überhaupt, wenn sie Personen des Ladendiebstahls verdächtigen? Wird der Dieb in flagranti ertappt, kann der Unternehmer vom Privatanhalterecht Gebrauch machen. Die Polizei muss umgehend informiert werden und der Verdächtige darf bis zu ihrem Eintreffen auf angemessene ­Weise festgehalten werden. Aber Achtung: Auch der Händler steht in der Verantwortung. Taschenkontrollen können beispielsweise nur auf freiwilliger Basis durchgeführt werden. „Zu vermeiden sind unmittelbare Vorwürfe“, teilte Jacqueline Bichler, Rechtsanwältin bei Stadler Völkel Rechtsanwälte GmbH, auf Nachfrage mit, „in vielen Fällen macht es Sinn, Kunden zuerst zu beobachten und erst nach Passieren des Kassenbereichs anzuhalten.“ Es bleibt abzuwarten, wie sich die Situation entwickelt. Angesichts steigender Inflation und Teuerung könnten aber noch mehr Menschen ins Regal greifen – und das, ohne zu bezahlen. 

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