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Robo-Advisor
958,4 Milliarden US-Dollar sollen laut Prognosen 2021 von Finanzrobotern weltweit verwaltet werden.
958,4 Milliarden US-Dollar sollen laut Prognosen 2021 von Finanzrobotern weltweit verwaltet werden.
style-photography / iStock / Getty Images Plus

Robo-Advisors: Revolutiönchen

01.06.2021 um 10:00, Jürgen Philipp
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Für die einen ein nicht kalkulierbares Risiko, für die anderen die Zukunft: Robo-Advisors. Ihre Algorithmen managen kleinere Vermögen und versprechen professionelles Finanzmanagement. Bedeuten sie das Ende des klassischen Bankberaters?

Sie verkündeten das Ende der klassischen Anlageberatung – Robo-Advisors. Algorithmen sollen besser sein als der Mensch, weil der unflexibel und oft irrational handelt. Nun, ganz so ist es nicht gekommen und es zeigt sich, dass auch Robo-Advisors irrational und unflexibel agieren. Doch was ist überhaupt ein Robo-Advisor? Im Grunde handelt es sich um eine Form der künstlichen Intelligenz, die Portfolios überwacht und so eine automatisierte Vermögensverwaltung möglich macht. Der hohe Automatisierungsgrad senkt die Verwaltungskosten, sodass Services von Robo-Advisors bereits ab einem Prozent der Anlagesumme möglich sind. Besonders beliebt sind die Finanzroboter bei kleineren Portfolios ab etwa 5.000 Euro.

Missing Link der Anlageform

Die klassische Vermögensverwaltung kam dadurch nicht ins Wanken. Der größte Robo-Advisor weltweit – Merrill Edge Guided Investing – verwaltet weltweit gerade einmal 200 Milliarden US-Dollar. 2021 rechnen Analysten mit einer durch Robo-Advisors verwalteten Anlagesumme von 958,4 Milliarden US-Dollar. Das ist deutlich von den bis 2020 prognostizierten acht Billionen US-Dollar entfernt, welche BI Intelligence mit dem Aufkommen der ersten Finanzroboter errechnete. Dennoch gibt es starkes Wachstum der virtuellen Anlage­berater. Allein für Deutschland wird ein jährliches Wachstum bis 2023 von über 40 Prozent per anno prognostiziert. Das Wachstum wird aber weniger von den Finanzroboter-Diensten an sich generiert, sondern von den klassischen Banken, welche die Technologie als Missing Link zur Verwaltung größerer Vermögen auf der einen Seite und der DIY-Verwaltung auf der anderen einsetzen.

Transparenz und Übersicht

Eine weitere Einschränkung der Portfolioverwaltung via Robo-Advisor ist, dass nur passive Indexfonds – sogenannte ETF (Exchange Traded Funds) – berücksichtigt werden. Allein in Deutschland gibt es mehr als 2.000 solcher ETF. Privatpersonen, die ihre Portfolios selbst verwalten, könnten nie die Übersicht über alle Titel haben. Robo-Advisors „grasen“ alle ab und können rasch auf Änderungen reagieren und deutlich schneller umschichten. Dazu werben die Anbieter mit mehr Transparenz, nicht nur bei den Tradingkosten, sondern beim Portfolio an sich. Ein Smartphone reicht, um sein Vermögen professionell zu managen bzw. managen zu lassen.

Synergien zur klassischen Bankenwelt

Bleibt schließlich noch die Performance. Schlagen Robo-Advisors klassische Anlageberater? Dieser Frage gehen diverse Finanzportale regelmäßig nach. Eine eindeutige Antwort gibt es nicht. Tatsächlich arbeiten die meisten am Markt verfügbaren Finanzroboter ordentlich und transparent. In manchen Fällen übertrumpfen sie die menschlichen Experten, in manchen liegen sie deutlich darunter. Im Schnitt liegen KI und Mensch gleichauf. Robo-Advisors werden die Bankenwelt also nicht crashen. Sie sind aber eine vernünftige und kostengünstige Alternative für kleinere und mittlere Vermögen und machen damit Banken keine Konkurrenz, sondern ergänzen sie nur.

Interview Iris Häuserer

„Sie halten uns auf Trab“

Sind FinTechs, Finanzroboter, Börsen-Apps und Co eine Bedrohung für das Bankwesen? Iris Häuserer, Leiterin Privatkunden und Private Banking Hypo Vorarlberg, sieht das nicht so.

CHEFINFO: Könnten aus Ihrer Sicht FinTechs wie Finanz­roboter das klassische Bankwesen ersetzen oder gar gefährden?

Iris Häuserer: Bevor die ersten FinTechs auf den Markt kamen, hatte es den Anschein, als wollten sie die Großbanken stürzen. Doch es kam anders. FinTechs sind Partner der Banken geworden. Dazu kommt, dass Banken im Gegensatz zu FinTechs großes Vertrauen genießen. Sie halten uns aber mit guten ­Ideen auf Trab. Deshalb gibt es Synergien und wir können gemeinsam in die Zukunft gehen. FinTechs können unsere Prozesse optimieren und die Digitalisierung im Bankwesen beschleunigen. Was sie nicht können, ist, eine Kundenbeziehung aufzubauen. Die ist im Bankwesen aber essenziell. Dass die IT im Bankwesen noch wichtiger werden wird, zeigt allein der Fakt, dass wir einen dritten Vorstand bekommen haben, der ausgewiesener IT-Experte ist.

Zitat Iris Häuserer

CHEFINFO: Ist der Faktor Mensch, also eine haptische Person, als Bankberater unersetzbar?

Häuserer: Das glaube ich, wird zumindest die nächsten 20 Jahre nicht der Fall sein. Kunden machen sich zwar im Internet über gewisse Produkte schlau, besprechen das aber mit dem Bankberater. Natürlich haben wir auch ganz andere Regularien. Die meisten FinTechs haben ja keine Banklizenz. Wir müssen uns etwa an die MiFID-Richtlinie der EU halten, die den Kunden weitreichende Sicherheiten bietet. Wir müssen sie genau aufklären und transparent handeln. FinTechs haben da weder Interesse noch das Know-how, unsere Auflagen zu erfüllen.

CHEFINFO: Manche FinTechs, wie kürzlich Robinhood, demonstrieren ihre Macht. Kann das die Finanzwelt nachhaltig beeinflussen?

Häuserer: Ich finde es schon bedenklich, wenn etwa ein einziger Tweet von Elon Musk Auswirkungen auf die Börse hat. Die klassischen Robinhood-Kunden sind aber nicht unsere Klientel. Unsere Kunden wollen ein ordentliches Vermögensmanagement. Wir sehen aber, dass sich auch schon die Kinder unserer Stammkunden über das Börsen­geschehen schlaumachen. Sie sind zum Teil erstaunlich gut informiert und kaufen – natürlich in geringerem Umfang – auch schon mal den einen oder anderen Aktientitel.

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