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Neu eröffnete Cupra City Garage in Wien: Hotel­lobby-Feeling statt klassischer Showroom für Automobile.
Neu eröffnete Cupra City Garage in Wien: Hotel­lobby-Feeling statt klassischer Showroom für Automobile.
Neu eröffnete Cupra City Garage in Wien: Hotel­lobby-Feeling statt klassischer Showroom für Automobile.
Porsche Holding GmbH

Mit Hirn, Charme und Emotionen

05.06.2025 um 15:17, Klaus Schobesberger
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Psychologie. Espresso im Concept-Store, gemütlich Abhängen im automobilen Brandland, Community-Treffen im Clubhouse: Shops bieten Erlebnisse.

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Wer sich mit Freunden in entspannter Atmosphäre zum Espresso oder zu einem Drink treffen möchte, muss dafür nicht zwangsläufig die typischen Wiener Cafés oder Restaurants aufsuchen. Es kann neuerdings auch die Cupra City Garage sein. Mitte Mai eröffnete der laut Eigendefinition „Urbane Hotspot für Design, Kultur und Community“ auf knapp 500 Quadratmetern in bester Innenstadtlage zwischen Kärntner Straße und Albertina seine Pforten. Verkaufsberater sucht man hier vergeblich. Dafür werden neugierige Kunden von katalonischem Flair und freundlichen Baristas empfangen. Geboten werden Kaffee, Aperitifs oder Tapas. Wer ungestört auf seinem Notebook arbeiten oder sein Smartphone aufladen möchte, kann das auch hier tun. Auch wenn die Insignien der schnell wachsenden spanischen Automarke allgegenwärtig sind, will man dennoch kein Showroom sein, wie sie inzwischen häufig in den europäischen Metropolen anzutreffen sind. „Uns war es von Anfang an wichtig, diese Location mit einem hochwertigen und einladenden Bar- und Gastroangebot auszustatten und mit dem Konzept einer Garage und einer Eventlocation zu verbinden. Die Menschen sollen gerne hereinkommen und sich sofort wohlfühlen – der erste Eindruck muss aber nicht das Produkt Auto sein“, sagt Timo Sommerauer, Markenleiter von Cupra Österreich. Aber ja: Sollte jemand an einem neuen Modell Interesse zeigen, kann er sich von einem „Cupra Master“ beraten lassen und direkt von der angrenzenden Tiefgarage „Neuer Markt“ aus eine Probefahrt unternehmen.

Cupra: Eintauchen in die Markenwelt

Die Cupra City Garage in Wien ist bereits die elfte ihrer Art weltweit. Mit dieser Einrichtung experimentiert der Volkswagen-Konzern mit neuen Marken-Ökosystemen und Kundenerlebnissen. „Hier wird ein Territorium geschaffen, in dem sich der Kunde frei und ohne Kaufdruck bewegen kann. Hier kann er sich wohlfühlen und sich mit der Marke identifizieren. Erst wenn diese emotionale Bindung entsteht, ist der Boden für einen möglichen Verkauf bereitet“, erklärt Christian ­Mikunda. Der Buchautor, ein promovierte Theaterwissenschaftler und Psychologe, inszeniert Einkaufen als Erlebnis. Die Herangehens­weise, Kunden zunächst in die Markenwelt eintauchen zu lassen, anstatt sie sofort zum Kauf drängen zu wollen, habe sich insbesondere in den USA und ­Asien schon lange bewährt, erklärt Mikunda. Auch inszenierte Showrooms der Autoindustrie sind nicht neu. Es geht um das sogenannte Surplus-Phänomen, also den ­Mehrwert, den Shops über das Produkt hinaus bieten. Das kann zum Beispiel ein Community-­Feeling sein. Dieses Ziel verfolgt die in Großbritannien gegründete (und hochpreisige) Radsportbekleidungs-Marke Rapha mit ihren Clubhouses. Sie fungieren als Community-­Treffpunkte für Biker, bieten organisierte Ausfahrten, Events, Rennübertragungen, Workshops und ein Café mit Radsport-Atmosphäre. „Ich finde den Namen ‚Clubhouse‘ sehr treffend gewählt, denn er vermittelt den Eindruck, als sei man quasi Mitglied in einem exklusiven Club oder einer Art ­Sekte. Es ist ein Kultphänomen“, analysiert Mikunda. 
 

LN-CC ist eines der innovativsten Ziele Londons, die Mode mit Kunst und Kultur verbinden.
LN-CC ist eines der innovativsten Ziele Londons, die Mode mit Kunst und Kultur verbinden.

Globetrotter: Testzonen für die Community

Das kombinierte Konzept von hochwertigen Produkten, Erlebnisorientierung und Gemeinschaftsgefühl hat bereits der deutsche Outdoor-Spezialist Globetrotter früh für sich entdeckt. In Köln steht der größte Outdoor-Store Europas mit einem Wassersportbecken im Untergeschoß, in dem Kunden ihre Kanus oder Tauchsportausrüstung testen können. Geboten werden auch Kälte- und Regenkammer sowie ein Klettertunnel. Das Thema „Nachhaltigkeit“ wird in Köln seit 2024 in der ­größten Filial-Reparaturwerkstatt Deutschlands bespielt. Zudem gibt es ein Angebot von geprüfter Secondhand-Ausrüstung und einen Equipment-Verleih, um Ressourcen zu schonen. Die Filiale schafft mit Glasdach, Pflanzen, Wassergeräuschen und Tierstimmen eine Abenteuer-Atmosphäre, die Fernweh wecken soll. Im Erdgeschoß befindet sich ein kleines Restaurant mit Terrasse, die abends mit Fackeln beleuchtet wird. Selbst der Besuch der Toilette ist ein Erlebnis. Ähnlichen Community-Fokus hat auch der Lego-Flagship-Store in Shanghai, der Workshops und Events für Lego-Fans jeden Alters bietet, oder der DJI-Flagship-Store im chinesischen Shenzhen. Dieser 4.000 Quadratmeter große Drohnen-Laden von Various Associates bietet ein futuristisches Design mit einem gläsernen Dach, unter dem Kunden Hightech-Drohnen testen können. Es gibt interaktive Beratungs- und Testzonen sowie Workshops für professionelle und private Nutzer. So etwas kann es fast nur im technikversessenen China geben.
 

Taucherlebnis im Kölner Outdoor-Store von Globetrotter.
Taucherlebnis im Kölner Outdoor-Store von Globetrotter.

Dior: verbotene Orte

Laut Mikunda lässt sich ein Trend hin zu Concept-Stores und zu der Rückkehr von superexklusiven Geschäften, sogenannten „verbotenen Orten“, beobachten. Darunter versteht man Geschäfte, bei denen der Zutritt ohne vorherige Anmeldung verweigert wird – wie etwa beim neuen Dior-Store am Wiener Kohlmarkt. Der Grund dafür ist, die Begehrlichkeit und Exklusivität der Marke gezielt zu steigern. „Allerdings ist das Abweisen offensichtlich sehr wohlhabender Kunden durch Sicherheitspersonal nicht im Sinne des Erfinders“, wie Mikunda betont. Denn erfolgreiche Luxusgeschäfte zeichnen sich gerade dadurch aus, dass sie ihre Kunden hervorragend behandeln. Ein Beispiel dafür ist LN-CC, eines der innovativsten Ziele Londons, die Mode mit Kunst und Kultur verbinden. „Auch hier brauchst Du eine Terminvereinbarung. Du kletterst durch ein Loch und bist in einer unterirdischen futuristischen Lifestyle-Welt mit Themenräumen, die aussehen wie die Kulisse im Film ‚2001: Odyssey im Weltraum‘. Es besteht kein Kaufzwang, der Time-Slot beträgt etwa 30 Minuten. Wenig Zeit, um an der Bar genussvoll am Espresso zu nippen. Den gibt es übrigens auch im neuen ArketConcept-Store von H&M, der im Mai in der Mariahilfer Straße in Wien eröffnet hat. „Der gesamte Fast-Fashion-Bereich versucht im Moment ein Upgrade“, sagt Mikunda im Interview.

Einkaufen am „Dritten Ort“: Interspar in einem ehemaligen Bankgebäude am Schottentor in Wien.
Einkaufen am „Dritten Ort“: Interspar in einem ehemaligen Bankgebäude am Schottentor in Wien.

Eataly: italienische Erlebniskultur

Wer kein Upgrade benötigt, ist der vom italienischen Selfmade-Millionär Oscar Farinetti 2007 gegründete Gourmet-Marktplatz Eataly, der in seinen kaufhausartigen Tempeln hochpreisige Genussmittel aus Italiens Manufakturen anbietet. Inzwischen gibt es von München über Tokio und Dubai bis New York Filialen in aller Welt. Restaurants, Cafés und Kochschulen unter einem Dach vereint. Der größte ­Eataly-Store befindet sich in Rom am Piazzale 12 Ottobre 1492. Auf vier Etagen und 17.000 Quadratmetern Verkaufsfläche wird ein eigenes Craftbeer und Mozzarella in offenen Produktionsstätten produziert. Allein die Nudel- und Olivenöl-Abteilung hat die Größe eines mittelgroßen Lebensmittelladens in Österreich. In ­Bologna, dem Zentrum der kulinarischen Genüsse, hat Farinetti einen Themenpark namens „Fico Eataly World“ eröffnet, wo man auf rund 100.000 Quadratmetern 40 Produktionsbetrieben bei der Herstellung von Nudeln oder Oliven­öl über die Schulter schauen kann. In allen Eatalys gibt es ein reich­haltiges Restaurant- und Barangebot. Übrigens verrät Farinetti, wo er sich die Inspiration für seine Ideen holt: nämlich in den USA bei Disneyland und der Kunst der Amerikaner, aus einzelnen Bereichen eine Multiplattform-Marke zu kreieren, die Geld einbringt. 

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