Wir brauchen kreative Köpfe
Chefinfo: Sind die Repressalien gegen die US-Universitäten und -Forschungseinrichtungen eine Chance für Europa bzw. Österreich?
Michael Rabl: Die USA waren lange ein Ort der Möglichkeiten, nun muss Europa diese Rolle einnehmen. Österreich kann dabei durchaus punkten. Wir haben ein stabiles System, das mit einem Mehrparteiensystem funktioniert und in dem die Gesellschaft das Regulativ ist. Österreich hat ein gutes Standing und eine gewisse Verbundenheit mit den USA, doch wir müssen auch in Vorleistung gehen, etwa wenn es um die Offenheit der Gesellschaft geht. Im kanadischen Ontario werden Fachkräfte am Flughafen mit dem Wohnungsschlüssel empfangen. Wir müssen daher das Onboarding professioneller gestalten. Ein erster Schritt ist die Rot-Weiß-Rot-Karte, da passiert vieles. Wir sind auch im ständigen Austausch mit dem Wirtschafts-Landesrat, wie wir mehr Talente ins Land holen können. In der Forschung ist es ganz wichtig, qualifizierte Leute zu finden. Wir müssen wissenschaftliche Positionen bis zu fünf Mal ausschreiben. Eine Forschungsprofessur in Hagenberg zu IT-Security ist nicht besetzt, weil die Industrie diese Leute abgezogen hat. Die Hürden für US-Forscher oder Professoren sind dabei sehr gering und auch die Forschergehälter sind weltweit vergleichbar. Die EU ist da sicher ein Hebel. Wenn wir gemeinsam auftreten, wäre das sicher zielführend, denn das Standing der EU ist hoch. Wir unterschätzen das oft. Gerade in asiatischen Ländern oder in Südamerika sind wir gut angeschrieben. Europa ist groß geworden, weil es Konflikte ausdiskutiert. In autoritären Regimen gibt es das nicht und das führt zu immensen Verlusten in der Gesellschaft.
Auch die Bundesregierung will sich um US-Talente kümmern. Welche Assets könnte Österreich bieten und welche Chancen würden sich dadurch ergeben?
Rabl: Wettbewerb ist immer gut, nicht nur bei denen, die gerade umworben werden. Wir haben große multinationale Forschergruppen. Österreich punktet sicher mit der Freiheit der Forschung, der Wirtschaftsnähe und der guten Lebensqualität. Gerade in der FH sind wir sehr unmittelbar an der Wirtschaft dran. In wirtschaftlich herausfordernden Zeiten brauchen wir mehr kreative Köpfe. Ein interkultureller Background ist dabei besonders wertvoll. Wir machen uns da oft kleiner, als wir sind. Leider herrscht gerade eine Stimmung, in der Systeme, die jahrelang gut funktioniert haben und auf denen man aufbauen kann, krankgejammert werden. Oft hat man das Gefühl, als sei Österreich dem Tod geweiht, gerade in diversen Bubbles in den sozialen Medien. Wir haben aber Unternehmen, die extrem zukunftsorientiert sind und diese stecken den Kopf nicht in den Sand.
Passt unsere Mentalität mit jener von US-Forschungs- und Wissenschaftspersonal zusammen?
Rabl: Die USA haben, trotz aller Widrigkeiten, ein sehr gutes Ausbildungssystem, auch der kulturelle Background passt. Sie wären daher sehr einfach zu integrieren. Dazu kommt die Sprache. Das macht das Onboarding noch einfacher. In spätestens zehn Jahren werden aber ohnehin alle Sprachbarrieren beseitigt sein, da haben wir einen „Babel Fish“ im Ohr. Bei der Online-Lehre ist das heute schon Standard. Ich habe das Transkript, nicht zuletzt dank KI, sofort in jeder Sprache verfügbar.