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LT 1-Chef Didi Maier
LT 1-Chef Didi Maier spricht über die Neuausrichtung des Privatsenders.
LT 1-Chef Didi Maier spricht über die Neuausrichtung des Privatsenders.
Wakolbinger

LT 1-Chef: "Corona war für uns ein Quotenturbo

19.11.2021 um 09:58, Klaus Schobesberger
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LT 1-Chef Dietmar Maier über den Wandel in der Fernsehwelt, die Neuausrichtung von Oberösterreichs führendem Privat-TV-Sender und sein Verhältnis zum ORF.

CHEFINFO: Im Vorjahr stieg die TV-Tagesreichweite in der heimischen Bevölkerung auf 70,3 Prozent. Das ist der höchste Wert seit 1991. Haben die Regionalsender auch davon profitiert?
Dietmar Maier: Corona war für uns ein Quotenturbo. Bei allen Herausforderungen gilt die Devise: „Lasse nie eine Krise ungenützt verstreichen!“ Der ­Sender wurde in dieser Zeit völlig modernisiert. Mehr neue TV-Formate als je zuvor wurden in dieser Zeit ins Leben gerufen. Mit LT1 Live wurde zudem eine Produktionsfirma mit Schwerpunkten auf Live-Übertragungen und Live-Streams gegründet. Wir sind damit voll ausgelastet und stellen gerade weitere Mitarbeiter ein.
 
Welche LT1-Sendungsinhalte wurden während der Pandemie und der Lockdowns besonders nachgefragt?
Maier: Zu Beginn war die tagesaktuelle Nachrichtenredaktion gefordert. Wir haben täglich aus dem Bundeskanzleramt berichtet und alle Informa­tionen aus Oberösterreich in tagesaktuelle Beiträge verpackt. Je länger die Pandemie andauerte, ­desto stärker wurde die Nachfrage nach Reportagen aus Ober­österreich. Alles abseits der Krisenberichterstattung wurde mehr und mehr zum Quotenhit. Noch im Pandemie-Herbst haben wir darauf reagiert und die ­Serien „Unterwegs in OÖ“, „Landfrauen“, „LT1 Fensterln“ und  „Talk im Paneum“ ins Leben gerufen. Letzterer ist mit 130.000 Sehern neben den NEWS und „OÖ kocht“ mit ­Silvia Schneider ­mittlerweile der Quotenhit auf LT1. Erstmals produzieren wir auch Hauptabend­sendungen fürs Wochenende.

Wie hat sich LT1 in den vergangenen Jahren entwickelt?
Maier: Wir sind ­kontinuierlich gewachsen, teilweise sogar etwas zu schnell. Wir befinden uns aber immer noch am Weg zur Umsetzung der Strategie vom Stadtsender zum Landes-TV, wobei wir längst nicht mehr der Linzer Sender sind. Die Zahl der Mitarbeiter hat sich in den letzten Jahren auf mehr als 55 verdoppelt. Vor allem die Redaktion wächst weiter und wird weiter ausgebaut. Die Anzahl der Seher hat sich in zehn Jahren von 30.000 auf über 140.000 täglich mehr als vervierfacht. Mit Zahlen wie diesen gehen wir aber normalerweise nicht an die Öffentlichkeit. Immer am Boden bleiben und unterschätzt zu werden, ist sehr hilfreich im Wachstum und Wettbewerb.
 
Wer sind Ihre Seher und ist das ­klassische TV-Gerät noch das bevorzugte Medium?
Maier: Vom 30-Jährigen bis zur 70-jährigen Oma ist alles dabei. Dass der Altersschnitt im Publikum nicht übermäßig steigt, dafür sorgt unsere Social-Media-Redaktion. Drei Mitarbeiter übersetzen unsere TV-Inhalte täglich für die Community auf Facebook, Instagram und TikTok. Das TV-Gerät ist nach wie vor das Massenmedium schlechthin. Das beste Beispiel ist die ZIB im ORF. Täglich versammeln sich 1,3 Millionen Öster­reicher vor ihren TV-Geräten.
 
Der Anteil der 14- bis ­29-Jährigen im klassisch-linearen Fernsehen liegt nur noch bei 33, 3 Prozent – 2016 waren es noch 66,4 Prozent. Die Jungen streamen heute mehr und hängen auf sozialen Medien ab. Wie reagieren regionale TV-Sender auf diese Entwicklung?
Maier: Wir haben keine Angst vor ­Streaming-Diensten und sozialen ­Medien, im Gegenteil: Es hilft uns, noch mehr Menschen für uns zu gewinnen. Ein Beispiel: Früher haben wir den Großteil der Seher nur in der Primetime zwischen 18.30 und 22.30 Uhr erreicht. Heute beginnt unsere Berichterstattung bereits in der Früh um 5.30 Uhr online – und das auf allen sozialen Netzwerken.

Wohin muss sich das ­traditionelle Fernsehen entwickeln, damit es attraktiv bleibt und wie reagiert LT1 konkret auf Trends?
Maier: Für uns ergeben sich dadurch ungeahnte neue Möglichkeiten. Unser Sender ist längst auf allen digitalen Kanälen angelangt. Wir nutzen jede Möglichkeit, unsere bewegten Bilder auf allen Plattformen auszuspielen. Nächstes Jahr steigen wir mit zwei TV-Produktionen ins Streaming-Geschäft ein. Die Produktion von der Streaming-­Staffel à zwölf Teile läuft gerade. Es sind die aufwendigsten Produktionen, die es je im Regionalfernsehen gegeben hat. Mehr darf ich noch nicht verraten. Nur so viel: Wer sich den neuen Trends verweigert, wird nicht überleben.
 
Auf der einen Seite ist der unübersichtlich wirkende Markt der Privatsender, auf der anderen Seite der monolithische Block des gebührenfinanzierten ORF. Wie sehen Sie dieses Match aus der Sicht des größten Privatsenders in OÖ?
Maier: Ich halte nichts vom ORF-­Bashing, das in Österreich leider viele Privatsender betreiben. Öffentlich-rechtliches Fernsehen ist für ein demokratisches Land unverzichtbar, dafür Gebühren zu zahlen ist für mich selbstverständlich. Zwei Voraussetzungen sind für mich wichtig: Gebühren für österreichische Formate und weniger für ­Hollywood-Blockbuster und US-Serien verwenden und eine parteiunabhängige Berichterstattung. Ich maße mir aber nicht an, den ORF zu kritisieren, die machen einen guten Job und wir haben selbst noch viele Hausaufgaben zu erledigen. Ich habe übrigens ein sehr gutes Verhältnis zum ORF, es ist Platz für alle da.

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