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Insolvenz - Eigenverwaltung ist die Minderheit

21.12.2023 um 09:20, Jürgen Philipp
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Was bedeutet Eigenverwaltung bei Insolvenz und warum könnten bald 90 Prozent der Unternehmen diese nutzen? Antworten im Interview.

Die Signa Holding hat ein Insolvenzverfahren mit Eigenverwaltung beantragt. Wie kann man sich das vorstellen?
Sanierungsverfahren mit Eigenverwaltung sind die deutliche Minderheit. Laut KSV gab es 2022 nur 28 Ver­fahren in Eigenverwaltung, 308 ohne. Mit einer Mindestquote von 30 Prozent bin­nen zwei Jahren ist sie auch teurer. Wei­ters ist es schwieriger festzustellen, ob die nötige Transparenz gegeben ist, da das Management selbst die Geschäfte führt und der Insolvenzverwalter, salopp gesagt, mehr eine Aufsichtsfunktion hat. Umgekehrt führt der Insolvenzverwal­ter bei Verfahren ohne Eigenverwaltung vorübergehend die Geschäfte. Die Ver­fügungsgewalt über die Insolvenzmas­se geht vom Schuldner auf den Insol­venzverwalter über. Dieser prüft u. a. auch die Werthaltigkeit der Vermögens­werte und ordnet sie zu. Gerade bei den Verflechtungen der Signa ist es wichtig, dass ein externer Kontrolleur genau hin­sieht. Transparenz schafft Vertrauen und genau das braucht Signa jetzt für eine positive Sanierung. Die Selbstverwaltung kann auch schnell entzogen werden.

Was bedeutet das für Banken, Lieferanten und Tochtergesellschaften?
Die Gefahr sind weitere Insolven­zen der Subfirmen und Lieferanten. Ver­mutlich gab es auch Geschäfte innerhalb des Firmengeflechts, kürzlich geschlossene Deals könnten im Verfahren rückabgewi­ckelt werden, dann wäre das Geld des Käu­fers weg, zusätzlich müsste er die Immobi­lie zurückgeben und etwaige Forderungen im Insolvenzverfahren anmelden. Rück­abwicklungen erhöhen das Risiko von Folgeinsolvenzen. Gläubigerbegünstigung wird damit ausgeschlossen. Aber auch Baufirmen, Lieferanten, Behörden und Kommunen könnten durch die Finger schauen. Die Banken als Gläubiger haben bessere Karten, weil sie im Grundbuch besichert sind, wobei fraglich ist, ob noch das Verhältnis Immobilienwert zu Sicher­heit passt aufgrund der Preisentwicklun­gen. Eigenkapitalgeber sind gegenüber Fremdkapitalgebern im Insolvenzverfah­ren nachrangig gestellt.

Thomas Bravo

Der springende Punkt ist, dass dieses vereinfachte Verfahren ein Gros der Verfahren umfasst. Es wird bis zu 90 Prozent aller Insolvenzverfahren betreffen.

Thomas Bravo, stv. Vorstandsvorsitzender BvCM

Ihr Verband sieht die geplante Harmonisierung des Insolvenzrechts der EU-Kommission äußerst kritisch. Worum geht es da?
Die EU­Kommission möchte ein­heitliche Rahmenbedingungen für das Insolvenzrecht, das macht auch Sinn. Öster­reich hat ein gutes Insolvenzrecht, kurze Verfahrensdauern, hohe Quoten und eine gute Sanierungskultur, quasi Best Practice. Leider droht ein Paradigmenwechsel, weg vom Gläubiger­ hin zum Schuldnerschutz. Kritisch sehen wir das verwalterlose Ver­fahren von Kleinstunternehmen, welches hohes Missbrauchspotenzial aufweist.

Wie wird sichergestellt, dass alle Gläubi­ger dieselben Infos erhalten?
Die Forde­rungsfeststellung übernimmt der Schuldner selbst. Der springende Punkt ist, dass die­ses vereinfachte Verfahren bis zu 90 Prozent aller Insolvenzverfahren betreffen könnte. Gläubiger können zwar beantragen, dass ein Insolvenzverwalter bestellt wird, bei Massearmut müsste er aber diesen auch bezah­len. Grundsätzlich sollen Schuldner eine zweite Chan­ce bekommen, aber sie sol­len nicht so bevor­teilt werden, dass weitere Prob­leme entste­hen. Genau das muss man befürchten.

 

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