Gerben als Erbe
Spazierte man in ferner Vergangenheit durch ein Dorf und folgte dem Bach, der sich zwischen den Häusern schlängelte, würde man zuerst die Brauerei passieren. Die letzte Station am Bach war hingegen der Gerber. Das hatte hygienische Gründe, denn bei der Gerberei fällt unweigerlich Abwasser an. Folgt man heute einem Bach, sucht man vergeblich nach Gerbereien. Die Liste an österreichischen Gerbereien passt heute allemal auf eine Kuhhaut und die Zahl der traditionellen Handwerker geht stetig zurück. In der Region um den Attersee gibt es nur noch eine letzte Gerberei. In siebter Generation führt Gregor Kölblinger den Familienbetrieb in Nußdorf. Das Recht der Kölblingers auf die Nutzung des Bachwassers stammt noch von Kaiserin Maria Theresia. Aber keine Sorge: Das Abwasser wird heute nicht mehr in den Bach geleitet, sondern in der Kläranlage wiederaufbereitet.
Vom Bauernleder zum Reitsport
Bis ins 13. Jahrhundert reicht die Gerbertradition in Nußdorf am Attersee zurück. Dabei hat sie alle Umbrüche überdauert. Ursprünglich fand hier die reine Grubengerbung mit pflanzlichen Stoffen statt. „Das war ein langwieriges Verfahren“, weiß Kölblinger, „der Gerbungsprozess hat ungefähr ein Jahr gedauert.“ Im 20. Jahrhundert kam schließlich eine revolutionäre Innovation. Statt pflanzlicher Stoffe begann man, mit dem mineralischen Element Chrom zu gerben. Kölblingers Großvater war der Erste seiner Ahnen, die auf Chromgerbung setzten. Und auch sonst hat sich vieles verändert. „Früher hat der Bauer drei Häute gebracht und als Gegenleistung eine gegerbt zurückerhalten“, erzählt Kölblinger. Der Gerber ist aber mit der Zeit gegangen und so spezialisierte man sich. „Wir haben uns schon bald auf Sattelleder fokussiert und das ist eigentlich bis heute unser Hauptprodukt.“ Dazu kauft er zumeist vorgegerbtes Leder und verarbeitet es zu Steigbügelriemen und Pferdesätteln. Dabei betont er die Nachhaltigkeit: „Solange Fleisch gegessen wird, wird Rohhaut anfallen. Durch uns kann jeder Teil des Tiers genutzt werden.“
